Das Mai-Portrait

Werdegang mit Hochdruck


Professor Martin Paul bedauert immer wieder, "daß die Grundlagenforscher den Klinikern nicht über den Weg trauen - und viceversa." Mit dem Vorsatz, diese vermeintlichen Widersacher zusammenzuführen, hat der 39jährige geschäftsführende Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie den Aufbau des Forschungsschwerpunkts Kardiovaskuläre Medizin am Universitätsklinikum Benjamin Franklin tatkräftig in Angriff genommen. Dazu galt es, nicht weniger als 80 Forscherpersönlichkeiten des Fachbereichs an den runden Tisch zu holen. Unter Pauls Federführung wurden aus 50 eingereichten Projektskizzen 15 Forschungsanträge. Seine klare Devise: "Wir sind uns selbst die besten Konkurrenten."

"Ich bin kein berufsmäßiger Koordinator", stellt Martin Paul fest. So pflegt der Pharmakologe neben den Grundeigenschaften eines Managers, gesunden Menschenverstand und die Fähigkeit zur Integration, ein eher untypisches Understatement. Nur auf Nachfrage kommt bei dem unprätentiösen Jungprofessor seine emsige Gremienarbeit zutage: er wirkt in mehr als zehn Fachgesellschaften und Fachbereichskommissionen - darunter auch als neuer Vorsitzender der Forschungskommission -, und er ist Redakteur bei vier Fachzeitschriften. Mit der Nase immer ganz vorne wirkt er ebenfalls im Sonderforschungsbereich 507 über nichtneuronale Gehirnzellen mit. Grundsatzarbeit leistete er als vormaliger Stellvertreter von Prof. Detlev Ganten, der vorwiegend im Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch arbeitet. Für ihn organisierte er 1995 das damalige Institut für Klinische Pharmakologie neu.

In Sachen Methodenvielfalt kann Martin Paul dem neuen Forschungsschwerpunkt "Kardiovaskuläre Medizin" des Fachbereichs durchaus etwas vormachen, bewegen sich doch seine eigenen Forschungen deutlich in der breiten Freizone zwischen Laborexperiment und Klinik. Mit dem reputierlichen Ergebnis, daß sich "die Entstehung von publizierbaren Ergebissen enorm beschleunigt". Ein Beispiel: Das kürzlich als zentral erkannte Regulativ Endothelin, ursprünglich aus Zellen der Gefäßwand isoliert, beeinflußt so verschiedene Organsysteme wie Herz, Hirn oder Niere. Um das Endothelin studieren zu können, versucht Prof. Paul, "Konzepte aus der Kardiologie mit Techniken aus der Pharmakologie und der Molekularbiologie zu kombinieren".

Schon beim Medizinstudium in Heidelberg bestimmte der Bluthochdruck seinen zielstrebigen Werdegang. Auf zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter folgten vier Jahre als DFG-Stipendiat und "Instructor in Medicine" in den USA, an der renommierten Harvard Medical School in Boston. Sie standen unter einem glücklichen Stern: dort legte er die Basis für neue experimentelle Techniken zum Studium des kardiovaskulären Systems und der Herzkreislaufkrankheiten, mit denen er sich auch 1993 in Heidelberg habilitierte - und dort lernte er auch seine heutige Frau kennen. Seit 1995 ist Paul C3-Professor an der Freien Universität. Einen Ruf auf einen Lehrstuhl nach Bochum hat er gerade abgelehnt, um sich "als designierter Nachfolger von Prof. Neubert auf neue Aufgaben vorzubereiten."

Pauls unkomplizierte Art, auf Menschen zuzugehen, macht ihn zum Sympathieträger. Diffizile medizinische Zusammenhänge kann er leichtverständlich, ja fast komplizenhaft, vor dem Laien ausbreiten. Von der "molekularen Medizin" - seiner bevorzugten Forschungsrichtung - spricht er ohne missionarisches Pathos. Hier untersucht Paul die Gene, d.h. die allerkleinsten, vererblichen Steuerungselemente im Zellkern, welche für unterschiedlichste Vorgänge im Körper zuständig sein können. Sein Ansatz: "vom Gen zur Ratte und weiter zum Patienten" bedeutet: Hypothesen über Gene werden an Tieren entwickelt und an Laborproben von Kranken überprüft.

Zahlreiche der insgesamt über 80000 Gene, so schätzt der Pharmakologe, könnten an der Entstehung des Bluthochdrucks beteiligt sein. Pauls Ziel ist jedoch keineswegs das Klonen gesunder Mustermenschen, wie er versichert, sondern ganz einfach: "die Entwicklung effektiverer Therapien".

Sylvia Zacharias


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