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Dorfkirche Siethen
(Stadt Ludwigsfelde, Lkr. Teltow-Fläming)

Die Dorfkirche Siethen macht auf den ersten Blick den Eindruck eines Apsissaals, an den ein späterer Turm angebaut worden ist. Die Apsis ist jedoch erst 1914 "romanisierend" angebaut worden. Die Innenausstattung ist für eine Dorfkirche besonders reich. Die Apsis ist ausgemalt, die Frontseiten von Gestühl und Empore sind wappengeschmückt, und die Kirche besitzt einen bemerkenswerten Renaissance-Altaraufsatz und einen barocken Taufengel.

Lage: Siethen liegt ca. 8 km nördlich von Trebbin. Die Kirche liegt inmitten des Friedhofs an der Dorfstraße.

Ortsgeschichte: Das Dorf wurde 1375 erstmals urkundlich erwähnt und zählte damals 31 Hufen, darunter waren zwei Pfarrhufen. Jede Hufe mußte 6 Schöffel Roggen und 6 Schöffel Hafer als Pacht, 2 Schillinge Zins und 1 Schilling Bede bezahlen. Es gab 6 Kossäten im Dorf, von denen jeder ein Huhn abliefern mußte. Der Krug gab 10 Schillinge. Heinrich v. Groeben hatte das Dorf als Lehen vom Markgrafen. Um 1400 war es im Lehenbesitz des Kunz v. Ziesar, seit 1416 der v. Schlabrendorff. Um die Wende des 16. Jahrhunderts war das Dorf im Besitz der v. Streithorst und der v. Gröben. In das 16. Jahrhundert fällt die Bildung eines Rittergutes. 1614 wurde Joachim v. d. Gröben mit Siethen belehnt, 1632 kam es wieder in den Besitz der v. Schlabrendorff. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wechseln die Besitzer rasch.

Baustruktur: Der Bau ist Rechteckkirche (18,31 m x 9,40 m) aus dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert mit nachträglich angebauter Apsis und einem etwas eingezogenen, annähernd quadratischen Westturm. Die Kirche hat einen Sakristeianbau an der Nordostecke und einen kleinen Vorbau über dem Nordportal. Das Dach bzw. die Giebel dieser Kirche sind auffallend steil. Die Kirche weicht um magnetische 5° nach Nordosten von der Ostrichtung ab.

Mauerwerksausführung: Das Schiff weist eine lagige Mauerung mit behauenen Quadern auf. Allerdings sind einzelne Ausgleichsschichten vorhanden, und das Lagengefüge ist etwas ungleichmäßig. Der Turm ist unten aus lagig verlegten, mäßig bis schlecht gequaderten Feldsteinen gemauert. Knapp unterhalb der Traufhöhe des Schiffs wechselt das Mauerwerk des Turms abrupt zu groben, ungleich großen Feldsteinen. Die Ecken sind im unteren Teil des Turms aus behauenen Feldsteinen, im höheren Teil aus großformatigen Backsteinen gemauert (Ziegelformat: 27 x 13 x 9 cm). Die Ziegel sind seitlich glatt gestrichen. Der Turmaufbau besteht aus Ziegelmauerwerk.
Der Nordanbau und die Apsis sind sehr sorgfältig aus behauenen Quadern gemauert (1914). Die Apsis reicht bis zur Traufhöhe des Schiffs.
Der Ostgiebel und der Westgiebel zeigen die gleiche unregelmäßige Mauerung wie der Turm.
Im Turm maßen wir sehr unterschiedliche Ziegelformate: 26,5 x 14 x 6,5 cm, 28 x 13,5 x 7,5 cm, 27 x 14-14,5 x 7,5-8, 28 x 14 x 7 cm.

Mörtel und Putze: Die Ecken des Turms sind mit einer Putzquaderung versehen, die großflächig abblättert. Darunter hat sich noch ein älterer Putz mit Doppelfugenritzung erhalten. Die Fuge war einmal mit einer bräunlich-gelben Farbe gestrichen. Der obere Teil des Turms trägt einen Ganzputz, der untere war sicher ebenfalls eine Zeitlang verputzt. Reste dieses Putzes sind noch sichtbar. Obermeier & Arnold (1998) scheiden für die Kirche von Siethen 6 Phasen unterschiedlicher Putze und Mörtel aus.

Portale und Fenster: Die Südseite weist drei große, rundbogige, mit gelben Backsteinen gemauerte Fenster auf. Im Turm ist ein weiteres rundbogiges Fenster aus Backsteinen.

Die Apsis hat zwei seitliche rundbogige Fenster aus gelben Backsteinen. 

Die Nordseite hat ein Portal mit einem kurzen Vorbau aus gelben Backsteinen (24,5 x 11,5 x 6 cm), ein rundes Fenster und ein großes korbbogiges Fenster. Der Nordanbau (Sakristei) hat 2 große rechteckige Blendfenster, zwei kleine, hochrechteckige Fenster, zwei rechteckige Kellerluken, und eine rechteckige Tür auf der Ostseite sowie eine kleine Luke auf dieser Seite.

Das Westportal ist spitzbogig mit behauenen Rand- und Bogensteinen und einmal abgetreppt. Die Behauung der Leibungssteine ist unterschiedlich - sehr sorgfältig und glatt bis sehr grob -, und das Mauerwerk um das Portal herum weist Reparaturspuren auf (Ziegelbruch). Möglicherweise ist die Form des Westportals nicht ursprünglich, sondern Ergebnis einer nachträglichen Veränderung. Die Durchgangstür von der Turmhalle zum Schiff ist vom Turm aus rundbogig und einmal abgetreppt, vom Schiff aus flachbogig. Leider ist das Gewände sehr dick verputzt und bemalt. Über die Beschaffenheit von Gewände und Bogen können daher keine Abgaben gemacht werden.

Turm: Der Turm ist rechteckig und gegenüber dem Schiff geringfügig eingezogen. Er hat im Turmaufsatz aus Ziegelmauerwerk zwei Schallfenster auf jeder Seite. Auf der Südseite sind unterhalb der Uhr zwei weitere hochrechteckige Fenster. Die ihnen gegenüber liegenden, etwas tiefer sitzenden beiden Fenster auf der Nordseite sind rundbogig. Die Südseite des Turmunterbaus hat ein segmentbogiges Fenster, das etwas kleiner ist als die Schiffsfenster, aber etwa in derselben Höhe wie diese sitzt.
Der unterste Teil des Turms, der noch aus behauenen Felsteinen besteht (siehe Abschnitt "Mauerwerksausführung"), unterscheidet sich in der Bauausführung  kaum vom Kirchenschiff und könnte zeitgleich mit ihm entstanden sein; allerdings sind die Ecken Turm / Schiff nicht verzahnt, und die Feldsteinlagen lassen sich nicht vom Schiff auf den Turm verfolgen. Der höhere Teil des Turmunterbaus zeigt das gleiche unregelmäßige Feldsteinmauerwerk wie die Giebel der Kirche und dürfte gleichzeitig mit ihnen entstanden sein. Während dieser Teil des Turms außen steinsichtig verputzt ist, weist das Mauerwerk des Westgiebels der Kirche nur einen Fugenmörtel auf. Obwohl der aus Ziegeln gemauerte Turmaufsatz sicher sehr viel jüngeren Datums ist als der Westgiebel der Kirche, muß also davon ausgegangen werden, daß der Westgiebel nie eine sichtbare Außenwand darstellte, sondern immer von einem Turmaufsatz verdeckt war. Der Ziegelturm muß also einen Vorgänger - vermutlich aus Holz oder Fachwerk - gehabt haben.

Dächer: Das Schiff hat ein Satteldach mit sehr breiten, flächigen Dachziegeln, der Turm ein Spitzdach mit einem achtseitigen verschieferten Spitzhelm.

Decke: Das Schiff hat eine in Dachform winklig gebrochene, einfach bemalte Holzdecke, die Sakristei eine zum Teil bemalte Tonnendecke.

Innenausstattung: Die Kirche hat einen hölzernern Renaissancealtaraufsatz, der inschriftlich mit 1616 datiert ist. Dieser wurde 1914 restauriert. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Aufbau. Im Sockel befindet sich ein Abendmahlsbild, im Hauptfeld ein Kreuzigungsgemälde, das von Doppelsäulen flankiert ist. Zwischen den Doppelsäulen sind Bilder der 4 Evangelisten. Im Aufsatz befindet sich ein Gemälde der Auferstehung, im Giebel ein Gemälde der Himmelfahrt. Das Dekor besteht aus Schweif- und Beschlagwerk. Das Retabel steht auf einem Altartisch, der auf seiner Holzverkleidung auf Metall gemalte Wappen besitzt. Die Apsis ist völlig ausgemalt. In der Südhälfte des Chorbereichs befindet sich ein Patronatsgestühl mit Wappen. Über der Kanzel von 1914 schwebt in etwas ungünstiger Position der einzige barocke Taufengel in einer Kirche des Teltow. Auf der Westempore steht die Orgel von 1882. Die Brüstungen und die Vorderseiten des Gemeindegestühls sind mit Wappenmalereien verziert. Die Wappen sind unterschiedlich mit 1663 oder 1670 beschriftet, stammen aber von der Neuausstattung der Kirche 1914. Weitere Wappen sind an der Westseite der Turmhalle angebracht.

Rekonstruktion und vermutete Baugeschichte:

Spätestes 13. / Anfang 14. Jahrhundert: Baubeginn einer ursprünglich einfachen Rechteckkirche mit drei Fensterachsen; jedenfalls dürfte die Südseite drei Fenster gehabt haben. Die Anzahl der Fenster auf der Nordseite ist nicht sicher, auf der Ostseite befand sich eine Dreifenstergruppe (Pomplun). Wahrscheinlich befand sich das Priesterportal auf der Nordseite. Das Dach ist auffallend steil und deutet nicht auf Frühgotik hin. Das Mauerwerk ist noch ausgesprochen lagig mit verhältnismäßig gut gequaderten Feldsteinen, doch das Längen-Breiten-Verhältnis von unter 2 spricht ebenfalls nicht für einen sehr frühen gotischen Bau. Diese Kirchen haben Längen-Breiten-Werte von 2,5-3 (z.B. die Dorfkirchen von Dahlewitz, Groß Kienitz und Kiekebusch. Aufgrund der Mauerwerksausführung dürfte die Siethener Kirche aber doch um einige Jahrzehnte älter sein als die benachbarte Dorfkirche von Ahrensdorf.

Gleichzeitig oder Mitte 14. Jahrhundert: In einer zweiten Bauphase wird der untere Teil des eingezogenen, quadratischen Westturms gebaut.

15/16. Jahrhundert: Hochmauern des Turms bis etwa 1 m über dieTraufhöhe des Kirchenschiffs; auch die Giebel der Kirche werden aus Feldstein gemauert (Ersatz hölzerner Giebel). Die Ecken des Turms sind hier aus großformatigen, gestrichenen Ziegeln gemauert. Diese haben ungefähr das gleiche Format wie die Ziegel des Turms von Ahrensdorf. Das Ziegelformat 27 x 13 x 9 cm ist ein gotisches Format.

Sätrenaissance / Frühbarock (?): Errichtung eines Turmaufsatzes aus Ziegeln als Ersatz für einen hölzernen Turmaufsatz

Nachgewiesene Umbauten und Instandsetzungen:

1666: Bau einer Gruft (dendrochronologische Datierung, Pratsch, 1996).

1851 Innenausbau, rundbogige, aus gelben Backsteinen gemauerte Fenster. Dabei wurden sämtliche alten Fenster verändert (Dehio). Merkwürdig dabei ist, daß in der Apsis ähnliche Fenster sind, die aus gelben Backsteinen gemauert sind. Sind dabei ähnliche Ziegel verwendet worden oder wurden die Fenster erst 1914 verändert?

1882: Einbau der Orgel.

1909: Erneuern des verputzten Turmaufsatzes aus Ziegelmauerwerk.

1914/5 Anbau der Apsis, Bau der Sakristei auf der Nordseite. Renovierung des Renaissance-Altars. Neuausstattung der Kirche mit Kanzel, hölzerner Taufe, Patronatsgesstühl, Wandmalereien.

1941 "Veränderungen".

1990/1 Renovierung der Kirche.

Vergleiche: Die Kirche von Siethen ist ist den Proportionen und auch den absoluten Maßen gut vergleichbar mit  der Dorfkirche von Ahrensdorf. Allerdings hat diese Kirche ein Mauerwerk mit nur außen behauenen Feldsteinen, während die Kirche von Siethen noch gequaderte Feldsteine aufweist. Ähliche Proportionen und nur wenig größere absolute Maße zeigt die Kirche in Waßmannsdorf. Hier ist das Mauerwerk gut vergleichbar. Diese Kirche hat jedoch im Verlauf ihrer Geschichte einen Blendgiebel auf der Ostseite bekommen.

Bemerkungen: Die Kirche wird von Kubach & Seeger, Pomplun (1960) und dem "Kunstführer durch die DDR" ins 13./14. Jahrhundert datiert. Das Werk "Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" gibt nur 13. Jahrhundert an, der "Dehio" frühgotisch.

Literatur: Fidicin (1857): Die Territorien der Mark Brandenburg Band I, S.131/2, Spatz (1912): Unser Teltow, Band 3, S.264-6, Schultze (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, S.104, Kubach & Seeger (1941): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Teltow, S.175/6, Pomplun (1960): Der mittelalterliche Dorfkirchenbau auf dem Teltow, S.30, Schlimpert (1972): Brandenburgisches Namenbuch. Teil 3 Die Ortsnamen des Teltow, S.169/70, Enders & Beck (1976): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil IV Teltow, S.281/2, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR (1978), S.456, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam) (1983), S.424, Waack (1993): Zur Geschichte des Kirchenbaus im Kreis Zossen, S.140, Pratsch (1996): Archäologie und Kirchengeschichte, Heimatjahrbuch Teltow-Fläming, 1996, S.90-95, Neumann (1998): Spuren aus der Vergangenheit, Heimatjahrbuch Teltow-Fläming, 1998, S.41, Obermeier, Christoph und Arnold, Bärbel (1998):  Siethen Dorfkirche, Mittelalterliche Putze und Mörtel im Land Brandenburg, S. 178-179; Wochenspiegel Blankenfelde, Ludwigsfelde, Zossen und Umgebung, Ausg.11, 15.3.2000, Romantische Plätze und Brummi-Verkehr (Siethen), S.15, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.1004/5, Wollmann-Fiedler, Christel & Jan Feustel (2003): Fontanes Lieblingskirchen in der Mark, S. 134-137.

Information: Evangelisches Pfarramt, Hauptstr.29, 14974 Ahrensdorf, Tel. 03378/801687, Schlüssel bei Herrn Hinze, Dorfstr.3, 14974 Siethen, Tel.03378/511938.



Außenansicht

Ansicht der Kirche von der Südseite (Apsis von 1914)


Das spitzbogige Westportal



Innenansicht



Grundriß

Grundriß (nach Kubach & Seeger, 1941)



Lage der ergrabenen Grüfte in der Dorfkirche Siethen (nach Pratsch, 1996).


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©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 1999-2003