Forschungsschwerpunkt Tumormedizin

"Besser koordinieren und besser kooperieren"


Das Begutachtungsverfahren für die Forschungsschwerpunkte (FSP) am Universitätsklinikum Benjamin Franklin - bisher wurden die FSP Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumormedizin und Immunologische Erkrankungen eingerichtet - ist ein Novum (vgl. Klinik:um:schau 5/97 zum Forschungsschwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Der Sprecher des FSP Tumormedizin, Prof. Wolfgang Berdel, Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, geht im folgenden Interview auf den FSP Tumormedizin ein. Berdel, der einen Ruf nach Münster erhielt (vgl. Portrait), gibt jetzt das Amt als Sprecher des FSP Tumormedizin ab. Das Interview führte Sylvia Zacharias.

? Können Sie das Begutachtungsverfahren für den Forschungsschwerpunkt Tumormedizin kurz erläutern?

Die eingereichten Projektskizzen wurden zuerst einem hausinternen Ausleseprozeß unterworfen. An dieser Evaluierung waren der Dekan, die Forschungskommission und die Koordinatoren der drei geplanten FSP (Prof. Wiedemann, Prof. Paul und Prof. Berdel) beteiligt. Die in die engere Wahl gezogenen Anträge wurden anschließend von ihren Urhebern einem "Preisgericht" vorgestellt, zu dem auch die externen Gutachter im Rahmen des sogenannten Statusseminars im letzten September eingeladen waren. Die gemischte Jury hatte die Aufgabe, die Projektanträge nach einem Punktsystem zu bewerten. Dabei wurden die Voten der externen Begutachter im Verhältnis zu den internen Voten mit 3 : 1 gewichtet. Das Auswahlverfahren war für alle drei FSP zeitgleich.

? Wieviele Erstanträge wurden für die Tumormedizin eingereicht, wieviele kamen durchs Ziel?

Ausgangspunkt für die Tumormedizin waren 45 Erstanträge, zwölf von ihnen machten dann das Rennen.


Die Histologie, also die Untersuchung von Gewebsproben, hat sich als diagnostisches Verfahren weltweit in der Medizin durchgesetzt, weil sie schnell und kostengünstig arbeitet und oft die einzige Methode ist, um mit Sicherheit gutartige Tumoren und Entzündungen von Krebs zu unterscheiden.

? Wer soll die Projekte finanzieren und wann setzt die Finanzierung ein?

Die Finanzmittel kommen aus den Landeszuschüssen für Forschung und Lehre über das Dekanat. Die Verwaltung macht die Buchführung und verteilt diese Mittel. Darum konnte die Finanzierung der ausgezeichneten Projekte unverzüglich einsetzen. Das Finanzvolumen für jeden FSP beträgt ca. 500.000 Mark, die einzelnen Vorhaben erhalten zwischen 20.000 und 45.000 Mark pro Jahr.

? Was ist neu an dem hier praktizierten Förderungskonzept?

Neu ist, daß die Forschungsschwerpunkte durch ein Budget finanziert werden, über das der Dekan direkt disponieren kann. Das bedeutet eine Stärkung der wissenschaftlichen Selbstkontrolle bzw. Selbstkritik, denn die Gelder werden nach wissenschaftlichen Gütepunkten vergeben, die die Projekte im Evaluierungsverfahren erzielt haben. Der Dekan wacht über die sachgerechte Anwendung der Finanzmittel: Das ist das Novum. Im Unterschied zur "Forschungsförderung mit der Gießkanne" konzentrieren wir uns jetzt mehr auf wirkliche wissenschaftliche Schwerpunkte. Das fördert die Profilgebung.

? Sind Ihre eigenen Projekte auch am FSP Tumormedizin beteiligt?

Ein Projekt meiner Arbeitsgruppe wird im Forschungsschwerpunkt gefördert. Allerdings habe ich mich mit eigenen Anträgen zurückgehalten. Wenn man Vermittler ist, setzt man sich für andere ein. Ich selbst verfüge ausreichend über Drittmittel für meine Forschung. Demgegenüber haben andere Gruppen eine Starthilfe nötig, um originelle Projekte aufzubauen.

? Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte beim FSP Tumormedizin? Gibt es bestimmte Krebsarten, die erforscht werden sollen?

Die Forschung konzentriert sich überwiegend auf die molekularen Wissensgrundlagen der Zellbiologie bei Entstehung und Wachstum bösartiger Erkrankungen. Daneben stehen einzelne maligne Erkrankungen im Zentrum, wie z.B. Tumoren der Bauchspeicheldrüse, des Darmes, der Haut und Tumormetastasen des Auges.

? Worauf beziehen sich die Projekte genau?

Sie beziehen sich

  1. auf Fragen zu genetischen Faktoren der Tumorentstehung und zu den Grundlagen der Gentherapie,
  2. auf die Immunantwort gegenüber Tumoren z.B. durch tumorreaktive T-Lymphozyten (auch unter Berücksichtigung ko-stimulierender Moleküle, der Zytokine und Vorläuferzellen der Blutbildung),
  3. auf Fragen zur therapeutischen Beeinflussung von Wachstumsfaktor-Rezeptorinteraktionen, von Signalübertragungswegen innerhalb der Tumorzelle,
  4. auf die Erforschung neuer biologischer Substanzenklassen zur Krebsbekämpfung wie Liposomen, Vitamin A-Abkömmlinge und spezielle Verbindungen aus Zuckern und Fetten und
  5. auf Verfahren zur Therapiekontrolle, insbesondere auf bildgebende Methoden wie die Magnetresonanztomographie.

? Gibt es einen wissenschaftssoziologischen Faktor bei dieser neuen Art von Wissenschaftsclearing?

Es ist durchaus erfreulich, daß sich die Gruppen, die hier forschen, im Zuge des Begutachtungsverfahrens, insbesondere auch auf den Statusseminaren, besser kennengelernt haben.

Außerdem sind Doppelaktivitäten schneller erkennbar. Wir lernen, besser zu koordinieren und zu kooperieren. Das gilt natürlich ganz generell für die Zusammenführung von Grundlagenmedizin und Klinikum zum neuen Fachbereich, die für unser Klinikum von unschätzbarem Wert war und ist.

? Wie hängt der Sonderforschungsbereich "Onkotherapeutische Nukleinsäuren" mit dem FSP Tumormedizin zusammen ?

Beim Sonderforschungsbereich handelt es sich um ein Großprojekt zur Erforschung der Grundlagen der Gentherapie bei Krebserkrankungen. Es wurde von mehreren Instituten in Berlin unter der Federführung vom Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität erstellt und bei der DFG zur Förderung als Sonderforschungsbereich eingereicht. Während der Entstehungsphase war ich Sprecher des Sonderforschungsbereichs, habe dieses Amt aber nach meinem Ruf nach Münster an Herrn Professor Stein übergeben.

Die kürzlich hier erfolgte Begutachtung durch die DFG verlief positiv, die Förderung ist etwas mehr in die Nähe gerückt. Die Initiative zu diesem Sonderforschungsbereich und zur Einrichtung von Forschungsschwerpunkten entstand gleichzeitig.Beide Unternehmen haben sich gegenseitig gefördert, wobei sich die Themengebiete durchaus überschneiden, so daß forschende Personen und Arbeitsgruppen beider Bereiche zum Teil identisch sind.

? Zwei weitreichende Unternehmungen in der Tumorforschung - damit kann sich die FU-Medizin wohl sehen lassen?

Alle diese positiven Initiativen - wie die zur Einrichtung eines Sonderforschungsbereiches, die Forschungsschwerpunkte selbst und auch die wettbewerbsorientierte Verteilung von zentralen Forschungsflächen etwa im Tibor-Diamantstein-Haus - werden, davon bin ich überzeugt, die Qualität der Forschung und das Forschungsprofil des Fachbereichs und dieses Klinikums nachhaltig fördern und weiterentwickeln. Auf dem Gebiet der Tumormedizin gehört dieser Fachbereich eindeutig zur Leistungsspitze in Berlin und den neuen Bundesländern. Meines Erachtens beweist es größte politische Kurzsichtigkeit, überhaupt noch über die Existenz des Universitätsklinikums Benjamin Franklin als Teil der Freien Universität in Berlin zu diskutieren.


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