Gefühlte Stadt – gefühlte Schrumpfung? Zur Phänomenologie der Schrumpfung.

Für die nächste Woche hat mich die Graduate Studies Group des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung zu einem Vortrag zum Themenbereich Phänomenologie der schrumpfenden Städte eingeladen. Die von Inga Haese vorbereitete Veranstaltung spricht ein wichtiges, gleichsam auch poetisches Thema an, das ich vorher noch nicht aus phänomenologischer Perspektive betrachtet hatte. Das Leben in schrumpfenden Städten bietet in der Tat eine Vielzahl spannender, das Erleben und Erfahren betreffender Aspekte die der Untersuchung harren. Besonders relevant und aus meiner Perspektive passend erscheint mir das Phänomen der Abwesenheit, zum dem ich in den letzten Monaten viel geforscht und gearbeitet habe. Dementsprechend widme ich mich in meinem Input unter dem Titel Phänomenologie, Stadt und das Abwesende neben grundsätzlichen, die Phänomenologie betreffenden Fragen vor allem der Erfahrung des Abwesenden. Hier mein Vortragsabstract:

Phänomenologisches Forschen folgt Husserls berühmten Aufruf Zurück zu den Sachen selbst. Hier soll der Frage nachgegangen werden, was eine solche Perspektivierung für die Stadtforschung bedeutet und wie dabei insbesondere dem Phänomen der schrumpfenden Städte nachgegangen werden kann. Dazu wird in einem ersten Schritt anhand von Videomaterial gezeigt, wie die Erfahrungsebene bzw. das Wahrnehmen für wissenschaftliche Reflexion greifbar gemacht werden kann. Im sich-bewegen durch den Stadtraum wird dieser in jeweils bestimmter Weise hervorgebracht. Dabei spielen die Körperlichkeit bzw. Leiblichkeit der Wahrnehmenden genauso eine Rolle wie die sozial-räumlich-materielle Konstellationen, durch die man sich bewegt. All diese Faktoren prägen das Wahrnehmen und damit auch das Handeln im Stadtraum – das Perfide daran ist allerdings, dass die Beeinflussung des Wahrnehmens selbst normalerweise nicht wahrgenommen wird und deshalb auch nicht als Gegenstand für eigene Einflussnahme auftaucht. So wird durch die Konfiguration des Wahrnehmens auf subtile Weise eine äußerst wirksame Kontrolle über das Handeln ausgeübt.
Im einem zweiten Schritt sollen diese theoretischen genauso wie methodischen Überlegungen auf das Phänomen der Schrumpfung gewendet werden. Dabei wird die Abwesenheit im Mittelpunkt stehen. Wie wird Abwesendes eigentlich erfahren? Was ist die besondere Qualität des Abwesenden? Häuser die Erdboden gleichgemacht wurden, Geschäfte die leerstehen, Stühle die von niemandem besetzt werden… alle diese Leerstellen müssen gefüllt werden. Aus eben dieser Notwendigkeit des Füllens bezieht das Abwesende seine Kraft: das, was fehlt, wird mit den Erinnerungen und Emotionen derer angefüllt, die es vermissen. Die schrumpfende Stadt wird so zu einem Ort, dessen Fülle sich aus denen speist, die ihn erfahren haben – oder zu einem Ort der einfach nur leer bleibt, weil keine Erinnerungen und Emotionen mit ihm verknüpft sind.

Mehr Informationen zur gesamten Veranstaltung, die viel Raum für Austausch und Diskussion bieten wird, gibt es in der Veranstaltungsankündigung – ich freue mich schon sehr auf die Diskussionen. Besonders charmant finde ich die Tatsache, dass das Georg-Simmel-Zentrum in den ehemaligen Räumlichkeiten meines ehemaligen Arbeitgebers, nämlich des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in der Mohrenstraße angesiedelt ist – das gibt ein wenig Heimatgefühl! Also, kommt Mittwoch den 21. März um 19:00 Uhr zur Mohrenstraße 41!

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