Mittelalterliche
Dorfkirchen im Teltow (südl. Berlin und Brandenburg)
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Kirchen |
Dorfkirche Miersdorf
Die Kirche ist durch ihre völlig unregelmäßige Mauerwerksausführung einmalig unter den Teltow-Kirchen. Der Giebel war ursprünglich sehr steil (er wurde in einer späteren Bauphase etwas abgeflacht) und deutet auf den spätgotischen Ursprung hin. Bemerkenswert ist ferner ein in die Mauer neben dem Westportal eingemauerter alter Mühlstein sowie eine geschnitzte gotische Madonnenfigur. Lage: Miersdorf gehört heute als Ortsteil zu Zeuthen im Landkreis Dahme-Spreewald. Die Kirche liegt auf dem Dorfanger und ist umgeben vom ehemaligen Friedhof. Ortsgeschichte: Miersdorf
wurde 1375 im Landbuch Kaiser Karls IV. urkundlich erstmals als
"Mirenstorpp" (in späteren Ergänzungen auch
Mirenstorf, Myrenstorp) erwähnt. Es ist ein typisches
Angerdorf, das 40 Hufen umfaßte. Von diesen Hufen hatte der
Pfarrer 4 Hufen. Die Hufen gaben je 3 Schöffel Roggen und 3
Schöffel Hafer Pacht, außerdem 3 Schillinge Zins. Von
Wagendiensten und der Bedeabgabe ist nichts erwähnt ("nichil
plus"). Der Krug gab 12 Schillinge Zins und die Mühle 1
1/2 Wispel Roggen. Die 6 Kossäten bezahlten zusammen 6
Schillinge. Cuntze Froborg hatte das ganze Dorf mit allen Rechten
vom Markgrafen zu Lehen. Claus Sunde, Bürger in Berlin hatte
die Pacht und den Zins von 8 Hufen inne, die er von Cuntze Vroberg
zu Lehen hatte. Baustruktur: Der Bau ist eine einfache, rechteckige Feldsteinkirche (17,65 m x 9,62 m) mit westlichem Dachturm. Die Kirche hat eine magnetische Abweichung von ca. 8° von der Ost-West-Richtung nach Nordosten. Mauerwerksausführung:
Die Mauern bestehen aus fast unbehauenen Feldsteinen (lediglich
die Außenseite ist grob behauen) mit einem weiten
Größenspektrum. Lagen sind keine erkennbar, die
Feldsteine sind völlig unsortiert in die Mauern eingefügt.
Die Ecksteine sind sehr grob behauen und nicht verzahnt. Die
oberen 1,5 m der Wände bestehen aus Ziegeln mit dem Format 25
x 12 x 6,5 cm und dokumentieren eine nachträgliche Erhöhung
der Seitenmauern bei gleichbleibender Firsthöhe. Dadurch sind
Giebel und Dach etwas flacher geworden. Zwischen Westgiebel und
Westwand des Schiffs ist eine horizontale Baunaht zu sehen. Der
Giebel besitzt eine etwas andere Mauerwerksausführung
(geringes Größenspektrum, z.T. sind Lagen angedeutet).
Mörtel und Putze: Die Kirche war sicher einmal ganz verputzt. Reste dieses Putzes finden sich an der gesamten Kirche. Portale und Fenster: Auf
der Nordseite befindet sich im Schiffbereich ein rundes
Fenster unterhalb des Turms, ein mittleres kleines Fenster und
weiter östlich ein großes, korbbogiges Fenster. Das
Rundfenster ist noch vollständig von Feldsteinmauerwerk
umgeben; dieses ist oberhalb des Fensters mit einer geraden Kante
begrenzt, was darauf hinweist, daß es sich hier um den
ursprünglichen oberen Abschluß des Feldsteinmauerwerks
handelt (vor der Aufstockung mit Ziegeln). Diese Kante stimmt mit
der horizontalen Baunaht zwischen Westwand und Westgiebel (s.o.)
überein. Im Chorbereich ist noch ein vermauertes, leicht
spitzbogiges Fenster mit einem Gewände aus großformatigen
Ziegeln erkennbar (Ziegelformat 27,5 x 13 x 8,5 cm). Der Bogen
besteht aus stehenden Bindern; zwischen dem Bogen und dem Gewände
ist ein deutlicher Knick zu erkennen. Die Maße des Fensters
sind 155 x 80 cm. Das mittlere kleine Fenster schneidet ein
zugesetztes, rundbogiges Fenster ab. Zwischen den beiden korbbogigen Fenstern der Ostseite ist noch ein zugesetztes Fenster mit einem Gewände aus großformatigen Ziegeln erkennbar. Dieses Fenster mißt 155 x 80 cm. Bogen und Gewände sind identisch mit dem zugesetzten Fenster im Chorbereich der Nordseite. Das Westportal ist flachbogig und mit Ziegeln gefaßt, allerdings ist das Gewände fast vollständig verputzt. Das Ziegelformat ist 26 x 12 x 6,8 cm. Innenbögen: Die Kirche hat keine Innenbögen. Turm: Der Turm ist ein verbretterter, quadratischer Giebelturm mit je einem Schallfenster auf allen Seiten. Dächer: Das Schiff hat ein Satteldach mit abgewalmter Ostseite; der Turm trägt ein Zeltdach. Alle Dächer sind mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Decke: Die Kirche ist flachgedeckt mit freiliegenden Balkenbündeln. Die Decke ist grau gestrichen. Innenausstattung: Die
Kirche hat auf der Nord-, West- und Südseite Emporen mit
braun und weiß bemalten Brüstungen. Auf der Westempore
steht die Orgel mit farbigem Orgelprospekt. In der Literatur
werden drei Schnitzfiguren beschrieben, die in der Kirche
aufbewahrt werden. Im Februar 2000 waren nur zwei vorhanden; die
sogenannte "Miersdorfer Madonna", die um 1400 entstanden
sein dürfte, und die beschädigte Statue eines
Jakobus des Älteren. Die dritte Statue war eine heilige
Barbara. Altar und Kanzel sind schlicht; über dem Altar ist
ein schmuckloses Balkenkreuz mit Doppelvertikalbalken angebracht.
Rekonstruktion und vermutete Baugeschichte: Mit einiger Sicherheit hatte die heutige Kirche einen Vorgängerbau aus Holz oder Fachwerk. Miersdorf war im Jahre 1375 Pfarrdorf und wohl auch schon im 13. Jahrhundert. Es erscheint eher unwahrscheinlich, daß der heutige Bau bereits zu dieser Zeit stand oder einen steineren Vorgängerbau gehabt hat. Von diesem wären bestimmt noch Reste erkennbar. Zwischen Ende des 15. und Mitte des 16. Jahrhunderts: Bau einer einfachen Rechteckkirche mit Südportal und Priesterportal auf der Südseite. Der Giebel war sehr steil. Die Mauerwerksausführung dieser Kirche ist die ungeordnetste von allen Kirchen im Teltow. Dies zeigt sich im Größenspektrum der verwendeten Feldsteine (von wenigen Zentimetern bis zu fast metergroßen Brocken), der fehlenden Sortierung und fehlenden Lagigkeit wie auch in der fast fehlenden Behauung der Steine. Auffallend ist, daß auch die Ecksteine kaum behauen und außerdem nicht verzahnt sind. Eine weiteres Charakteristikum ist der im Vergleich zu nachweislich älteren Kirchen sehr steile Giebel, der für spätgotische Kirchen typisch ist. Er wurde bei einem späteren Umbau etwas flacher gemacht. Man sollte eigentlich annehmen, daß die Kirche wohl noch vorreformatorisch entstand, da sie ein Priesterportal besitzt (jetzt zugesetzt). Nach Kubach & Seeger (1941) war auf dem Dach allerdings eine Windfahne mit der Jahreszahl 1553. Die gemessenen Zeigelformate könnten durchaus zu dieser Datierung passen. Ein Priesterportal besitzt auch die nachweislich nachreformatorisch (1597/99) erbaute Kirche von Kleinmachnow. Nachgewiesene Umbauten und
Instandsetzungen: Vergleiche: Die Kirche ist den absoluten Maßen und Proportionen recht gut mit Ahrensdorf vergleichbar. Allerdings dürfte diese Kirche doch etwas älter sein. Beide Kirchen sind durch ihr Längen-/Breiten-Verhältnis von 1,8-1,9 von den meisten anderen Rechteckkirchen deutlich unterschieden. Bemerkungen: Nach der Internetseite http://www.wild-east.de/brburg/dahmeland/zeuthen/miersdorf.html wurde die Kirche angeblich "wegen Baufälligkeit ... nach dem 1. Weltkrieg neu errichtet und ausgestattet, wobei auch ein vorgeschichtlicher Mühlstein Verwendung fand". In Anbetracht der sehr ungeordneten Mauerwerksausführung ist dies eher unwahrscheinlich. Was genau 1921 gemacht wurde, ist aus der kurzen Notiz nicht ersichtlich. Der Mühlstein befand sich schon vor dem 1. Weltkrieg neben dem Portal (Spatz, 1912). Kubach & Seeger (1941) datierten die Kirche auf das 14./15. Jahrhundert; in "Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" wird dagegen lediglich von einem "spätgotischen Feldsteinbau" gesprochen; auch der "Dehio" ist mit "spätmittelalterlich" in der Datierung recht vorsichtig. Der "Kunstführer durch die DDR" datiert die Kirche dagegen als "gotisch 14. Jh.", ebenso Pomplun (1962). Die oben geschilderte Mauerwerksausführung deutet aber nicht auf das 14. Jahrhundert hin; auch die gemessenen Ziegelformate sprechen eher für eine Spätdatierung (Mitte 16. Jh.) der Kirche. Die Kirche in Kuhlowitz im Fläming, die in das 1. Viertel des 16. Jahrhunderts datiert wird ("Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR"), weist eine ähnlich unregelmäßige Mauerwerksausführung und einen ähnlich steilen Giebel auf. Der dortige Giebel ist allerdings mit Blendfenstern aus Backstein verziert. Literatur: Fidicin (1857): Die Territorien der Mark Brandenburg Band I, S.109, Spatz (1912): Unser Teltow, Band 3, S.180-2, Anonymus (1936): Auffindung alter Miersdorfer Kirchenrechnungen. Archiv für Sippenforschung, 13: S.282, Botzelmann (1938): Hundert Jahre Kirchenrechnung 1704-1804. Aus dem Chronikband der Gemeinde Miersdorf. Unser Teltow, 1938: 3-5, Schultze (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, S.101, Kubach & Seeger (1941): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Teltow, S.136/7, Pomplun (1960): Der mittelalterliche Dorfkirchenbau auf dem Teltow, S.28, Piltz (1975): Kunstführer durch die DDR, S.147, Enders & Beck (1976): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil IV Teltow, S.185-7, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR (1978), S.165, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam ("Dehio") (1983), S.475, Aus dem Baugeschehen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (1997), S.155, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.1161. Information: Ev. Pfarramt Zeuthen |
Ansicht der Kirche von Nordosten
Ansicht von Südwesten
Westseite und Friedhofsportal
Ostseite
Der eingemauerte Mühlstein südlich neben dem Westportal
Altar und "Miersdorfer Madonna".
Die "Miersdorfer Madonna"
Westempore mit Orgel
Grundriß (nach Kubach &
Seeger, 1941)
©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2003