Anfang März verständigten sich die Ministerpräsidenten der
Länder in den noch offenen Streitfragen und in fast allen Details der
anstehenden Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages. Ein Entwurf der
Novelle, die im Frühsommer dieses Jahres paraphiert werden soll,
liegt erst seit Anfang Mai vor. Ende Oktober
vergangenen Jahres verabschiedete dieselbe Runde eine
,,Negativliste`` zum Rundfunkbegriff
, in der Dienste aufgeführt wurden, die nicht
den ,,engeren`` rundfunkrechtlichen Regelungen unterliegen
sollen
. Darin
berufen sich die Länderchefs auf den § 2 Abs. 1 des geltenden
Rundfunkstaatsvertrages, der auch Pay TV, Pay per View
und near video on demand zum Rundfunk zählt, und folgert
daraus, daß ,,ein aktueller Handlungsbedarf für den
Rundfunkstaatsvertrag nicht gegeben`` sei.
Die Staatsvertrags-Novelle räumt der mit der Einführung
digitalen Fernsehens geplanten Programmexpansion breiten Raum ein.
Erlaubte der Medienstaatsvertrag bislang keine Mehrheitsbeteiligungen an
Programmveranstaltern, so dürfen künftig Sender vollständig
im Besitz eines Veranstalters sein (,,Ein Unternehmen [...]
darf in der Bundesrepublik Deutschland selbst oder durch ihm zurechenbare
Unternehmen bundesweit im Fernsehen eine unbegrenzte Zahl von Programmen
veranstalten, es sei denn, es erlangt dadurch vorherrschende Meinungsmacht
nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen.``). Erst ab einer
Grenze von 30 Prozent Marktanteil wird die Medienaufsicht verpflichtet
sein, ,,vorherrschende Meinungsmacht`` anzunehmen und die
Lizenzierung weiterer Programme zu unterlassen.
Entflechtungsmaßnahmen sind für den Fall, daß diese
Grenze aus dem Wachstum lizenzierter Programme heraus überschritten
wird, offenbar inzwischen vorgesehen. Ab einem
Zuschaueranteil von zehn Prozent wird eine Verpflichtung zur Abgabe von
Sendezeit an ,,unabhängige Dritte`` für
,,Satellitenfenster``, terrestrische Regionalfenster oder
Ballungsraumfernsehen eingeführt.
Eine Konzentrationsermittlungskommission (KEK), die als Organ der
Landesmedienanstalten gebildet werden soll, soll vor der Lizenzvergabe
künftig kartellrechtsähnlich beurteilen, ob mit der Lizenzierung
,,vorherrschende Meinungsmacht`` entsteht. In ihrem Votum ist sie
nicht an die 30-Prozent-Marke gebunden, sondern soll Beteiligungen auf
,,verwandten Märkten`` wie Werbung, Hörfunk, Presse,
Rechte, Produktion und anderen medienrelevanten Märkten in die
Beurteilung einbeziehen. Neu aufgenommen werden soll eine Vorschrift
über den ,,diskriminierungsfreien Zugang von Rundfunkangeboten in
den Kabelnetzen und für den Nutzer``, von der bislang keine
Details bekannt sind. Ein solche Vorschrift wird in
jedem Fall mit dem allgemeinen Telekommunikationsrecht und dessen
Netzzugangsregeln in Konkurrenz stehen.
Materiell reduziert die Novellierung die konzentrationsrechtlichen Hürden also soweit, daß von einer umfassenden Deregulierung gesprochen werden kann. Das Medienrecht nähert sich dem allgemeinen Wirtschafts- und Kartellrecht. Gleichzeitig werden die medienaufsichtlichen Verfahren der Konzentrationskontrolle noch komplexer als bisher: Mit der Schaffung der KEK tritt neben die Medienräte der fünfzehn Landesmedienanstalten ein weiteres Aufsichtsorgan, das den Gang der Lizenzgebung beeinflußt.
Die im digitalen Zeitalter zu beantwortenden grundsätzlichen Fragen an die Medienregulierung wurden dagegen vertagt. Nach allem, was bis jetzt bekannt ist, wird keine Abgrenzung zum Regelungsfeld der Telekommunikation vorgenommen, die sich von der bisherigen Rundfunkdefinition unterscheiden würde, obwohl die Beratungen über das neue Telekommunikationsgesetz zur gleichen Zeit stattfanden und stattfinden. Dem Landesmedienrecht droht auf diese Weise, daß es in naher Zukunft zu kurz greift, wenn es nur die klassischen Massenmedien und nicht deren technische Verbreitungswege regulieren kann.