30 Jahre Universitätsklinikum in Steglitz


Grund zum Feiern

Einladung zur Jubiläumswoche 18. - 26. Juni 1998

Bauphase und Eröffnung im Spiegel der Presse

Eine schöne Zeit, aber ...

Arthur Q. Davis, der amerikanische Architekt des Klinikums erinnert sich

Kampf dem Kittel

Ein Kleidungsstück geht nach 30 Jahren in Pension

Viel Theorie, wenig Praxis

Im Gespräch: drei Medizinstudenten-Generationen


Einladung zur Jubiläumswoche 18. - 26. Juni 1998

1998 - das heißt 50 Jahre Freie Universität Berlin und 30 Jahre Universitätsklinikum Benjamin Franklin. Im Rahmen der 50-Jahr-Feierlichkeiten der FU lädt das Universitätsklinikum Benjamin Franklin zu einer Jubiläumswoche vom 18. - 26. Juni ein.
Zur Auftaktveranstaltung der Festwoche in der Urania am 18. Juni sprechen Wissenschaftler aus drei Disziplinen über Highlights in der Medizin: Prof. Bodo Hoffmeisters Thema ist "Die operative Behandlung der Gesichtschirurgie - derzeitiger Stand" (ab 15.30 Uhr). Prof. Mario Brock, Dr. Thomas Funk und Dr. Bodo-Christian Kern sprechen über "Die operative Behandlung bei der Parkinsonschen Erkrankung durch Herzschrittmacher" (ab 17.30 Uhr). Prof. Michael Foerster informiert über die "Moderne Tumorbehandlung des Auges" (ab 19.30 Uhr). Der Ärztliche Direktor des UKBF, Prof. Dr. Ernst-Otto Riecken, moderiert die Veranstaltung.
"Türen auf" heißt es am 20. Juni zwischen 13 und 19 Uhr. Aus dem breiten Spektrum der FU-Medizin gibt es Informationen, Videos und Führungen zu den unterschiedlichsten Themen. Vorsorge- und Gesundheitstests ergänzen das Programm ebenso wie Gespächsforen zu den Themen Gentherapie, Infektionserkrankungen, Psychotherapie, Depressionsbehandlung und ein Kinderprogramm.

Der Tag der Studierenden und der Lehre am 22. Juni wartet gleich mit zwei Besonderheiten auf, dem Benjamin-Franklin-Contest im Hörsaal West (ab 14 Uhr) und der Medizin-Studierenden-Fete im Festzelt (s. auch S. 23). Der Benjamin-Franklin-Contest ist ein Wettbewerb zwischen sechs studentischen Teams der medizinischen Fakultäten in Aachen, Heidelberg, Lübeck, Marburg, München (LMU) und Berlin. Die Studenten-Teams haben vier verschiedene Aufgabenblöcke zu bewältigen: die Lösung klinischer Fälle, des medizinische Quiz, die Internet-Jagd "Der kluge Klick" sowie praktische Aufgaben. Als Jury agieren die Dekane der eingeladenen medizinischen Fakultäten.
Der 23. Juni ist der Tag der Forschungspolitik. "Forschungspolitik und Biomedizin: Wie machen wir die Universität fit für die Zukunft?" ist das Thema einer Podiumsdiskussion, zu der namhafte Persönlichkeiten im UKBF ab 19 Uhr zusammentreffen. Unter ihnen der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Dr. Klaus Landfried, die Staatssekretärin des Ministeriums Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung des Landes Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen, der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Prof. Manfred Ehrhardt, der Ärztliche Direktor der Ludwig-Maximillians-Universität München, Prof. Detlef Schlöndorff.
Am 24. Juni wird das UKBF zur "Lernwerkstatt Klinikum". für Steglitzer und Zehlendorfer Gymnasiasten im Rahmen Ab 20.15 Uhr gibt es dann auf  B1 eine QuiVive-Sendung zum Jubiläum, live aus dem UKBF, moderiert von Eckart Schibber. Unter anderem stellen sich drei Professoren mit prominenten Patienten vor, es wird eine Live-Schaltung in einen Operationssaal geben und eine Gesprächsrunde, in der über die aktuelle Situation des UKBF diskutiert wird.
Höhepunkt des akademischen Tages am 25. Juni (ab 17 Uhr, Hörsaal West) ist die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Pathologen Peter Gershon Isaacson, Professor für Morbid Anatomy am University College London. Prof. Isaacson hat bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der gastrointestinalen (Magen-Darm-)Lymphome und der Lymphom-Klassifikation erbracht.
Im Rahmen dieser Veranstaltung wird auch eine herausragende studentische Forschungsarbeit zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit dem Benjamin-Franklin-Preis ausgezeichnet. Der Preis wird von der Stiftung der Hochschullehrer des Fachbereichs Humanmedizin / Universitätsklinikum Benjamin Franklin ausgeschrieben und ist mit 15.000 Mark dotiert.
Ihren Höhepunkt findet die Jubiläumswoche am 26. Juni, dem Gründungstag des Steglitzer Universitätsklinikums, den es seit seiner Umbenennung am 26. Juni 1994 als Benjamin-Franklin-Tag feiert. An diesem Tag wird der in Berlin ansässigen Sonnenfeld-Stiftung die 2. Benjamin-Franklin-Medaille verliehen. Die Stiftung fördert medizinische Forschung in Berlin und vergibt Promotionsstipendien für Doktoranden, die auf dem Gebiet der medizinischen Forschung arbeiten.
Vorhang auf heißt es am Abend für das Musical "30 60 90° - durchgehend geöffnet" im Theater des Westens. Der Erlös dieser Gala-Wohltätigkeitsveranstaltung kommt dem Forschungsschwerpunkt Herz-Kreislauf-Forschung am Universitätsklinikum Benjamin Franklin/ Fachbereich Humanmedizin zugute.
Felicitas Wlodyga

Bauphase und Eröffnung im Spiegel der Presse

"Eine Zeitlang sah es so aus, als würde eine Müllverbrennungsanlage gebaut. Die Berliner, die sonntags den Teltowkanal entlangspazierten, rätselten, was sich wohl hinter den moscheenhaften Verkleidungen verberge." So schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, kurz vor der Eröffnung des Klinikums im Oktober 1968. "Der Koloß von Steglitz", die "Krankenfabrik", oder schlicht "das Ding" sind nur einige Bezeichnungen der Zeitungen für das, was seit 1959 in Steglitz aus dem Boden wächst.
Vor allem die eigenwillige Architektur der Klinik hat es der Presse angetan. Während sich DIE WELT beim Anblick des "geflügelten Gebäudes" nach Venedig versetzt und "an den Dogenpalast" erinnert fühlt, schreibt der TAGESSPIEGEL: "Das Universitätsklinikum am Teltowkanal in Steglitz bietet aus jedem Blickwinkel den Reiz phantasievoll aufgelockerter Sachlichkeit." Auch der ABEND ist begeistert: "Der Besuchereingang am Hindenburgdamm gibt dem Klinikum eine einladende Note: Ein großer Park mit jungen Bäumen und frühlingsgrünem Rasen - frisch gesät vor wenigen Wochen und durch den vielen Regen prächtig gediehen. Die Empfangshalle im ersten Hauptgebäude wirkt - holzgetäfelt, mit indirektem Licht und modernen Sesseln - wie ein modernes Hotel." (Der Abend, 7.10.68)
Es gelang dem neuen Krankenhaus allerdings, schon Schlagzeilen zu machen, bevor der erste Stein gelegt war. So schreibt der TELEGRAF im Juni 1958: "Die unerfreulichste Tatsache bleibt, daß auf dem 80.000 Quadratmeter großen Gelände immer noch nicht mit dem Bau begonnen wurde. Das Steglitzer Gesundheitsamt bleibt so optimistisch wie schon vor zwei Jahren und lehnte deshalb auch den ernsthaft von Bürgervertretern geäußerten Wunsch, die Lichterfelder Riesenfläche vorerst als "Hundeauslaufgebiet" freizugeben, entrüstet ab." (Telegraf, 21.6.58)
Baustellen ziehen die Berliner nicht erst seit dem Potsdamer Platz magnetisch an: Als es 1959 endlich losgeht, gibt es regelmäßig Führungen durch den Neubau des Klinikums, so zu den Berliner Bauwochen 1962. "Fertigstellung voraussichtlich Frühjahr 1966" steht im Besuchsprogramm. Die MORGENPOST umschreibt poetisch, was von solchen Versprechen zu halten ist: "Dieser letzten Prognose, wann am Steglitzer Bäkepark die erste Diagnose gestellt werde, sind soviele Orakelsprüche vorausgeeilt, daß deren Gehalt an Zuversicht weit größer erschien, als der Sinn fürs Mögliche. Rund zehn Jahre Klinikum-Geschichte machen klar, daß auch die Historie eines so mächtigen Zweckbaues von unsentimentaler Schönheit kapriziös sein kann." (Morgenpost, 17.3.68)

Das Klinikum machte Schlagzeilen, bevor der erste Stein gelegt wurde

Am 9. Oktober 1968 ist es dann soweit: Zur offiziellen Übergabe des Klinikums an die Freie Universität gibt es einen Festakt in der Kongreßhalle. Das geht nicht ohne Krawalle ab. Der TAGESSPIEGEL berichtet: "Die Polizei hatte Mannschaftswagen vor der Kongreßhalle aufgefahren und umfangreiche Absperrungen vorgenommen, um ein angekündigtes Eindringen von Studenten in die Kongreßhalle zu verhindern." Da insgesamt nur 17 Karten für Studenten zur Verfügung gestellt worden waren, versuchten andere, sich mit gefälschten Karten Einlaß zu verschaffen. Als der amerikanische Botschafter in Bonn, Lodge, in seiner Rede von der "von humanitärem Geist und Mitgefühl getragenen Kunst des Heilens" sprach, rief ein Student "Bombardierung des Klinikums in Hanoi". (Tagesspiegel, 10.10.68) Und die BILD-Zeitung schreibt: "Als  Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel ans Rednerpult trat, stellte sich ein Demonstrant vor die Mikrofone und wollte die Ministerin beiseite drängen. Dabei rief er in den Saal: "Wir protestieren gegen die Anwesenheit der amerikanischen Kriegsverbrecher!" Er wurde von Ordnern hinausgebracht. In Flugschriften forderten die Studenten u.a. daß alle Forschungsgeräte in Gemeineigentum überführt werden." (Bild, 10.10.68)

In dieser Zeit wird das Bauwerk der Superlative besucht wie nie zuvor. 40 Krankenschwestern zeigen den über 1.500 in- und ausländischen Gästen medizinisch und technische "Sehenswürdigkeiten". Zeitweilig sind die Besucher-Kolonnen kilometerlang.
Dem Reporter der NACHTDEPESCHE ist der Rundgang etwas aufs Gemüt geschlagen: "So rechte Ruhe zum Erholen wird man hier dennoch kaum finden: Die lieben Verwandten dürfen jeden Tag Besuch machen." Und: "Beklommen fragt man sich bei einer ersten Besichtigung dieser Heilfabrik, ob es nicht an Vermessenheit grenzt, hier ganz schlicht um eine Kopfschmerztablette zu bitten." (Nachtdepesche, 8.10.68)
1998 wird das Klinikum am Teltowkanal 30 Jahre alt. Es hat einige der Zeitungen, die seine Eröffnung feierten, längst überlebt. Ob sich das optimistische Omen von Eleanor Dulles, das die Schwester des ehemaligen amerikanischen Aussenministers und stete Förderin des Klinikums bereits 1959 äußerte, realisieren läßt, wird sich noch zeigen: "Dieser Bau hat nicht nur wissenschaftlichen und kulturellen Wert, er hat vor allem politische Bedeutung; er wird in hundert Jahren noch stehen als äußeres Zeichen für die Macht der Wissenschaft". ( Tagesspiegel 23.4.59)
Bernd Plümper
 
 


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