[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
TitelAktuellInnenansichtenLeuteWissenschaftDie Letzte
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel...

[Kofi Annan erhält Ehrendoktorwürde]

Mit Mikrowellen hat wohl jeder hin und wieder zu tun: um ein Fertiggericht zu erwärmen oder die Reste vom Vortag. Eingesetzt werden Mikrowellen aber nicht nur in der Küche, sondern auch in ganz anderen Bereichen, z.B. bei der Funknavigation. Für militärische Anwendungen wurde diese Technik im Kalten Krieg immer weiter perfektioniert. Da die präzise Steuerung von Raketen und Abwehrsystemen extrem hochfrequente Mikrowellen erfordert, entwickelten Experten, sowohl in der Sowjetunion als auch in den USA, die notwendigen Mikrowellengeneratoren: Bauteile, von denen zivile Forscher nur träumen konnten. Aber die militärischen Entwicklungen blieben streng geheim. Erst der Fall des Eisernen Vorhangs ermöglichte es, an diese Grenztechnologien heranzukommen. Eine solche Technologie ist das „Orotron“ aus Russland: eine Strahlungsquelle, die 360 Gigaherz Mikrowellen erzeugt. Der Experimentalphysiker Prof. Dr. Klaus Möbius von der Freien Universität arbeitet heute mit dem „Orotron“ in Kooperation mit russischen Wissenschaftlern. Er allerdings setzt es für ganz zivile Zwecke ein. Mit seinen Mitarbeitern untersucht Prof. Möbius die Prozesse, die bei der Photosynthese ablaufen sowie bei der Reparatur von Strahlenschäden an der DNA mittels des Enzyms DNA-Photolyase. Dazu hat er die Methoden der elektronenparamagnetischen Resonanz (EPR) bis an die Grenze des technisch Machbaren ausgereizt – eine Leistung, für die ihm die International EPR Society am 21. August 2001 ihre höchste Auszeichnung, die Gold Medal, verliehen hat.

Die EPR nutzt die Tatsache, dass sich ein einzelnes Elektron wie ein kleiner Magnet verhält und sich ähnlich einer Kompassnadel parallel zu einem äußeren Magnetfeld ausrichtet. Prinzipiell kann es sich auch genau entgegengesetzt zum äußeren Magnetfeld orientieren. Um von der parallelen in die antiparallele Ausrichtung zu wechseln, benötigt das Elektron Energie, die ihm durch geeignete Mikrowellen zugeführt werden kann: Je größer das äußere Magnetfeld, desto mehr Energie kostet die Umorientierung und desto höher muss die Frequenz der Mikrowelle sein. Klaus Möbius benötigt in seinen Experimenten äußerst starke Magnetfelder, wie sie nur mit supraleitenden Magneten erzeugt werden können, und entsprechend extrem hochfrequente Mikrowellen. Bei den EPR-Experimenten setzt man die Probe einer Mikrowelle mit fester Frequenz aus und beobachtet, welche Magnetfeldstärke genau „passt“, so dass die Elektronen von einer Ausrichtung in die andere wechseln können. Diese Situation wird als paramagnetische Resonanz bezeichnet. Allerdings kann die EPR nur eingesetzt werden, wenn die Proben ungepaarte Elektronen enthalten – das sind Elektronen, die in dem untersuchten System solitär, also ohne ein „Partner“-Elektron, existieren.

Vom Elektron zum biologischen Akku

Die Arbeitsgruppe Möbius untersucht große Proteinkomplexe, in denen Photosynthese oder ähnliche lichtgetriebene Prozesse ablaufen. Diesen Themenbereich bearbeiten in der Gruppe gegenwärtig die promovierten Mitarbeiter Stefan Weber, Chris Kay, Anton Savitsky, Martin Fuchs, Michael Fuhs, Jens Törring, Fosca Conti, Radek Kowalczyk und Martin Plato zusammen mit dem Doktoranden Alexander Schnegg und mehreren Diplomanden, Diplomandinnen sowie Lehramtskandidatinnen. Ein besonderes Gewicht hat die Arbeitsgruppe Möbius immer auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern aus dem In- und Ausland gelegt, und häufig sind aus wissenschaftlichen Besuchern Freunde geworden. Die Messungen beginnen mit einem kurzen Laser-Lichtblitz, der in den Molekülkomplexen die entsprechenden Prozesse auslöst. Im Fall der Photosynthese wird das Licht von „Chlorophyllantennen“ eingefangen und in das Reaktionszentrum des Photosynthesekomplexes weitergeleitet. Hier lösen die Lichtquanten eine Reaktionskaskade aus, in der Elektronen über die Zellmembran transportiert werden und sie dadurch wie einen Akku aufladen. Diese Reaktionen laufen in einer Reihe von molekularen Untereinheiten ab, entlang derer der Ladungstransport stattfindet. Bei diesen Zwischenschritten entstehen Zustände mit ungepaarten Elektronen, mit denen sich in den EPR-Experimenten die Prozesse bei der Photosynthese verfolgen lassen: „Ein Elektron ist wie eine Sonde, die über das ganze Molekül läuft und abtastet, welche kleinen molekularen Magnetfelder von den Atomkernen dort sind und wie sie sich verändern, wenn z.B. ein Molekül mit seinem Nachbarmolekül reagiert und dadurch seinen elektromagnetischen Zustand verändert“, erklärt Klaus Möbius.

Das DNA-Reparaturenzym DNA-Photolyase mit seinen am Reparaturmechanismus beteiligten Pigmenten.

Ein Spektrum für die Struktur im Molekül

Da sich bei der EPR das von außen angelegte Magnetfeld und die inneren molekularen Felder addieren, variiert man das äußere Feld und beobachtet, wann eine Resonanz auftritt. „Als Ergebnis der Messung erhält man ein Spektrum, und dieses Spektrum spiegelt die Struktur der Anordnung von Kernen und Elektronen in solch einem biologischen Molekül wider.“ Damit lassen sich aber noch nicht die einzelnen Schritte bei dem Elektronentransport zeitlich verfolgen, sie dauern teilweise nicht länger als eine Nanosekunde (in einer Nanosekunde bewegt sich ein Düsenjäger, der mit einer Geschwindigkeit von 3.000 km/h fliegt, knapp den Tausendstel Teil eines Millimeters vorwärts). Daher wenden Möbius und seine Mitarbeiter verschiedene Techniken an, bei denen ein festes Magnetfeld von außen angelegt und ein extrem kurzer Mikrowellenpuls eingestrahlt wird. Er zwingt die magnetischen Momente kurzzeitig in eine Ordnung, die anschließend gleich wieder zerfällt. Diesen Zerfall studieren die Wissenschaftler bei Tausenden von Experimenten mit schrittweise verändertem Magnetfeld und setzen die Ergebnisse zu einem dreidimensionalen Bild zusammen. Dieses verrät ihnen Einzelheiten über die Prozesse, die bei dem Elektronentransport ablaufen, z.B. welche Moleküle dabei miteinander reagieren und welche Zwischenprodukte entstehen.

Ähnliche Experimente führt die Gruppe Möbius an dem Enzym DNA-Photolyase durch, das in den Körpern von Tieren gebildet wird, die besonders empfindlich auf UV-Strahlung reagieren – beispielsweise neugeborene Känguruhs oder kleine durchsichtige Fische. Das Enzym ermöglicht eine sehr effiziente Reparatur von UV-Schäden an der DNA, bei denen sich zwei gegenüberliegende Basen an dem DNA-Strang zu einem Doppelmolekül verbunden haben. Die Wirkungsweise der DNA-Reparatur durch die Photolyase beruht ebenfalls auf der Absorption von Lichtenergie und dem Transport eines Elektrons, das die fehlerhafte Bindung wieder aufspaltet.

Künstliche biologische Fotozellen

Wenn die einzelnen Schritte bei der Photosynthese und der DNA-Reparatur genau verstanden sein werden, wird es vielleicht möglich sein, künstliche biologische Photozellen herzustellen, bzw. diesen effizienten DNA-Reparaturmechanismus durch neu entwickelte Medikamente auch beim Menschen auszulösen.

Die Beobachtung der unglaublich schnellen Prozesse gelang Möbius erst, indem er die EPR-Techniken weiterentwickelte und optimierte. Mit am längsten und mühsamsten war dabei, die Kontakte zu den russischen Partnern aufzubauen und zu pflegen, um deren Wissen über die Konstruktion der notwendigen Mikrowellenbauteile nutzen zu können. „Vor zehn Jahren wären diese Experimente noch völlig undenkbar gewesen, man hätte davon träumen, aber sie nicht realisieren können. Das ist unser ziviler Spin-Off vom Ende des Kalten Krieges.“

Gabriele André

Foto: Langenbach

Zum Anfang des Artikels...