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(Simulation einer "Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus")

New York, am 10. November 2001. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen tritt zusammen. Kurz nach George W. Bush spricht der iranische Staatspräsident Khatami. Er verurteilt die Terroranschläge des 11. September, aber auch den Krieg in Afghanistan. Daneben greift er den Vorschlag Kofi Annans auf, eine „Weltkonferenz gegen den Internationalen Terrorismus“ einzuberufen.

Ortswechsel. Es ist der 2. November 2001: Eine Woche vor Khatamis Forderung beginnt in Berlin am 2. November 2001 eine fiktive Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus. Ort der Verhandlungen zwischen 43 Staaten ist der Henry-Ford-Bau der FU. Das Medieninteresse an der zweitägigen Simulation ist groß. Die Atmosphäre ist ernst, der Arbeitseifer groß. Die Verhandlungen versprechen kontrovers zu werden. Die Delegierten sind zur einen Hälfte Studierende und zur anderen Hälfte „echte“ junge Diplomaten am Anfang ihrer Karriere.

Jedes Semester organisiert Peggy Wittke von der Arbeitsstelle internationale Wettbewerbe des Fachbereichs Rechtswissenschaft derartige Planspiele an der FU. Sinn und Zweck ist die möglichst realistische Simulation diplomatischer Regeln. Durch die Übungserfahrung soll der Blick für die komplizierten Zusammenhänge und Funktionsweisen internationaler Politik und diplomatischer Krisenbewältigung geschärft werden. Die seit letztem Semester bestehende Kooperation der FU mit dem Auswärtigen Amt macht das Planspiel wahrhaft international: 19 Teilnehmer eines Fortbildungslehrganges für junge Diplomaten aus Osteuropa und Zentralasien komplettieren die 25 Studierenden verschiedener Universitäten, Fachrichtungen und Semester.

Konfrontation macht Spaß

Während die angehenden Botschafter aus Russland, Jugoslawien oder Kasachstan jeweils ihr eigenes Land vertreten dürfen, wurde den deutschen Studierenden im Vorfeld ein Land zugeteilt. Egal ob die USA, der Irak, Frankreich oder Kenia: Die Aufgabe der vermeintlichen Diplomaten ist die möglichst perfekte Umsetzung ihrer in Eigenrecherche einstudierten Rolle. Und so ist es auch gewollt, wenn die verschiedenen Positionen scheinbar unversöhnlich aufeinanderprallen und alte Feindschaften im Plenum zelebriert werden. Einige der Delegierten gefallen sich sogar besonders gut in ihrer Rolle: Die „Botschafter“ der USA und des Irak werfen sich gegenseitig Anschuldigungen an den Kopf und zwischen dem Irak und Israel herrscht herzliche Eiszeit.
Zusätzlich erschwert werden die diplomatischen Gehversuche durch die von der „Konferenzpräsidentin“ rigoros überwachte Geschäftsordnung. Wer sich nicht rechtzeitig auf die Rednerliste setzen lässt, hat Pech gehabt. Anträge können nur schriftlich beim Präsidium eingebracht werden, Resolutionsentwürfe brauchen zehn Sponsoren. Doch schnell sind die Finessen verinnerlicht und die Delegierten machen erfolgreich Politik mit der Geschäftsordnung. Unterbrechungsanträge sind besonders beliebt. Dies hat auch seinen Sinn, denn die eigentlich entscheidenden Verhandlungen finden in den Hinterzimmern statt. Dort trifft sich die „islamische Weltkonferenz“ beim Kaffee, der „Westen“ berät am Buffet, Vermittler pendeln hin und her und die „Dritte Welt“ sucht Anschluss. Alles wirkt sehr realistisch.

Manchmal besser als die UN

Am Ende all der Arbeit kommt es dann tatsächlich zu beachtlichen Ergebnissen. Auf Vorschlag Indiens verabschiedet die Konferenz eine umfassende Definition des internationalen Terrorismus – eine Leistung, die den richtigen Vereinten Nationen in jahrelanger Arbeit bislang nicht gelungen ist. Außerdem: eine Resolution zu Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Die Konferenz erkennt das Selbstverteidigungsrecht terrorisierter Staaten an, fordert aber gleichzeitig eine effizientere Entwicklungspolitik. Und kurz bevor die Delegierten ihre Rollen wieder ablegen, verabschieden sie noch eine Friedenserklärung zum Nahost-Konflikt, gemeinsam eingebracht von Israel und Saudi-Arabien. Vielleicht nicht ganz realistisch, aber durchaus ein Vorbild für die echte Diplomatie.

Das Problem des internationalen Terrorismus wurde natürlich nicht gelöst. Aber für Organisatoren und Teilnehmer war die Simulation ein großer Erfolg. Weitere Planspiele unter Fortsetzung der Kooperation mit dem Auswärtigen Amt sollen folgen. Peggy Wittke wird dann wieder sagen können: „Verglichen mit den „echten“ Vereinten Nationen sind wir nur ein Mikrokosmos, unsere Anliegen aber sind dieselben: ein Kommunikationsforum zu schaffen für die verschiedensten Probleme dieser Welt.“

Dag Zimen

UN-Planspiele

Ergebnisse der Konferenz und Infos zu weiteren Planspielen unter:
http://www.fu-berlin.de; oder bei Peggy Wittke, Email: peg@zedat.fu-berlin.de;
Telefon: 838 547 05

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