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1. Zinssenkungen führen zu mehr Nachfrage und damit zu einem Wachstumsschub
2. Die Arbeitsleistenden werden ihren Kaufkraftzuwachs durch sinkende Zinsen voll ausschöpfen
3. Die Wünsche der Menschen sind unbegrenzt 4. Mit einer Umlaufsicherung läft das Geld noch schneller um 5. Niedrige Zinsen führen zu noch mehr Verschuldung 6. Bei niedrigen Zinsen flüchtet das Geld ins Ausland 7. Heute hortet doch niemand mehr Geld, und wenn, so ist das kein Problem mehr 8. Bargeld, das durch die Umlaufsicherung am höchsten belastet wird, spielt doch heute kaum noch eine Rolle
10. Wenn die Zinsen sinken, übernimmt der Gewinn die Rolle des Wachstumsantreibers
11. Wachstumsstillstand bedeutet Rückschritt
12. Mit einer Zinssenkung sind die Umweltprobleme nicht zu lösen
13. Die Folgen von Zinssenkungen in der Zusammenfassung
Geht man diesen Erscheinungen intensiver nach, stößt
man
auf Ursachen, die mit der herrschenden Geldordnung zusam-
menhängen:
Die überproportionale Akkumulation und Konzentration
der Geldvermögen führt zu einer übermäßigen
Zunahme der
Schulden, die damit verbundenen wachsenden Zinslasten zu
einer zunehmenden Einkommensumschichtung. Die Zinsla-
sten schlagen sich bei den Geldvermögen als Erträge
nieder
und bewirken ein erneutes Wachstum derselben mit entspre-
chender Zunahme des Verschuldungszwangs. Wir haben es
also hier mit einer sich selbst beschleunigenden Problemspi-
rale zu tun, mit einem unnatürlichen Regelkreis, den wir
in der
Natur nur bei krankhaften Wachstumsprozessen kennen.
Die zinsbedingte Umverteilung der Einkommen von der
Arbeit zum Besitz führt zwangsläufig zu einer Verarmung
der
Arbeitleistenden. Diese Verarmung kann nur durch ständiges
Wirtschaftswachstum vermieden beziehungsweise ausgegli-
chen werden. Das heißt, das Bruttosozialprodukt (beziehungs-
weise das Volkseinkommen) muß in jedem Jahr mindestens
um den Betrag erhöht werden, den das Geldvermögen mehr
beansprucht. Soll sich die Schere zwischen Arbeits- und Zins-
einkommen nicht weiter öffnen, muß das Wirtschaftswachs-
tum dem der Geldvermögen sogar prozentual entsprechen.
Unsere Volkswirtschaften sehen sich also einem dreifachen
Dilemma gegenüber: Führen sie die eskalierenden Geldan-
sammlungen nicht wieder über Kredite in den Nachfragekreis-
lauf zurück, droht ihnen eine deflationäre Rezession.
Führen
sie die Geldvermögenszuwächse zurück, nimmt die
Über-
schuldung und damit die Diskrepanz zwischen arm und reich
weiter zu. Und versuchen sie den wirtschaftlichen beziehungs-
weise sozialen Folgen durch weiteres Wirtschaftswachstum
auszuweichen, beschleunigen sie den ökologischen Kollaps.
Bei alledem spielt die Höhe der Zinsen eine ausschlagge-
bende Rolle. Sinkende beziehungsweise niedrige Zinsen lassen
die Probleme entsprechend kleiner werden. Doch sind sin-
kende Zinsen, so wünschenswert sie wären, unter den
heuti-
gen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens mit einem erheb-
lichen Manko verbunden: Wie die Inflation als "Peitsche",
müssen sie als "Zuckerbrot" das Geld im Umlauf
halten.
Dieser Umlaufsicherungseffekt läßt jedoch mit der Höhe
der
Zins- beziehungsweise Inflationssätze nach. Das heißt,
bei
niedrigeren Zinsen nimmt die Zurückhaltung des Geldes zu
und damit die Gefahr deflationärer Kreislaufstörungen.
Zwar
können die Notenbanken heute die Geldzurückhaltung durch
zusätzliche Geldausgabe ausgleichen. Damit aber bauen sich
Inflationspotentiale auf, die "morgen" die Preise und
vor allem
die Zinsen in die Höhe treiben.
Ursache der Problematik ist der Tatbestand, daß sich der
Zins als Knappheitspreis des Geldes den normalen Marktme-
chanismen entziehen kann. Während an einem freien Güter-
markt die Gewinne mit der Sättigung des Angebots gegen Null
tendieren, kommt es beim Geld ab einer bestimmten Zinsun-
tergrenze zu einer künstlichen Verknappung. (2) Das heißt,
das
Geld entzieht sich dem Angebotszwang, dem die Arbeit und
alle Güter unterliegen, und verhindert damit auch bei Geld-
überfluß ein marktgerechtes Absinken der Zinsen auf
den
Nullpunkt.
Aus dieser kurzen Lagebeschreibung ergeben sich folgende
Forderungen:
Erstens: Das Geld muß genau wie Güter und Arbeit unter
Angebotszwang stehen, damit es ein Äquivalent derselben und
ein neutrales Tauschmittel ist.
Zweitens: Die heutigen destruktiven Umlaufsicherungs-
mittel Zins und Inflation müssen durch eine konstruktive,
zinsunabhängige Alternative von dieser Aufgabe befreit
werden.
Drittens: Der heute bereits bestehende Annahmezwang für
Geld muß durch einen Weitergabezwang ergänzt werden,
das
heutige Verbot der Geldvermehrung (durch Geldfälschung)
durch ein Verbot der Geldverminderung (durch Geldzurück-
haltung).
Leider geht die Wirtschaftswissenschaft diesen Forderungen
und ihrer Überprüfung bislang aus dem Wege, ja, die
Notwen-
digkeit einer Geldordnungskorrektur und ihrer Bedeutung
wird kaum gesehen. Nur einige wenige Wirtschaftswissen-
schaftler, die durchweg der Umweltschutzbewegung naheste-
hen, haben das Problemfeld Geld erkannt. (3) Gerade aus diesen
Kreisen wird jedoch häufig die Befürchtung geäußert,
daß ein
marktgerechtes Absinken der Zinsen das Wirtschaftswachs-
tum beschleunigen könnte. Nachstehend wird deshalb ver-
sucht, die Stichhaltigkeit dieser Befürchtungen zu überprüfen
und zu widerlegen. Dabei werden die häufiger vorgebrachten
Einwände gegen die geforderte Geldordnungsreform jeweils
als
These den einzelnen Abschnitten vorangestellt.
Wenn zum Beispiel in einer Miete von 600 Mark ein Verzin-
sungsanteil für das Kapital in der Höhe von 400 Mark
enthalten
ist (4), dann würde bei einer Halbierung der Zinssätze
dieser
Zinsanteil von 400 auf 200 Mark zurückgehen und bei einem
Zinssatz um Null ganz entfallen. Dem Mieter ständen dann
200 bis 400 Mark mehr für andere Ausgaben zur Verfügung,
dem Vermieter (wenn er die Wohnung aus Eigenkapital finan-
ziert hat) im gleichen Umfang weniger. Die erweiterte Nach-
fragemöglichkeit des Mieters wird also durch eine verringerte
des Vermieters kompensiert. Eine Steigerung der Wirtschafts-
leistung ergibt sich nicht, wohl aber ein Rückgang des Ver-
schuldungszwangs.
Die Arbeitleistenden werden ihren Kaufkraftzuwachs durch sinkende
Zinsen voll ausschöpfen
Daß eine volle Ausschöpfung des Kaufkraftzuwachses
keine
Vergrößerung der Gesamtnachfrage bewirkt, wurde dargelegt.
Die offene Frage ist, ob die Arbeitleistenden die zu ihnen
zurückfließende (richtiger: in ihren Händen verbleibende)
Kaufkraft voll für eine zusätzliche Konsumgüternachfrage
nutzen werden.
Sicherlich haben Teile der arbeitenden Bevölkerung noch
unerfüllte Wünsche, die sie sich mit dem Einkommenszu-
wachs erfüllen werden. Wenn aber bereits seit Jahren Befragun-
gen ergeben haben, daß sich ein erheblicher Prozentsatz
der
Arbeitenden eher mehr Freizeit als mehr Lohn wünscht, kann
man davon ausgehen, daß nicht alle ihre zusätzlichen
Mittel
zur Bedarfsbefriedigung einsetzen werden. Vielmehr ist zu
vermuten, daß zumindest ein Teil der Beschäftigten
ihren
Kaufkraftzugewinn durch verkürzte Arbeitszeiten ganz oder
teilweise ausgleicht.
Aber selbst wenn anfangs alle arbeitenden Bürger das Mehr
an Kaufkraft voll für Konsumgüter ausgeben, käme
es damit
nur schneller zu einer Füllung der bislang ungesättigten
Rest-
bereiche. Der abnehmende Grenznutzen weiteren Konsums
würde - wie heute bereits bei vielen Konsumgütern zu
beob-
achten ist - zu einer rückläufigen Nachfrage und zu
einer
Höherschätzung von Freizeit und/oder kulturellen Tätigkeiten
führen.
Die Wahrscheinlichkeit und die Erfahrung sprechen also
dafür, daß sinkende Zinsen - zumindest auf Dauer -
zu einer
Stabilisierung der Wirtschaftsleistung auf einer optimalen
Höhe, wenn nicht sogar zu einer langsamen Abnahme führen.
Die Wünsche der Menschen sind unbegrenzt
Diese These gilt besonders für jene Menschen, die sich ihre
Wünsche ohne eigene Arbeitsleistung erfüllen können,
also
vor allem für die Superreichen, die heute "von allein"
immer
reicher werden. Diejenigen aber, die für die Erfüllung
ihrer
Wünsche selbst Arbeit leisten müssen, stoßen dagegen
immer
an Grenzen. Diese hängen nicht nur mit dem nachlassenden
Reiz zusätzlicher materieller Güter zusammen, wenn man
dafür arbeiten muß, sondern auch mit der begrenzten
Lei-
stungsfähigkeit jedes Menschen. Außerdem wird jeder
ab
einem bestimmten Punkt feststellen, daß noch mehr Besitz
nicht freier, sondern unfreier macht. Es sei denn, man verfügt
über die Mittel, sich die notwendigen Hilfskräfte zur
Pflege
und Überwachung seines Eigentums leisten zu können.
Die heute oft überzogenen Wunschvorstellungen und -stan-
dards werden also einmal durch das fragwürdige Vorbild jener
millionen- und milliardenschweren Minderheiten gesetzt, die
überwiegend von ihren Kapitaleinkünften leben. (5) Mit
einer
Zinssenkung und der damit verbundenen Reduzierung dieser
Einkommen würden also auch solche "Vorbilder" langsam
schwinden.
Ein anderer Grund für überzogene Wunschvorstellungen
ist
heute die Werbung, die allenthalben Illusionen weckt. Ursache
dieser immer aggressiveren und materialverschlingenden
Kampagnen ist einmal der Kampf um ständig größere
Marktan-
teile, zu dem vor allem diejenigen Unternehmen gezwungen
sind, deren Schulden rascher steigen als die allgemeine Wachs-
tumsquote der Wirtschaft, und das ist bei den meisten Firmen
der Fall. (6) Zum anderen verlocken auch die Geldinstitute mit
vermeintlich immer günstigeren Angeboten zu kreditfinan-
zierten Wunscherfüllungen, weil es sich für die Bankkonzerne
als immer schwieriger erweist, die sich durch den Zins- und
Zinseszinseffekt vermehrenden Geldeinlagen abzusetzen.
Auch in diesen Fällen würde also eine Zinssenkung den
Wachstums- und Werbezwang mindern helfen, sowohl bei den
Unternehmen als auch bei den Banken, die heute um des
eigenen Überlebens willen zu beidem gezwungen sind.
Mit einer Umlaufsicherung läuft das Geld noch schneller um
So wie das Tempo des Blutkreislaufs von der Leistung des
Herzens bestimmt wird, so hängt die Geschwindigkeit des
Geldkreislaufs von der Leistung der Wirtschaft ab.
Geld kann nie schneller umlaufen, das heißt ausgegeben
werden, als man es durch Leistung selbst erwirbt oder sich von
anderen "erwerben läßt". Auch kann man -
was jeder aus
Erfahrung weiß - sein Geld nur einmal ausgeben. Wohl aber
kann jeder das Ausgeben kurz- oder längerfristig unterlassen
und damit den Kreislauf des Geldes unterbrechen, was - ähn-
lich wie bei der Blutzirkulation - zu "Durchblutungsstörun-
gen" führt, konkret: zu Nachfragedisharmonien beziehungs-
weise Geldmangel mit deflationären Folgen für die Wirtschaft.
Heute können zwar die Notenbanken die Deflationsgefah-
ren zurückgehaltener Kaufkraft durch zusätzliche Neugeld-
ausgabe neutralisieren. Sie schaffen jedoch mit diesem zusätz-
lichen Geld ein Inflationspotential, das entsprechend wirksam
wird, wenn das zurückgehaltene Geld nachfragend in den
Kreislauf zurückkehrt.(7) Nur dieses dem Kreislauf zeitweise
entzogene Geld wird durch eine zinsunabhängige Umlaufsi-
cherung beschleunigt in Bewegung gebracht, nicht aber jenes,
das, mengenmäßig auf die Leistung abgestimmt, zwangsläu-
fig bei einer solchen Umlaufsicherung gleichmäßig kursiert!
Mit einer solchen Umlaufsicherung würde auch die heutige
problematische Praxis der Notenbanken überflüssig, zurück-
gehaltenes Geld durch höhere Zinsanreize in den Kreislauf
zurückzulocken. Eine Beschleunigung des Geldkreislaufs tritt
also mit Einführung einer zinsunabhängigen Umlaufsicherung
nicht ein, wohl aber eine Verstetigung. Die heute vorhandenen
Geldüberschüsse werden sich dabei durch Einzahlung bei
den
Banken abbauen.
Niedrigere Zinsen führen zu noch mehr Verschuldung
Sinkende Zinsen beleben zweifellos das Kreditgeschäft, weil
damit Investitionen möglich werden, die bislang an der Zins-
schwelle scheiterten. Das gilt besonders für manche ökolo-
gisch wünschenswerten Vorhaben, beispielsweise Solar- und
Windkraftanlagen.
Doch muß trotzdem kein Verschuldungsboom befürchtet
werden: Kreditaufnahmen können immer nur in dem Umfang
ausgeweitet werden, wie auf der anderen Seite die Geldüber-
schüsse zugenommen haben. Da aber mit sinkenden Zinsen
die Vermögenseinkommen zurückgehen, verringert sich
auch
das Angebot für Kredite. Damit entstehen jedoch keine Eng-
pässe oder Finanzierungsprobleme, da im Umfang der rückläu-
figen Zinseinkommen die Arbeitseinkommen zunehmen. Das
heißt, die Unternehmen können - wenn sie investieren
wollen
- verstärkt auf eigene Einkommen zurückgreifen oder
auch auf
die Ersparnisse der Beschäftigten, falls diese ihre Arbeitszeiten
nicht reduzieren. Tun sie das jedoch, sind auch weniger Investi-
tionen erforderlich.
Auch aus einem anderen Grund kann es bei niedrigerern
Zinsen zu keiner Kreditschwemme kommen: Genau wie
heute muß man weiterhin für alle Darlehen Sicherheiten
bieten, womit sich der Kreis der Kreditwürdigen wie bisher
eingrenzt. Auch "kostenlose Kredite" wird es niemals
geben,
da zumindest die Bankvermittlungs- und Risikokosten getra-
gen werden müssen, die heute - je nach Kreditart und Laufzeit
- zwischen einem und fünf Prozent der Kreditsumme liegen.
Im übrigen würde der Zins nach Einführung einer
Geldum-
laufsicherung nicht schlagartig, sondern nur nach und nach
zurückgehen und sich schließlich, bei ausgeglichenen
Kapital-
marktlagen, um Null einpendeln. Aber auch bei einem der-
artigen Stand wird nur dann jemand investieren und produzie-
ren, wenn an den Gütermärkten die Nachfrage das Angebot
übersteigt und Aussicht besteht, die aufgenommenen Darle-
hen zurückzahlen zu können.
Bei niedrigen Zinsen flüchtet das Geld ins Ausland
Auch hier muß zuerst eine Fehlvorstellung revidiert werden:
Geld "flüchtet" oder "fließt" nie
ins Ausland - es sei denn,
jemand trägt es im Koffer über die Grenze und schließt
es dort
in einen Tresor ein. Dann aber liegt nichts anderes vor als eine
normale Hortung. Dies aber wäre sowohl hier wie dort mit
Kosten und Verlusten verbunden, wenn das Geld mit einer
zinsunabhängigen Umlaufsicherung gekoppelt würde.
"Mit seinem Geld ins Ausland gehen" kann man ansonsten
nur durch einen Währungstausch. Das heißt, wenn jemand
wegen der niedrigen Markzinsen von Mark auf Dollar umstei-
gen will, braucht er einen Tauschpartner, der genau das Gegen-
teil möchte. Das gilt nicht nur für einen Bargeldtausch,
son-
dern ebenso für einen Tausch von Mark- gegen Dollargutha-
ben, auch wenn diese Vorgänge durch die Bankabwicklungen
unübersichtlich werden. Doch ganz gleich, welchen Tausch
wir annehmen: Der Dollarbesitzer wird nur dann auf die
umlaufgesicherte Mark beziehungsweise deren geringverzin-
ste Guthaben wechseln, wenn er die erworbene Kaufkraft für
Reisen, Käufe oder Investitionen im DM-Raum einsetzen will.
Damit aber sind diese Geld- oder Guthabenbestände wieder
dort, wo sie hingehören. Und darin liegt der Sinn einer funktio-
nierenden Umlaufsicherung.(8)
Kommt es zu einer übermäßigen Nachfrage nach Dollar
oder
einer andexen Währung, erhöhen sich auf dem freien Markt
entsprechend die Wechselkurse, was den Boom selbststeuernd
abbremst. Das heißt, genauso wie auch heute die unterschied-
lichen Zins- und Inflationshöhen und -schwankungen durch
die Veränderung der Wechselkurse ausgeglichen werden, ist
das auch bei sinkenden Zinsen als Folge einer zinsunabhängi-
gen Umlaufsicherung der Fall.
Im Zusammenhang mit sinkenden Zinsen muß man in
bezug auf ihre Reaktionsweisen auch zwischen Investoren und
Spekulanten unterscheiden: Der Spekulant versucht an Wäh-
rungen mit hohen Zinsen zu gelangen, hoffend, rechtzeitig den
Absprung zu schaffen, wenn ein Umkippen des Wechselkurses
seine Spekulationsgewinne gefährdet.
Der Investor dagegen, also jemand, der ein Unternehmen
gründen oder ausbauen will, zieht Länder mit möglichst
nied-
rigen Zinsen vor, weil er dort günstigere Produktionsbedingun-
gen findet. Nur die Investoren jedoch erweisen sich in einer
Wirtschaft als positiver Faktor. Die Spekulanten dagegen bela-
sten und verunsichern jede Volkswirtschaft und den grenz-
überschreitenden Handel. Ihr Anwachsen ist immer ein
Beweis für eine Überentwicklung der Geldvermögen,
die im
Bereich der Investitionen nicht mehr die erwartete Rendite
finden. Aber nicht nur die Spekulation erhöht sich aufgrund
der fehlenden zinsunabhängigen Umlaufsicherung bei niedri-
ger Rendite, sondern auch die liquiden Geld- und Guthaben-
haltungen nehmen zu. Dadurch entsteht ein Mangel an Geld
und ein Rückgang der langfristigen Kreditangebote, bis es
als
Folge davon schließlich zu einem Wiederanstieg der Zinsen
kommt und sich die Spekulation vermindert.
Heute hortet doch niemand mehr Geld, und wenn, so ist das kein
Problem mehr
Mit ziemlicher Regelmäßigkeit erscheinen in der Presse
Berichte über Verstorbene, die unter Matratzen oder sonstwo
erkleckliche Geldsummen versteckt hatten. Noch größere
Summen werden immer wieder bei Einbrüchen aus Wohnun-
gen gestohlen und Millionenbeträge beim Ausräumen privater
Bankschließfächer. Außerdem ist bekannt, daß
in Inflations-
ländern häufig Geldbestände ausländischer
Währungen in Mil-
liardenhöhe gehortet werden, um Ersparnisverlusten zu entge-
hen.(9) Weitere Milliardenbeträge sind oft jahrelang in ausländi-
schen Notenbanken stillgelegt. Auch wenn es darüber keine
genauen Zahlen gibt: Die Höhe der dem Wirtschaftskreislauf
entzogenen Geldsumme ist beträchtlich.
Scheinbar stellen alle diese Geldhortungen im Grunde heute
kein Problem mehr dar: Im Gegensatz zur Goldgeldzeit kön-
nen die Notenbanken die entzogene Kaufkraft durch Drucken
zusätzlicher Scheine leicht ersetzen. Problematisch ist jedoch
das erhebliche Schwanken dieser Bestände, das eine präzise
Geldmengensteuerung und damit eine Stabilisierung der Kauf-
kraft unmöglich macht.
Diese Schwankungen der Geldhaltung werden vor allem
vom Auf und Ab der Zins- und Inflationssätze ausgelöst,
die im
allgemeinen gleichgerichtet reagieren. Sinken die Sätze,
läßt
ihre umlaufsichernde Wirkung nach, und die liquide Geld-
(zurück)haltung nimmt zu. Bei steigenden Zins- und Infla-
tionssätzen verläuft es umgekehrt. Das heißt,
bei sinkenden
Zinsen sind die Notenbanken zu überhöhten Geldausgaben
gezwungen. (10) Damit aber kommen Inflationspotentiale ins
Spiel, die bei steigenden Zinsen virulent werden, erst einen
Nachfrageboom und dann einen Inflationsanstieg auslösen.
Mit anderen Worten: Es wird nicht nur immer noch in einem
erheblichen Umfang Geld zurückgehalten, sondern diese Hor-
tungen führen aufgrund ihrer schwankenden Bestände zu
erheblichen Problemen, die einen entscheidenden Einfluß
auf
den Konjunkturverlauf ausüben. (11)
Bargeld, das durch die Umlaufsicherung am höchsten belastet
wird, spielt doch heute kaum noch eine Rolle
Diese Einschätzung ist darauf zurückzuführen, daß
in den
meisten Ländern die Girokontenbestände größer
sind als die
Bargeldmenge. Außerdem werden diese Sichtguthaben deut-
lich häufiger umgeschlagen als das Geld, wenngleich über
letzteres nur Schätzungen möglich sind. Die Relationen
zwi-
schen Geldmenge und Sichtguthaben sind jedoch - entgegen
oft geäußerten Annahmen - ziemlich konstant. In der
Bundes-
republik liegen sie seit zwanzig Jahren bei eins zu zwei.
Was nun die Rolle des Bargelds anbetrifft, so hat die Bundes-
bank vor einigen Jahren ermittelt, daß 87 Prozent aller
Zah-
lungsvorgänge in der Endnachfrage bar abgewickelt werden
(12)
und nur 13 Prozent per Scheck, Überweisung oder Dauerauf-
trag. Geht man vom Wert der Endnachfrage statt von der
Anzahl der Vorgänge aus, dann dürften etwa 60 Prozent
der
Käufe bar und 40 Prozent unbar abgewickelt werden. Ver-
gleicht man die unbare Endnachfrage mit den gesamten
Umschichtungen auf den Girokonten, dann sind die Verbrau-
cher daran nur mit 2,1 Prozent beteiligt, also nur knapp mit
einem Fünfzigstel! (13)
Die riesigen Umsätze auf den Girokonten, haben zwei
entscheidende Ursachen:
Einmal wird über diese Konten die Mehrzahl der Zahlungs-
beziehungsweise Verrechnungsvorgänge im Vorfeld der End-
nachfrage abgewickelt: von der Rohstoffsuche über die ver-
schiedenen Produktionsstufen bis zum Groß- und Einzelhan-
del, einschließlich aller investitionsbezogenen Ausgaben.
Zum anderen läuft über die Girokonten der Großteil
sämtli-
cher Bestands- und spekulativen Anlagenumschichtungen an
Banken und Börsen ab.
Alle diese Umsätze haben also nur zum Teil mit der Versor-
gungswirtschaft zu tun. Vor allem aber finden die vielen
Übertragungen im Vorfeld der Endnachfrage nur so lange statt,
wie am Ende der Kette jemand in einen Laden geht und kauft.
Das heißt, die Endnachfrage ist konjunkturentscheidend,
und
diese wird immer noch überwiegend mit Bargeld getätigt.
Dabei ist noch etwas zu beachten: Der überwiegende Teil der
von den Endverbrauchern vollzogenen unbaren Abwicklungen
betrifft feste, gleichbleibende Beträge, etwa für Miete,
Versi-
cherung, Steuern und dergleichen, also relativ starre und
konstante Größen. Damit verlagern sich die schwankenden
konjunkturbestimmenden Nachfragevorgänge noch stärker
auf die Zahlungsvorgänge mit Bargeld.
Bei einer Umlaufsicherung auf Bargeld und Girokonten hortet man
Goldbarren oder andere Wertgegenstände
Die "Flucht" in Gold oder andere Wertgegenstände
hat gar
keine Auswirkung auf die Geldmenge oder den Geldkreislauf.
Hier findet jedesmal nur ein Tausch von Ware gegen Geld statt
und umgekehrt. Allenfalls könnte durch einen verstärkten
Bedarf an solchen Gegenständen deren Preis in die Höhe
gehen.
Selbst bei einer Inflation von zehn und mehr Prozent wird das
Geld als Tauschmittel heute nicht vom Markt verdrängt.
Weshalb sollte da eine Umlaufsicherungsgebühr von sechs
Prozent, die den Wert des Geldes und der Ersparnisse endlich
garantieren kann, zu solch einem Verhalten führen?
Wenn die Zinsen sinken, übernimmt der Gewinn die Rolle des
Wachstumsantreibers
Bei der Beurteilung dieser Annahme müssen zuerst die Unter-
schiede zwischen Zins und Gewinn herausgearbeitet werden:
von Geld, die sich auf alle wirtschaftlich genutzten Sachgü-
ter überträgt.
Der Gewinn ist eine leistungsbezogene Prämie für unterneh-
merisches Risiko und Tun, die zur Marktbedienung anregt.
Angebotszurückhaltung verhindert werden kann.
Der Gewinn ist ein Knappheitspreis, der sich durch den von
ihm ausgelösten Wettbewerb herunterkonkurriert.
die auf jeden Fall erwirtschaftet werden muß.
Der Gewinn ist eine kalkulatorische, auf den Umsatz bezo-
gene Überschußgröße, deren Umfang erst am
Jahresende zu
ermitteln ist.
stitionen und der Kapitalmasse zu.
Die Summe aller Gewinne geht mit den Investitionen und
der damit verbundenen zunehmenden Marktsättigung -
zumindest relativ - zurück.
eingesetzte Kapital mindestens den Geldzins in Höhe von
sechs bis acht Prozent erwirtschaftet.
Ein Unternehmen ist wirtschaftlich, wenn es bezogen auf
den Umsatz ein bis zwei Prozent Gewinn herausholt.
der Endumsatz ist, liegt der Zinsanteil im Preis bei 24 bis 32
Prozent, während der Gewinn im Preis einen Bruchteil dieser
Größe beträgt.
Der entscheidende Unterschied zwischen Zins und Gewinn ist
der unter dem zweiten Punkt genannte: Der Gewinn unterliegt
den Marktgesetzen und tendiert mit zunehmenden Sättigungs-
entwicklungen gegen Null. Dieser Wirkungsmechanismus des
Markts kann nur vorübergehend bei Knappheitslagen oder
durch Monopole unterlaufen werden.
Der Gewinn kann also niemals die Rolle der Zinsen über-
nehmen. Und aufgrund seiner negativen Rückkoppelung ist er
als dauernder Wachstumsantreiber gar nicht geeignet.
Wachstumsstillstand bedeutet Rückschritt
Alle natürlichen und gesunden Wachstumsprozesse stabilisie-
ren sich auf einer optimalen Höhe. Diese Regel gilt für
alles
Leben auf unserer Erde. Sie gilt auch für die Wirtschaft,
die sich
den Gesetzen der Natur nicht ungestraft entziehen kann.
Nach dem letzten Krieg war das Wirtschaftswachstum in
den ersten zehn bis zwanzig Jahren notwendig und sinnvoll.
Nachdem jedoch fast alles wiederaufgebaut war, hätte es
aufgrund der einsetzenden Sättigungserscheinungen zu einer
Abnahme des Wachstumstempos und schließlich zu einem
Einpendeln der Leistung auf einer optimalen Höhe kommen
müssen. Eine solche natürliche Stabilisierung bedeutet
jedoch
weder Stagnation noch Rückschritt. Sogar der materielle
Wohlstand kann unter derartigen Bedingungen noch gesteigert
werden: einmal, weil sich langlebige Güter weiterhin anhäu-
fen; zum anderen, weil Arbeitskräfte aus den gesättigten
Bereichen, in denen nur noch eine Ersatzbeschaffung erforder-
lich ist, für andere zusätzliche Güterproduktionen
eingesetzt
werden können. Zum dritten setzt sich der technische Fort-
schritt auch in stabilisierten Volkswirtschaften fort und
schafft dmit die Möglichkeit, mehr oder bessere Güter
zu
erzeugen. Das heißt, auch ohne Wirtschaftswachstum ist
entweder eine weitere (wenn auch langsamere) Steigerung des
Wohlstandes möglich oder, bei gleichbleibendem Wohlstand,
eine ständige Verringerung von Produktion und Arbeitszeit.
Schon vor mehr als fünfzehn Jahren hat der ehemalige
Wirtschaftsminister Friderichs einmal gesagt, daß es drei
Arten von Arbeit gäbe: sinnvolle, überflüssige
und schädliche.
Wenn wir demzufolge unser Wirtschaftswachstum in den
letzten zwei Jahrzehnten einer kritischen Prüfung unterzie-
hen, dann kann man sagen, daß das Gros der Zusatzproduktio-
nen in die beiden letztgenannten Kategorien gehört, nämlich
in die des Überflüssigen und des Schädlichen. Die
Zeitungen
sind täglich voller Beweise.
Mit einer Zinssenkung sind die Umweltprobleme nicht zu lösen
Zweifellos hat eine Zinssenkung keinen direkten Einfluß
auf
die Umweltproblematik. Wohl aber verringert sich - wie hier
mehrfach dargelegt - der Wachstumsdruck in der Wirtschaft
und damit der Zwang zu einem immer größeren Ressourcen-
verbrauch, der mit stetig steigenden Umweltbelastungen ver-
bunden ist.
Doch auch bei einer Wirtschaft ohne Wachstum, ja sogar mit
rückläufigen Leistungen, bleibt das Problem der Rohstoff-
und
Energieverschwendung bestehen und damit auch das
Dilemma ihrer Folgen.
Neben einer konstruktiven Umlaufsicherung des Geldes,
mit der der Wachstumszwang in unseren Volkswirtschaften
verringert werden kann, sind darum direkte Maßnahmen zum
Schutz der Natur unverzichtbar. Dazu gehören vor allem die
heute bereits diskutierten Ökosteuern und -abgaben, Auflagen
und Verbote. Das heißt, die Umwelt muß mit einem Preis
versehen werden, sie darf nicht mehr zum Nulltarif benutzt,
verbraucht und belastet werden. Und diesen Preis hat jeder zu
zahlen, der die Natur in Anspruch nimmt.
Außer der Geldordnungskorrektur und den ökologisch
orientierten Schutzsteuern beziehungsweise -abgaben ist aber
auch eine Reform des Bodenrechts erforderlich, welche die
Rechte an der Nutzung der Bodenressourcen miteinschließt.
Diese Bodenrechtsreform muß praktisch parallel mit der Geld-
ordnungsreform durchgeführt werden, da sich sonst die Speku-
lation, noch mehr als heute bereits, auf den Boden verlagern
würde.
Als naturgegebenes Gut und Lebensgrundlage aller Men-
schen darf der unvermehrbare Boden, genau wie Licht, Luft
und Wasser, kein privates Eigentum sein, mit dem von allen
anderen ein Tribut erzwungen werden kann. Er muß darum
schrittweise in das Eigentum der Allgemeinheit (nicht des
Staates!) zurückgeführt und mit langfristigen Verträgen
den
Nutzern überlassen werden. Das gleiche gilt für alle
Boden-
schätze und die Wasserrechte.
So richtig und wichtig alle Ökosteuer- und Abgabenmodelle
auch sind: Solange wir den Wachstumszwang und -wahn nicht
überwinden, hat die Umwelt keine Chance zur Erholung -
selbst dann nicht, wenn wir alle Leistungszuwächse in
Umwelttechnologien einsetzen. Schon ein Wirtschaftswachs-
tum von vier Prozent führt in achtzehn Jahren zu einer Verdop-
pelung unseres heutigen Produktions- und Verbrauchsvolu-
mens und damit auch zu einer Verdoppelung der negativen
Folgen. (14)
Erst wenn es uns gelingt, die Ursachen des Wachstums-
zwangs zu überwinden und krisenfreie Wirtschaftslagen ohne
Wachstum möglich zu machen, können auch die übrigen
Maßnahmen zur Rettung unserer Umwelt wirklich greifen.
Die Folgen von Zinssenkungen in der Zusammenfassung:
Mit sinkenden Zinsen
und damit auch das der Überschuldung;
arm und reich und damit auch die sozialen Spannungen;
für die Dritte Welt von Bedeutung ist;
man heute allein der Verarmung der Arbeitleistenden entge-
genwirken kann;
Interessen der nachfragenden und leistenden Menschen
bestimmt, immer weniger von den (Zins-) Interessen des
Kapitals.
ohne Wachstum überhaupt erst möglich.
Oder anders ausgedrückt: Erst bei einem Zins um Null können
wir uns ein "Nullwachstum" erlauben.
Anmerkungen
(1) Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift für Sozialökonomie,
89.
Folge, April 1991, und wurde, da er die immer wieder gestellten
Fragen beantwortet, die von engagierten Umweltschützern und
Ökonomen kommen, die der Geldproblematik gegenüber offen
sind, in gekürzter Form mit der Erlaubnis des Autors hier
über-
nommen, das heißt auch die folgenden Anmerkungen stammen
von Helmut Creutz.
(2) Die "magische Untergrenze" liegt beim Kapitalmarktzins
in der
Bundesrepublik etwa bei sechs Prozent. Unter diese Grenze ist
der
Zins nur wenige Male kurzfristig gefallen. Selbst als die Inflation
bei Null oder sogar darunter lag, wie 1986, blieb der Zins an
dieser
Marke hängen.
(3) "99 Prozent der Menschen sehen das Geldproblem nicht.
Die
Wissenschaft sieht es nicht, die Ökonomie sieht es nicht,
sie
erklärt es sogar als nicht existent . Solange wir aber die
Geldwirt-
schaft nicht als Problem erkennen, ist keine wirkliche ökologische
Wende möglich." (Hans Christoph Binswanger, esotera,
12/88)
"Immer dann, wenn es in der ökonomischen Realität
anders
zugeht, als es die Modelle der Wirtschaftslehrbücher vorschreiben,
sollten die Ökonomen, statt in der Rumpelkammer überholter
Theorien herumzustöbem, nach den monetären Ursachen
der
Krise fahnden." (Wilhelm Hankel: John Maynard Keynes. Mün-
chen 1986, Seite 121)
(4) Diese Relation entspricht etwa den Gegebenheiten bei den heuti-
gen Marktmieten, die zu 60 bis 65 Prozent von der Kapitalverzin-
sung beherrscht werden. In den offiziellen Berechnungen der
Kostenmiete für die Sozialwohnungen liegt der Zinsanteil
sogar
bei 70 bis 80 Prozent.
Die hohen Mieten in den Citylagen werden vor allem von den oft
horrenden Bodenpreisen bestimmt, die genauso wie die Kosten für
das Bauwerk über die Miete verzinst werden müssen. In
extremen
Fällen kann diese Bodenkapitalverzinsung über derjenigen
der
Baukosten liegen.
(5) Laut forbes vom Juli 1989 gibt es in der Bundesrepublik 82
Milliardäre mit einem Gesamtvermögen von 195 Milliarden
Mark. Bei sechs Prozent Verzinsung liegt das Vermögenseinkom-
men im Jahr bei 11, 7 Milliarden Mark, was ein tägliches
leistungs-
loses Einkommen von 390 000 Mark für jede Milliardärsfamilie
ergibt. Allein für diese 82 Milliardäre müssen
1,3 Millionen
Beschäftigte täglich knapp drei Stunden mehr arbeiten,
als es ihren
eigenen Erfordemissen entspricht.
(6) Bezogen auf den Unternehmenssektor ist die Wertschöpfung
von
1960 bis 1989 auf das 6,8fache angestiegen, die Verschuldung auf
das 11,6fache, während die Zinszahlungen für die Verschuldung
auf das 15,9fache anwuchsen.
(7) In der Hochzinsphase von 1979 bis 1982 hat die Bundesbank
die
Banknotenmenge von 79,4 auf 88,6 Milliarden Mark vermehrt,
also um 9,2 Milliarden Mark = 13 Prozent. Diese Zunahme ent-
sprach auch der des nominellen Bruttosozialprodukts (BSP), das
in
den drei Jahren um 14 Prozent gestiegen war.
In der Niedrigzinsphase von 1985 bis 1988, in der das nominelle
BSP um 15 Prozent zunahm, mußte die Bundesbank die Geld-
menge aufgrund der überhöhten Nachfrage nach Liquidität
von
105 auf 151 Milliarden Mark ausweiten, also um 46 Milliarden
Mark = 44 Prozent! Aufgrund des Wirtschaftswachstums wäre
nur
eine Ausweitung um 15 Prozent =16 Milliarden Mark angebracht
gewesen. Das heißt, in diesen drei Jahren wurde die Geldmenge
um 30 Milliarden Mark zuviel vermehrt - um 30 Milliarden Mark,
die nicht in den Umlauf kamen. Die von der Bundesbank immer
benutzte Bezeichnung "umlaufende Geldmenge" ist sachlich
also
unzutreffend. Richtig wäre allenfalls der Begriff "herausgegebene
Geldmenge". Erst wenn es gelingt, diese mit der umlaufenden
in
Übereinstimmung zu bringen, ist eine stabilitätsgerechte
Steue-
rung der Geldmenge möglich.
Aufschlußreich ist auch, daß mehr als die Hälfte
der von 1985
bis 1989 vermehrten Geldmenge aus 1000- und 500-Mark-Noten
bestand: zusammen 69 Prozent. In den drei Jahren von 1979 bis
1982 nahmen diese Noten nur um 28 Prozent zu. Auch diese
Tatsache steht als Beweis für eine verstärkte Geldzurückhaltung.
(8) "Der Begriff ,Kapitalflucht' hat einen dramatischen Akzent.
Nüchtern betrachtet steht dahinter die Tatsache, daß
Wirtschafts-
subjekte eines Landes Kapitalanlagen im Ausland erwerben. Sie
tauschen inländische Währung in Fremdwährungen
um und
erwerben damit Auslandsaktiva, z. B. in Form von Bankeinlagen,
ausländischen Wertpapieren und Immobilien." (Dieter
Duwen-
dag: ,Kapitalflucht aus Entwicklungsländern: Schätzprobleme
und Bestimmungsfaktoren'; in: Die Internationale Schulden-
krise, Berlin 1986)
Duwendag bestätigt, daß immer nur ein Tausch vorliegt.
Der
Inländer verfügt über ausländisches Geld,
Geldguthaben oder
-anlagen, der Ausländer über inländische Werte
in gleicher Höhe,
auch wenn die Verwendungen unterschiedlich sind.
(9) "Es wird geschätzt, daß in Argentinien etwa
5 Mrd. Dollar in
Scheinen ,unter den Matratzen versteckt sind, die (wenn sie
geliehen sind) selbstverständlich verzinst werden müssen.
D. h.,
das argentinische Volk zahlt also mindestens 350 Millionen Dollar
im Jahr [an Zinsen, d. V.] oder verzichtet auf Einnahmen in dieser
Höhe, weil es zu Recht kein Vertrauen in die eigene Währung
hat."
(Hans Matthöfer: "Nur Schuldenerlaß für Lateinamerika
ist eine
Lösung - Die Verantwortung der Industrieländer".
Frankfurter
Rundschau, l5.Februar 1988)
(10) Siehe Anmerkung 7.
(11) Werden die Geldhorte bei steigenden Zinsen aufgelöst,
kommt es
zu einem nicht durch Leistung gedeckten Nachfrageschub, der
eine inflationäre Preiserhöhung und einen Zinsauftrieb
zur Folge
hat. Auf steigende Zinsen aber reagiert mit einem bis zwei Jahren
Verspätung die Konjunktur. So kann man bei langfristigen
Verglei-
chen feststellen, daß alle wichtigen Wirtschaftsindikatoren
mit
den Zinsschwankungen entweder gleich- oder gegengerichtet ver-
laufen. Diese Wechselwirkungen werden um so deutlicher, je
höher der Verschuldungsgrad einer Wirtschaft ist und je prägnan-
ter die Hochzinsphase ausfällt.
(12) "Zahlungsverkehr: Bargeld ist nicht zu schlagen"
. Handelsblatt,
27. Februar 1986
(13) Geht man davon aus, daß die Privathaushalte 40 Prozent
ihrer
Endnachfrage bargeldlos abwickeln, dann ergibt sich je Haushalt
und Monat im Durchschnitt dafür ein Betrag von 1560 Mark,
für
alle Haushalte zusammen von 40,6 Milliarden Mark. Da die
gesamten Guthabenübertragungen 1989 im Monatsdurchschnitt
bei 1941 Milliarden Mark lagen, war die private Endnachfrage
daran nur mit gut zwei Prozent beteiligt.
(14) Den Tatbestand, daß ohne Überwindung des Wachstumszwangs
auch alle Ökosteuermodelle letztendlich versagen müssen
und
daß der heutige Wachstumszwang vom Geldbereich ausgeht,
hat
der in Baden-Württemberg lehrende Johannes Jenetzky schlüssig
nachgewiesen: "Abgaben als Instrument ökologischer Zielsetzun-
gen"; in: Steuerrecht im Wandel, Stuttgart 1989
Obwohl jeder nachdenkliche Mensch einsieht, daß auf einer
begrenzten Erde kein unbeschränktes Wachstum möglich
ist,
setzen die Politiker weiter darauf und behaupten: "Unsere
Wirt-
schaft ist auf niedrigeres oder gar 'Nullwachstum' nicht eingestellt.
Wachstumsstillstand bedeutet Massenarbeitslosigkeit und damit
den katastrophalen wirtschaftlichen Zusammenbnzch der Bundes-
republik Deutschland." So Hans Matthöfer, zitiert in:
Wege aus der
Wohlstandsfalle, 1980. Warum das so ist und wie man aus dem
Dilemma herauskommen könnte, wird nicht untersucht.
Hinweis: Alle angegebenen Zahlen entstammen den Veröffent-
lichungen des Statistischen Bundesamtes bezioehungsweise der Bundes-
bank, die vorgenommenen Berechnungen bauen darauf auf.
Dieser Text wurde am 6.7.1997 ins Netz gebracht von:
W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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