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Dorfkirche Deutsch Wusterhausen
(Lkr. Dahme-Spreewald)

Die Kirche macht auf den ersten Blick einen recht ursprünglichen Eindruck, sieht man einmal von dem wohl nachträglich aufgesetzten Dachturm und der augenfälligen, südlich angebauten Vorhalle ab. Die Fenster scheinen nur geringfügig vergrößert zu sein. Zwei Fenster sind wohl noch in ihrer ursprünglichen Größe erhalten. Auffallend ist aber eine sehr deutliche Diskrepanz in der Ausführung der Mauerwerksarbeit zwischen Chor und Schiff. Wir müssen wohl eine größere zeitliche Distanz zwischen den Entstehungszeiten dieser beiden Teile der Kirche annehmen. Die Ostseite des Chors ist sehr stark verändert, und es wurde - und das ist einmalig unter den über 40 hier beschriebenen Kirchen - eine Ostpforte eingebrochen. Einmalig sind auch die sehr großen Fenster bzw. Blenden in der Ostseite des Chors, die sehr weit in den Giebel hineinreichen. Wahrscheinlich hatte die Kirche einmal ein Tonnengewölbe.

Lage: Deutsch Wusterhausen ist heute ein Stadtteil von Königs Wusterhausen und liegt ca. 2 km östlich vom Stadtkern an der Straße Richtung Dahlewitz. Das Dorf war ein Sackgassen- oder Runddorf. Die Kirche liegt auf dem Dorfanger und ist umgeben vom ehemaligen Friedhof. Der Name wird von slaw. vostroz´n abgeleitet, das wiederum vom urslawischen ostrog = mit Palisaden befestigter Ort hergeleitet wird (Schlimpert, 1972).

Geschichte: 1375 hatte "Dudeschen Wusterhusen" 41 Hufen, davon drei Pfarrhufen; die Kirche hatte zusätzlich noch eine Freihufe. "Kuntze de Slywen" hatte 4 Freihufen. Jede Hufe gab 8 Scheffel Roggen, 6 Scheffel Gerste, 6 Scheffel Hafer und 1/2 Scheffel Erbsen zu Pacht, 2 Schillinge Zins und als Bede 5 Schillinge, 1/2 Scheffel Roggen, 1/2 Scheffel Gerste und 1 Scheffel Hafer. Die 5 Kossäten mußten 60 Hühner abliefern. Der Krug (Dorfschenke) mußte 7 Schillinge Bede und 2 Schillinge und 12 Hühner Zins bezahlen. Kuntze de Slywen hatte das höhere Gericht, ihm standen die Wagendienste und das Patronat zu. Ihm gehörten auch die Abgaben von allen Hufen des Dorfes, ausgenommen 7 Hufen, die ihre Abgaben an Claus Sunde bezahlen mußten. 1450 hatte das Dorf dann 43 Hufen, von denen allerdings 7 unbebaut waren. Die v. Schlieben waren bis 1480 Besitzer des Dorfes, allerdings waren inzwischen sogar 16 Hufen wüst geworden. Dann folgten die Schenk von Landsberg zu Teupitz bis 1652. Auf diese Familie folgte ein Gans von Putlitz, von dem es 1687 Kurprinz Friedrich erwarb. Der Ort gehörte danach zur Herrschaft Königs Wusterhausen.

Baustruktur: Der Bau ist eine Feldsteinkirche mit Schiff (13,10 m x 9,59 m), eingezogenem rechteckigem Chor (8,79 m x 7,43 m), nachträglich aufgesetztem hölzernem Turm und kurzer, an der Südseite angebauter Vorhalle. Die Kirche hat eine magnetische Abweichung aus der Ost-West-Richtung von 10° (Chor) nach Nordosten (Oktober 1999).

Mauerwerksausführung: Der Chorbereich ist aus gut behauenen Quadern in regelmäßigen Lagen mit nur wenigen Auskeilungen hochgemauert. Der Grad der Quaderung der Feldsteine nimmt nach oben geringfügig ab, soweit es trotz der starken späteren Veränderungen noch zu erkennen ist. Die Ecksteine sind gut behauen und verzahnt. Die unterste sichtbare Quaderlage des Chors weist noch gut behauene Quader auf, d.h. das Fundament muß noch tiefer liegen und ist durch den angewachsenen Boden verdeckt.

Chor und Schiff sind nachträglich um ca. 1 m erhöht worden. Das Mauerwerk dieses Bereichs ist völlig ungeordnet und enthält viel Backsteinmaterial.

Das Mauerwerk des Schiffs ist deutlich weniger sorgfältig als das des Chors. Die unteren drei Reihen bestehen aus schlecht behauenen Quadern, die weiteren Lagen aus Feldsteinen, die nur an den Außenseiten behauen sind. Es sind regelmäßige Zwischenschichten vorhanden. Die Ecksteine sind schlecht behauen und auch nicht mehr sorgfältig verzahnt. Allerdings finden sich auf der Nordseite in der Ecke Chor/Schiff zum Schiff gehörige Mauerreste mit regelmäßiger Mauerung. Die Lagen setzen sich dort vom Chor auf das Schiff fort. Die Fundamente von Chor und Schiff scheinen in unterschiedlicher Höhe zu liegen. An der Südseite in der Ecke Chor/Schiff weisen die westlichen Partien der Chorsüdwand die Mauerungstechnik des Schiffs auf. Diese Verhältnisse sind vor allem für die Baugeschichte von  Bedeutung (s.u.).

Der sichtbare Teil des Ostgiebels des Schiffs besteht aus Ziegelfachwerk.

Die Westseite ist derzeit nur äußerst schwierig zu untersuchen, da sie völlig mit Efeu zugewachsen ist. Daher ist es nicht zu entscheiden, ob eventuell einmal ein Westportal vorhanden war, das später zugesetzt worden ist.

In der Südwand des Schiffs beträgt die Mauerstärke etwa 120 cm, in der Südseite des Chors etwa 125 cm.

Mörtel und Putze: Chor und Schiff waren steinsichtig verputzt. Teile dieses Putzes sind noch erhalten geblieben und wurden bei der Restaurierung 1998/9 konserviert. Die Schrägen des östlichen Fensters auf der Chorsüdseite waren ganz verputzt. Die äußere Hälfte zeigte eine doppelte Fugenritzung, wobei die Fugen weiß gestrichen waren, die innere Hälfte des Fensters bis zum Fensterrahmen war ganz weiß gestrichen. Diese Putze und Farbmuster sollen in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts ("zwischen 1250 und 1280") entstanden sein.
An vielen Stellen enthält der Fugenputz kleine, meist farbige Steinchen und Kiesel. Wahrscheinlich geschah diese Zumischung von kleinen farbigen Kieseln zum hellen Fugenputz mit der Absicht, einen kräftigen Farbkonstrast zu erzielen. Diese Technik ist von Kirchen der Prignitz beschrieben (Bentler, 1995).
Der Ostgiebel hatte einen Ganzputz.

Portale und Fenster: Die Südseite zeigt im westlichen Chorbereich ein mit Ziegeln gemauertes, korbbogiges Fenster. Es ist relativ schmal und klein und dürfte gegenüber dem ursprünglichen romanischen Fenster nur geringfügig vergrößert worden sein. Die obere Schräge fällt stark nach innen/unten ab. Die randlichen Schrägen sind im inneren Teil noch etwas begradigt worden. Das östliche Fenster der Südseite des Chorbereichs scheint dagegen noch original zu sein; mit einem Rundbogen aus schlecht behauenen Bogen- und Randsteinen. 

Im westlichen Bereich des Chors ist eine bis zum Fundament reichende Reparaturstelle mit der Mauerungstechnik des Schiffs zu erkennen. Die neue Wandverkleidung besteht ganz offensichtlich z.T. auch aus den Bogen- und Randsteinen eines ursprünglichen Portals (Priesterportal?). Diese Leibungssteine waren gut behauen, ca. 30 cm stark. Das Priesterportal war wohl ursprünglich gedrückt-spitzbogig, ein entsprechender Schlußstein mit angedeutetem Spitzbogen ist in der Mauer verarbeitet.

Die Südseite des Schiffs weist eine (nachträglich aus Ziegeln angebaute) Vorhalle ohne Tür auf. Diese Vorhalle ist verputzt. Der Eingang zum Schiff ist rundbogig, ob es ursprünglich ein Feldsteinportal war, ist ungewiß. Innen ist es segmentbogig. Auf den West- und Ostseiten der kurzen Vorhalle ist je ein zugesetztes, kleines, flachbogiges Fenster zu erkennen. Rechts und links der Vorhalle befindet sich in der südlichen Schiffswand je ein korbbogiges Fenster. Diese Fenster sind, wie auch die gleichartigen Fenster der Nordseite, relativ klein für barocke Fenster. 

Die Ostseite des Chors zeigt ein flachbogiges, mit Ziegeln gemauertes Ostportal, darüber ein flachbogiges Fenster. Rechts und links von diesem Fenster befinden sich zwei hohe, schmale und zugesetzte Fenster, wobei jeweils der oberste Teil als Blendfenster gestaltet ist. Über dem mittleren Fenster ist ein weiteres spitzbogiges Fenster. Dieses Fenster reicht bis etwa auf die Hälfte der Giebelhöhe hinauf; die zugesetzten Fenster rechts und links davon enden etwas darunter. Das Material, mit dem die Fenster zugesetzt sind, besteht aus kleinen unbehauenen Feldsteinen unterschiedlicher Größe, aber auch viel Ziegelmaterial.

Die Nordseite des Schiffs weist drei korbbogige Fenster auf, die Nordseite des Chors ist wie die Südseite.

Turm: Der Turm ist ein Dachturm, dessen Westgiebel mit Feldsteinen hochgemauert ist; die übrigen Seiten sind verbrettert. Es sind je zwei Schallfenster auf Nord- und Südseite vorhanden. Die Windfahne trägt die Jahreszahl 1375 und bezeichnet wohl das Jahr der ersten urkundlichen Nennung von Deutsch Wusterhausen.

Dächer: Schiff und Chor haben gegeneinander versetzte Satteldächer. Die südliche Vorhalle hat ein kurzes quergestelltes Satteldach. Der Turm weist ein Zeltdach auf.

Decke: Die Decke ist eine weiß verputzte Flachdecke mit  farbigen Streifen an den Rändern zu den Seitenwänden.

Innenausstattung: Der östliche Teil des Chors ist als Winterkirche abgeteilt und hat mit der östlichen Tür einen separaten Zugang. Der Altar ist modern und schlicht, ebenso das Taufbecken. Die Westseite wird von einer Westempore eingenommen, deren Balustrade mit einfachen Streifen farbig bemalt ist. Auf der Empore befindet sich die Orgel. Die Kirche hat eine Glocke aus dem 15. Jahrhundert.

Rekonstruktion und vermutliche Baugeschichte:

?Anfang 13. Jahrhundert: hölzerne (oder Fachwerk)Rechteckkirche?

2. Hälfte des 13. Jahrhunderts: (An-)Bau des Chors (an die hölzerne Kirche oder Fachwerkkirche?). Die Ecke Chor/Schiff bzw. Teile der kleinen Fläche der Ostwand des Schiffs auf der Nord- und Südseite mit den erhaltenen Fundamenten und Mauern in der Mauerungstechnik des Chores gehören noch in diese Bauphase. Die Nord- und Südseiten des Chors wiesen vermutlich je zwei gedrückt-spitzbogige Fenster auf. Auf der Ostseite ist die übliche Dreiergruppe von Fenstern zu vermuten. Diese reichten vermutlich nur knapp bis zur Traufhöhe. Der Giebel war wahrscheinlich aus Fachwerk oder verbrettert. Ein Priesterportal befand sich auf der Südseite des Chors. An dieser Stelle ist heute ein Reparaturbereich, der noch alte Leibungssteine des Priesterportals enthält.

14./15. Jahrhundert: Hochmauern des Giebels, Vergrößerung der Fenster bis in den Giebel. Die Fenster sind auch für gotische Fenster sehr groß. Das mittlere Fenster reicht heute teils zugesetzt, teils als Blende sehr hoch in den Giebel hinein. Diese Baumaßnahme gehört in eine spätgotische Phase. Häufiger sind ebenfalls große gotische Ostfenster zu beobachten, die nur geringfügig über die Traufhöhe des Schiffs reichen. Es ist ist deshalb durchaus denkbar, daß diese enorme Vergrößerung der Fenster in zwei Bauphasen erfolgte, jeweils unter völliger Beseitigung der älteren Fenster. Dies wird sich aus diesem Grund nicht mehr nachweisen lassen. Vermutlich war die Vergrößerung der Fenster mit dem Einziehen einer Tonnendecke verbunden.

15./16. Jahrhundert. (Abriß der Holzkirche?) Bau des steinernen Schiffs wohl ohne Westportal, dafür mit Südportal. Wahrscheinlich können wir drei relativ kleine korbbogige Fenster in der Nord- und zwei in der Südseite vermuten. 

"Barock": Vergrößerung der Fenster, Zusetzen der "gotischen" Dreiergruppe.

Nachgewiesene Umbauten und Instandsetzungen:

19. Jahrhundert Anbau der südlichen Vorhalle

1921 Tünchung der Decke

1966 Neugestaltung des "Inneren"

Umfassende Renovierung 1998/9. Außenfassaden, Mauern, Holzverkleidung des Turms, Dachkonstruktion, Außenanlagen.

Bemerkungen: Nach einer Zeitungsmeldung in der Berliner Morgenpost vom 19.5.1998 wurde die Kirche "zwischen 1280 und 1350 erbaut". Woher diese sehr präzise Angabe stammt, ist in der Zeitungsmeldung allerdings nicht weiter ausgeführt. Kubach und Seeger geben 14. Jahrhundert an, die "Bau- und Kunstdenkmale in der DDR" unpräzise lediglich "13./14. Jh.", Pomplun (1962) hält eine Entstehung im 13. Jahrhundert für "am wahrscheinlichsten". Der "Dehio" datiert die Kirche ebenfalls ins 13. Jahrhundert. Unsere Untersuchungen ergaben ein wesentlich differenzierteres Bild (siehe oben).
Nach einer Meldung in der Köpenicker Morgenpost vom 21.Dezember 1998 wurde von "Restauratoren" an der "spätromanischen" Kirche ein alter Putz aus dem 13. Jahrhundert entdeckt. Die Kirche könnte demnach "zwischen 1250 und 1280" entstanden sein (und wäre damit frühgotisch).
Das originale Fenster auf der östlichen Hälfte der Chorsüdseite wirkt heute rundbogig. Allerdings ist dabei zu beachten, daß der Bogen verputzt ist und aus scherbenartigen Bogensteinen gemauert. Dies ist ein sicheres Indiz, daß der Bogen komplett verputzt war, und vermutlich war er gedrückt-spitzbogig, wobei der Spitzbogen nur in den Putz hineinmodelliert war.

Literatur: Fidicin (1857): Die Territorien der Mark Brandenburg Band I, S.77/8 Spatz (1912): Unser Teltow, Band 3, S.48-50, Schultze (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, S.79/80, Kubach & Seeger (1941): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, Kreis Teltow, S.41/2, Pomplun (1960): Der mittelalterliche Dorfkirchenbau auf dem Teltow, S.20, Enders & Beck (1976): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil IV Teltow, S.45-47, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR (1978), S.467, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam ("Dehio") (1983), S.183/4, Waack (1993): Zur Geschichte des Kirchenbaus im Kreis Zossen, S.138, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.225, Schust (2004) Dorfkirche Deutsch Wusterhausen. Heimatkalender Königs Wusterhausen und Dahmeland, S.66-69.



Außenansicht

Völlig bewachsene Westseite mit auf drei Seiten verbretterten Giebelturm und kurzer Vorhalle über dem Südportal.


Der Chor hat ein Mauerwerk aus gut gequaderten Feldsteinen; das Schiff dagegen unbehauene, nur gespaltene Feldsteine.


Die Ostseite weist die Reste einer Dreiergruppe von sehr hohen, gotischen Fenstern auf. Ungewöhnlich ist auch der Osteingang.


Das ursprüngliche Fenster auf der Südseite des Chores zeigt noch Farbreste einer ursprünglichen Bemalung.


Die Reparaturstelle an der Stelle des ehemaligen Priesterportals enthält gut behauene Gewände- und Bogensteine, die nur vom beseitigten Priesterportal stammen können.



Innenansicht

Das schlicht ausgestattete Innere der Kirche in Deutsch Wusterhausen



Grundriß

Grundriß (nach Kubach & Seeger, 1941)


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Letzte Änderung: 16.4.2007


©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Groß Machnow, 1999-2007