Forschungsschwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Neuer Forschergeist am Fachbereich
Durch das am 1. April 1995 in Kraft getretene UniMedGesetz erhielten die Berliner Universitätskliniken die Aufgabe, jeweils spezifische Leistungsprofile zu entwickeln. Der Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität hat diese Aufgabenstellung mit dem Ziel verbunden, die fachübergreifende Zusammenarbeit zugunsten der kliniknahen Forschung zu fördern. Dazu wurden aus den vorhandenen Strukturen Forschungsschwerpunkte mobilisiert, die sich durch gemeinsame Projekte von Grundlagenforschern und Klinikern auszeichnen, die in der Regel durch Drittmittel gefördert werden. Die Forschungsschwerpunkte Herz-Kreislauf-Krankheiten, Tumormedizin und Immunologische Krankheiten konnten nach einer ausgedehnten Begutachtungsphase durch interne und externe Sachverständige installiert werden. Ein vierter Forschungsschwerpunkt zur klinischen und molekularen Endokrinologie befindet sich im Aufbau.
Im Katheterlabor des Universitätsklinikums Benjamin Franklin werden Herzklappenfehler und Herzrhythmusstörungen untersucht.Die Klinik:um:schau stellt die Forschungsschwerpunkte vor. Den Anfang macht der Forschungsschwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen (kardiovaskuläre Medizin). Autor Martin Paul geht dabei besonders auf das Begutachtungsverfahren ein.Warum erforschen wir eigentlich noch die Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Gibt es nicht schon eine beträchtliche Anzahl von Medikamenten zu ihrer Therapie? Sollten wir uns jetzt nicht anderen medizinischen Problemen zuwenden? Leider nein! Nach wie vor sind Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall Todesursache Nummer 1 in Deutschland. Zwar gibt es effektive Therapien. Da aber viele der Grundlagen dieser Erkrankungen noch nicht bekannt sind, können wir oft nur die Syptome behandeln, nicht aber das "Übel" durch eine kausale Therapie bei der Wurzel packen. Oft kommen Behandlungsansätze auch erst in einem späten Krankheitsstadium zum Tragen, so daß eine vollständige Heilung nicht mehr möglich ist.
Erkenntnisse, gerade der letzten Jahre, haben gezeigt, daß komplexe Mechanismen an der Enstehung der kardiovaskulären Erkrankungen beteiligt sind. So scheinen genetische Faktoren eine wichtige Rolle zu spielen. Die Komplexität der Krankheitsbilder erfordert zunehmend einen integrativen Forschungsansatz, bei dem klinische Forscher und Grundlagenwissenschaftler verstärkt aufeinander angewiesen sind. Mehr und mehr steht eine interaktive Forschung im Vordergrund: Sie kombiniert die genetische Grundlagenforschung mit physiologischen und pharmakologischen Methoden, um sie zusammen mit den Klinikern unter diagnostischen und therapeutischen Perspektiven durchzuführen.
Es lag auf der Hand, die kardiovaskulär orientierte Forschung, eine traditionelle Stärke der FU-Medizin, als einen Forschungsschwerpunkt zu installieren. Im Aufbau einem Sonderforschungsbereich (SFB) der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchaus vergleichbar, sollte dieser Schwerpunkt nicht nur nach Evaluation durch interne, sondern und vor allem durch externe Fachgutachter konstituiert werden. Als Koordinator des Forschungsschwerpunktes Kardiovaskuläre Medizin wurde Prof. Martin Paul benannt (siehe nebenstehendes Portrait). Auf die fachbereichsinterne Auschreibung gingen etwa 50 Antragsskizzen ein. Zusammen mit den Koordinatoren der anderen Forschungsschwerpunkte, Prof. Bertram Wiedenmann (Entzündliche Erkrankungen) und Prof. Wolfgang Berdel (Tumormedizin) und unter Mitarbeit von Vertretern des Dekanats und der Forschungskommission wurden zunächst Richtlinien zur Begutachtung der Anträge festgelegt. Dann wurden durch interne Begutachtung 31 Anträge ausgewählt, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Inhalte, der Kompatibilität mit den Zielen des Forschungsschwerpunkts und Charakteristika wie dem Vorhandensein von interdisziplinären Ansätzen zwischen Grundlagenforschung und Klinik als förderungswürdig angesehen wurden. Bei der Begutachtung wurde auch das umstrittene Thema "impact factor" sehr differenziert und fachspezifisch analysiert.
In einer zweiten Begutachtungsrunde wurden externe Fachgutachter, die auch auf nationaler Ebene für die Deutsche Forschungsgemeinschaft gutachterlich tätig sind, rekrutiert. Hierzu konnten Prof. Schlöndorff (Nephrologie, München), Prof. Böhm (Kardiologie, Köln), sowie Prof. Piper (Physiologie) und Prof. Rascher (Pharmakologie und Kinderheilkunde), letztere beide aus Gießen, gewonnen werden. Diese vier Gutachter haben alle Anträge nach DFG-Kritereien analysiert und bewertet. Zwei der Gutachter, Prof. Piper und Prof. Rascher kamen darüber hinaus nach Berlin, wo am 26.9. letzten Jahres ein Statusseminar abgehalten wurde, an dem alle ausgewählten Forschungsprojekte von den Antragstellern vorgestellt wurden. Nach einer Gutachterklausur wurden die Voten der externen Gutachter mit denen der internen Begutachtung verrechnet, wobei das externe Gutachter-Urteil doppelt gezählt wurde. Insgesamt gab es in der Bewertung jedoch weitestgehende Übereinstimmung.
Mit diesem Verfahren kann der Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität durchaus eine Vorreiterrolle beanspruchen: Externe Begutachtungen der Entscheidungen eines Fachbereichs sind an deutschen Universitäten als Instrument der Entwicklungsplanung bisher nicht üblich.
Aufgrund des gesamten Auswahlverfahrens konnten von den ursprünglich 31 Projekten des Forschungsschwerpunktes 15 zur finanziellen Förderung empfohlen werden, wobei die vorgegebene Gesamtsumme von 500.000 Mark als limitierender Faktor berücksichtigt werden mußte. Den nicht geförderten Projekten, die dennoch Teil des FSP bleiben, wurde eine erneute, intensiver vorbereitete Antragstellung für die nächste FSP-Ausschreibung empfohlen.
Die zur Förderung empfohlenen Projekte wurden aufgefordert, ein Forschungsbudget vorzulegen. Leider kam es dann durch die bekannten Umstände der Haushaltssperre für die Berliner Universitäten zu einer Verzögerung des Förderungsbeginns, der vom Herbst 1996 auf den Jahresanfang 1997 verschoben werden musste. Die frei gegebenen Mittel können sowohl für Personalstellen als auch für Investitions- und konsumtive Mittel genutzt werden. Im Sommersemester soll aus dem Forschungsschwerpunkt eine Seminarserie erwachsen, die den Dialog zwischen den Beteiligten vertiefen wird.
Mit der abgelaufenen Begutachtung und dem Beginn der Förderung ist es aber nicht getan. Jetzt gilt es, das Begonnene erfolgreich weiterzuführen. Regelmäßige Standortbestimmungen und jährliche Ausschreibungen sollen eine kontinuierliche Evaluation der Projekte ermöglichen. Neue Projekte können 1997 zu einem noch zu bestimmenden Termin beantragt werden. "The pressure is on" heißt es jetzt vor allem für die aktuell geförderten Projekte, die ähnlich wie bei DFG-Projekten regelmäßig Rechenschaft über das Geleistete ablegen müssen und sich bei der Wiederbegutachtung dann wiederum mit Neuanträgen messen müssen.
Ist das alles wirklich notwendig, wird man sich fragen. Die Antwort heißt nach der (subjektiven) Einschätzung des Autors uneingeschränkt "ja". Leider machen es die immer kanpper werdenden Mittel für Forschung und Lehre notwendig, daß wir Schwerpunkte setzen müssen. Die Landesregierung schreibt uns vor, die uns zur Verfügung gestellten Mittel kompetitiv zu vergeben. Und die ausgewählten Forschungsschwerpunkte dienen einem gemeinsamen Zweck, dem wir uns alle nicht verschließen sollten: der Intensivierung des wissenschaftlichen Dialogs und der Kooperation zwischen Grundlagenforschung und Klinik.
Martin Paul
Prof. Martin Paul vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie ist Koordinator des Forschungsschwerpunktes Kardiovaskuläre Medizin.
Ihre Meinung: