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FU-N 5/2000 Die Seite Drei Kontakt Pflanzenkultouren
Über 50 Führungen und vier Lesungen werden angeboten zu: Literatur und Botanik Die Spaziergänge kosten 110,- 150,- DM pro Stunde (ab 2 Stunden), dazu kommt der Eintritt in den Botanischen Garten (DM 8, für die Einzelkarte, Ermäßigung für Gruppen); musikalische Begleitung kostet extra. Es gibt eine Broschüre mit einer Kurzbeschreibung zu jedem Spaziergang. Rosemarie Gebauer: (In Ergänzung dazu führt Rosemarie Gebauer auch durch die gemalte Botanik: "Blumenstück" und "Früchtestück" in der Gemäldegalerie) |
Rosemarie Gebauers Pflanzenkultouren von Susanne Weiss
Das Hohelied Salomos 2,1-5 So schmelzend schön kann die Bibel sein, schön wie der Apfel, Symbol für Liebe und Nahrung, herüber gerettet aus den Schatzkammern Aphrodites, der Schaumgeborenen, schön wie ein gedichtetes mohnumschäumtes Feld an einem hitzeflirrenden Sommertag, dass einem vor Glück und Duft das Herz brechen will, schön wie die "Göttin mit strahlenden Augen" Athene, die der Welt den tausendjährigen immerfruchtenden Ölbaum schenkte, lebendig wie der Feigenbaum, den Demeter für den Phytalos aus dem Boden stampfte Symbol für die schöne Sünde ist die süße Frucht, Zeichen der Keuschheit das Blatt in einem anderen Paradies. Und spritzig wie der Wein, der den Dionysos mitsamt seinem lärmenden Gefolge in den heiligen Rausch trieb. Der Feigenbaum hat Knoten genommen, die Weinstöcke haben Blüten gewonnen, und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! Rosemarie Gebauers trans-botanische Pflanzentouren durch den Botanischen Garten gehen durch Zeiten, Bedeutungen und Weltgegenden; sie widmen sich der Pflanze auf dem Stengel, beginnend beim studierten Fach der Biologin morphologisch, systematisch, auch pflanzengeografisch verlassen es bald gekonnt und gelehrt, um zu erzählen von "der größten Metapher des Menschengeschlechts" (Rudolf Borchardt) mit Dichterworten zu allen Jahreszeiten, mit Goethe und seiner spekulativen Botanik zumal, mit biblischen Pflanzen und denen des Koran, mit der Geschichte Tülbends vom Hofe Süleymans des Prächtigen, die vor 400 Jahren die Niederlande fast in den Ruin getrieben hätte, mit Weizen, Gerste und allerlei Süßkram und mit Erica und Victoria aus Mooren und Sümpfen. Für Gebauer sind die Pflanzen der Kitt, der Herz und Verstand zusammen hält, der die Trennung von Leib und Seele aufhebt, die dem Menschen nicht gut getan hat, der Forschungsgegegenstand gewordenen Blume wie der Natur überhaupt auch nicht. Der Duft betörte nicht mehr, sondern war sekundärer Pfanzenstoff geworden, der in Osmophoren produziert wird. Die Lust verduftet, und Theobroma wird Mitglied der Familie der Sterculiaceae, der Stinkbäume. Dabei ist es die Grundlage der süßesten Verführung seit dem Hohen Lied Salomos. Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränke mangelt. Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. Rosemarie Gebauer macht ihre "Pflanzenkultouren" seit 1996 mit wachsendem Erfolg. "Die Leute lieben Geschichten, und man kann ihnen die wissenschaftliche Botanik näher bringen, wenn man sie mit der Alltagskultur verbindet." Oder mit der Dichtung.
O, halt mich fest, Geliebte! Heinrich Heine Denn die Dichter sagen, was die Wissenschaftler verschweigen, der "scharlachne Mohn" ist mehr als Papaver rhoeas, dem Holunderbusch, Sambucus nigra, "beeren schwarze Tränen traurig vom Geäst". Wer aber nicht mit Bertolt Brecht und Herrmann Hesse auf Bäume klettern will oder küssen das Gesicht der Anemone, geht mit der Droste ins Moor und lernt nebenbei, warum Moorleichen länger leben. Den Fluchtweg in ein anderes Dasein zeigt uns auch Daphne, die Nymphe, die sich vor den Nachstellungen des Apoll in Lorbeer verwandelte.
Nachzulesen im "göttlichen Buch des Ovid", den Metamorphosen, nachzulesen hier auch die Geschichte von Adonis, der so schön war, dass sich Göttinnen um ihn stritten und Götter eifersüchtig wurden, und von Narcissus, der an unerfüllbarer Selbstliebe starb bei der Betrachtung seines Spiegelbildes. Selber staunt er sich an; unbewegt in einerlei Stellung / Haftet er wie ein Gebild aus parsischem Marmor gemeißelt. Strafe der Artemis für seinen Hochmut. Statt des Leichnams des Verwirrten fand man ein "gelblich Blümlein", aus dem im Altertum ein beruhigendes Öl gewonnen wurde. Das narkóein "starr machen" der Griechen ist der Ursprung des Namens der Narzisse und der Narkose. Die Götter stritten: Um Nymphen und Jünglinge und um Stadt und Land. Die "Göttin mit strahlenden Augen" Athene gewann Attika mit einem wie das olympische Kabinett befand kostbareren Geschenk an die Stadt und den Landkreis als Poseidon, ihr Kontrahent. So kam der Ölbaum in die Welt, die wichtigste Kulturpflanze der Mittelmeerländer. Der Ölbaum machte die Stadt Athen reich und schmückte ihre Göttin. Gebauers irdischer Spaziergang durch die mediterrane Pflanzenwelt führt auch zum Ölbaum Demeters "süße Feige aus Attika" darf allein auftreten, zusammen mit ihrem Philosykos, dem Feigenfreund und der überaus komplizierten Biologie ihres Fruchtstandes. Auch gegessen wird später. Deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. Weizen, Gerste Ölbaum, Feige, Wein, Granatapfel und Dattelpalme sind prominent in der Hebräischen Bibel und im Neuen Testament. Wohl 130 Pflanzen kennt die Bibel, essbare und kleidsame und solche, die sich in duftenden Rauch auflösen. Aus Palmwedeln wurden Häuser, aus Tannenholz Schiffe gemacht aus anderen Pflanzen Gleichnisse. Die kostbarsten Handelsgüter waren Öle und Spezereien. Die göttliche Tante Dattelpalme war Allahs Geschenk, die einzige "Götterspeise" kraft Namens aber ist Theobroma cacao. Karl von Linné, im 18. Jahrhundert zuständig für die weltliche Ordnung im Pflanzenreich, gab ihr diesen Namen eine Referenz an ihren Gebrauch in der aztekischen Heimat. Hier zu Lande ist sie der Grundstoff der "Sünde" verwöhnter Damen und der sündenfreien Fastenspeise der Schweizer Mönche, die ihrem Bischof zur Erlaubnis eine ungesüßte Variante vorgelegt hatten: der Schokolade. Nutzpflanzen eignen sich naturgemäß besonders gut, um zusammenzuführen, was zusammen gehört, nämlich Aufklärung mit Genuss. So wie die Götter ihre Füllhörner ausschütten, so besingen auch die Dichter ihr Obst (Ja, jetzt kommt Fontane!). Schön wohl ein gedichteter Veilchenduft, der während einer Literaturstunde im Botanischen Garten atembar wird doch dem einen oder anderen schmecken kandierte Veilchen besser als das schönste Gedicht, besonders, wenn sie eine Schokoladentorte zieren. Wie aber kommt die Schokolade in die Torte? Der Kakaobaum (Theobroma cacao ) hat Früchte vom Aussehen und von der Größe eines Footballs. Sie enthalten 30-50 weißliche Samen mit 30-53% Fett, 15% Eiweiß, 8% Stärke, 7% Gerbstoffe und die Alkaloide Theobromin (1-2%) und Koffein (0,2 - 0,3%). ... Den Rest der Geschichte gibt's in Gebauers Schokoladenseminar, den Kakaobaum in einem Gewächshaus des Botanischen Gartens.
Zur Schokoladentorte nimmt man inzwischen auch in Sachsen Kaffee als Getränk. Sächsischer "Blümchenkaffee" ist eine Klasse für sich. Der erste sächsische Kaffeeversuch war allerdings eine Bohnensuppe. Coffea arabica kommt wohl aus dem Jemen. Die genaue Herkunft bleibt etwas im Dunkeln. Anregend hingegen ist die Geschichte vom langen Weg des "Türkentranks" aus den Fürstenhäusern auf die Frühstückstische der kleinen Leute und in die Kaffeehäuser das erste deutsche eröffnete 1677 in Hamburg. Stätten geistiger Anregung waren das, kultivierter Geselligkeit auch für Frauen und politischer Meinungsbildung für Künstler, Politiker, Geschäftsleute und Journalisten, "Brutstätten" des Widerstands für manche Regierung dann wurde ausgehoben. |
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