Korallenriffe - Paradiese unter Wasser -- Enstehung, Ökologie und Bedrohung --
Isabel Koch & Franz Brümmer , Stuttgart
Inhalt
Teil 1: Korallenriffe -einst und heute - Heutige Verbreitung - Rifftypen
Teil 2: Baumeister der Riffe: Nesseltiere (Cnidaria) - Nesselzellen - Zoologisches Stichwort - Korallenriffe : eine Symbiose von Algen und Korallen
Teil 3: Ökologie - Störungen des Ökosystems
Teil 4: Ausblick - Literatur - Summary - Keywords - Adressen
Anmerkung: Korallenriffe sind komplexe Lebensräume, vielfältig gestaltet und mit einer immensen Artenanzahl ausgestattet. Es ist daher unmöglich, im Rahmen diese Beitrags alle das Riff berührenden Aspekte zu behandeln; dafür bitten die Autoren um Nachsicht und Verständnis.
Korallenriffe -- einst und heute
Korallenriffe gelten heute neben dem tropischen Regenwald als artenreichster Lebensraum der Erde. Über 400.000 Arten vermuten Wissenschaftler, die meisten davon sind Kleinlebewesen, die sich in den Kalk der Riffe bohren oder recht sicher vor Entdeckung in engen Spalten leben. Bekannt sind bis jetzt nur rund 60.000 Arten. Ob sich die Lücke zwischen den beiden Zahlen je schließen läßt, hängt davon ab, wie schnell und vollständig der Mensch diesen Lebensraum zerstört. Dabei ist diese schier unüberschaubare Artenfülle nur ein Abklatsch dessen, was es in der Erdgeschichte schon an Riffen gab! Heute sind im Prinzip nur noch scleractine Korallen in der Lage, Riffe zu bilden. Die ersten Riffe entstanden aber schon vor 2 Milliarden Jahren im Präkambrium: Cyanobakterien waren damals die Baumeister der sogenannten Stromatolithen-Riffe. Es folgten Riffe aus Hydrozoen sowie tabulaten und rugosen Korallen im Silur und Devon vor über 450 Millionen Jahren. Rotalgen, Kieselschwämme, Brachiopoden, Bryozoen, Muscheln, Röhrenwürmer ... sie alle waren Riffbildner. Die heute vorherrschenden scleractinen Korallen tauchen erst im Jura vor 190 Millionen Jahren erstmals als Baumeister auf. Trotz der größeren Vielfalt an riffbildenden Organismen waren die Rahmenbedingungen für die Entstehung von Riffen stets die gleichen: flaches, klares und warmes Wasser! Abb. 1: Schwerelos erkunden Taucher einen der artenreichsten Lebensräume: das Korallenriff.
Heutige Verbreitung
Doch bevor wir uns mit der Verbreitung und der Enstehung der Korallenriffe beschäftigen noch eine Bemerkung zum Begriff "Riff". Seeleute, die wohl als erste mit Riffen Bekanntschaft machten, bezeichnen jede Untiefe im Meer als ein Riff. Biologen und Geologen haben eine etwas engere Definition: "Ein Riff ist eine hauptsächlich von lebenden Organismen aufgebaute, meist bankförmige Struktur, die vom Meeresboden bis zur Wasseroberfläche reicht. Durch ihre Größe beeinflußt sie nachhaltig die ökologischen Eigenschaften ihrer Umgebung und ist von einer ausreichend festen Struktur, den Wasserkräften zu widerstehen und somit in der Lage einen eigenen, mehrjährigen Lebensraum zu bilden". Korallenriffe werden von Steinkorallen aufgebaut, genauer von den riffbauenden (hermatypischen; griech: herma = Stütze, Klippe, Riff) Steinkorallen. Demnach sollten dort, wo Steinkorallen vorkommen auch Korallenriffe vorkommen. Doch so einfach ist es nicht. Steinkorallen kommen in allen Meeren vor, Riffe aber nicht. Mit Ausnahme der durch die Steinkorallen Lophelia und Amphihelia gebauten Riffe vor Norwegen kommen die "typischen Korallenriffe" nur in den warmen, seichten Meere der Tropen vor. Die Ansprüche der riffbildenden Korallen an ihre Umwelt sind nämlich noch die gleichen wie vor Jahrmillionen. Da sich seither die Lage und Tiefe der Meere stark verändert hat, gibt es Korallenriffe heute nur noch in tropischen Meeren zwischen den 20°C Isochrymen, d.h in etwa zwischen den Wendekreisen beiderseits des Äquators. Nur hier finden (oder kann man schon sagen: fanden?) die empfindlichen Riffbaumeister die idealen Bedingungen:Temperatur: Innerhalb der Verbreitungsgrenzen zeigen sich deutliche Unterschiede. So fehlen die Korallenriffe praktisch immer an den Westküsten der Kontinente. Eine Erklärung hierfür sind die warmen Meeresströmungen. Wo sie fehlen, gibt es keine Korallenriffe. Die Optimumstemperatur liegt für die meisten Arten bei 26-27°C. So können die Riffe im Persischen Golf die für Korallen enormen Tempeaturschwankungen von 13°C in kalten Wintern bis zu 38°C im Sommer verkraften.
Lichtbedarf: Alle riffbildenden Korallen leben in Symbiose mit einzelligen Algen (Zooxanthellen), die eminent wichtig für die Kalkbildung sind. Diese Algen können, wie jede Pflanze, ihre Photosynthese nur bei ausreichend Licht durchführen. Der Lichtfaktor verhindert also Riffbildung mitten im Meer in großen Tiefen und in planktonreichen Meeren.
Sedimentation: Korallen als festsitzende Organismen können nicht weglaufen, wenn sie eingesandet werden. Eine zu hohe Sedimentation erstickt quasi die kleinen Polypen. Ein Beispiel hierfür ist die unterschiedliche Besiedlung mit Korallen im Golf von Aquaba und im Golf von Suez. Im flachen Golf von Suez, durchschnittlich nur etwa 20 Meter tief, wird der Sandgrund ständig aufgewirbelt und verhindert somit eine größere Korallenansiedlung. Ganz im Gegensatz dazu der Nachbargolf (steile Ufer, bis 1800 Meter tief) mit seinen tollen Korallenriffen.
Wasser: Die Salinität sollte 28-40 betragen. Im Bereich von Flußmündungen, wo durch wechselnden Süßwassereintrag die Salinität stark schwankt und zudem viel Sediment verfrachtet wird, gibt es keine Riffe.
Wassertemperatur und Sedimentation sind also die Faktoren, die die horizontale Verbreitung von Korallenriffen bestimmt. Licht wirkt sich dagegen hauptsächlich auf das vertikale Vorkommen aus.
Weltweit nehmen die Riffe nur etwa 0,2% der gesamten Meeresfläche ein, doch in den tropischen Flachwassergebieten sind es bis zu 15% der Meeresbodens.
Rifftypen
Je nach Form und Lage unterscheidet man vier Haupttypen:
Der am häufigsten vertretene Typ ist das Saumriff. Es entsteht unmittelbar an der Küste und wächst von der Niedrigwassergrenze an seewärts. Die Oberfläche bleibt gleichmäßig dicht unter der Wasseroberfläche. Die Ausdehnung zum offenen Meer hin ist durch das Gefälle des Meeresbodens und die Stärke des Korallenwachstums begrenzt. So entstehen Riffe, die zwar viele Kilometer lang, dafür aber kaum über Hundert Meter breit sind. Bei manchen alten Saumriffen bildet sich an der küstenzugewandten Seite durch Erosion eine Lagune. Beispiele für Saumriffe sind die Korallenriffe im Roten Meer.
Barriereriffe liegen weit vor der Küste, sind aber nicht vom Ufer aus dorthin gewachsen, sondern sind dort entstanden. Eine Senkung des Untergrundes bzw. eine Hebung des Meeresspiegels waren nötig, um Riffbarriere und Lagune zu solchen Dimensionen wachsen zu lassen. Wegen dieser zu ihrer Entstehung notwendigen geologischen Vorgänge über eine längere Zeitspanne sind Barriereriffe seltener als Saumriffe. Das bekannteste Beispiel ist das Große Barriereriff vor der Ostküste Australiens.
Die Entwicklung eines Plattformriffs ist nicht an Landmassen gebunden. Es wächst im Gegensatz zu Saum- und Barriereriffen nach allen Seiten und ist allseits von tiefem Wasser umgeben. Ein erodiertes Plattformriff heißt Pseudoatoll, da es ohne genauere Untersuchungen nicht von einem echten Atoll zu unterscheiden ist. Beispiele für Plattformriffe finden sich auf der Maskarenenbank im Indischen Ozean.
Das Atoll ist wohl der bekannteste Rifftyp. Hier umschließt ein ringförmiges Korallenriff die Lagune, wobei diese Lagune stets durch mindestens eine Passage mit dem offenen Meer verbunden ist. Entstehung und Morphologie eines Atolls sind vielfältig und kompliziert. Die bekanntesten Atolle befinden sich in der Südsee und im Bereich der Malediven.