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[Neue Motivation fürs Examen]

An der Freien Universität Berlin benötigen die Studierenden des Faches Geschichte durchschnittlich 16,6 Semester bis zum Examen, die Studierenden in der Kunstgeschichte brauchen bis zum Abschluss 16,1 Semester. Und selbst die Islamwissenschaftler, die schnellsten Studierenden dieses Fachbereichs, kommen immer noch auf stolze 14,4 Semester. Das offenbart die Studierendenstatistik für das WS 2001/2002.

„Höchste Zeit zu reagieren“, dachte auch der Studiendekan Prof. Dr. Eberhard König, und wagte ein aufwändiges aber viel versprechendes Experiment, um die Langzeitstudierenden im persönlichen Gespräch doch noch zu einem Studienabschluss zu bewegen. Zu diesem Zweck bat er 643 der 880 Studierenden seines Fachbereichs, die das zwölfte Semester bereits überschritten hatten, zu sich. Davon reagierten bisher etwa die Hälfte in irgendeiner Form auf seine Einladung. Bis zu hundert Gespräche täglich führte Prof. König in der Zeit vom 8. bis 12. April 2002. Der Studiendekan hofft, durch seinen Einsatz die durchschnittliche Verweildauer bis 2004 um zwei Semester zu reduzieren. Ihm persönlich ist es völlig egal, wie lang die Studienzeiten sind, aber die Hochschulverträge lassen ihm keine Wahl: Ein Teil der staatlichen Mittel wird ab 2002 nach Leistungskriterien vergeben. Ein Parameter unter anderen ist die Anzahl der Studienabsolventen in der Regelstudienzeit – und davon gibt es an Prof. Königs Fachbereich leider nicht sehr viele. Im Klartext: Jeder Langzeitstudierende schmälert das Budget des Fachbereichs.

Prof. Eberhard König

Bei seinen Gesprächen mit den Studierenden stellte sich heraus, dass die Lage aber längst nicht so dramatisch ist, wie es bei oberflächlicher Betrachtung der Statistik erscheint, denn ein beachtlicher Teil der Studierenden befindet sich in Prüfungsvorbereitungen, hat bereits sein Examen abgeschlossen oder will sich in Kürze exmatrikulieren. Die von Prof. König angebotenen Einzelberatungen wurden ergänzt durch bisher zwei Abendveranstaltungen im Hörsaal, mit jeweils über 100 Teilnehmern/innen. Königs Engagement kommt bei den Studierenden gut an. Viele der Teilnehmer/innen finden es motivierend, endlich aus der Anonymität herausgeholt zu werden. Erstmals werden sie gefordert, sich ernsthafte Gedanken über ihre Zukunftsperspektiven zu machen. Die Studierenden schätzen an Prof. König, dass er sich mit jedem Kommilitonen intensiv auseinandersetzt, um dessen individuelle Situation zu verstehen. Er hilft, Wege aus der Krise zu finden, bleibt aber realistisch und rät in wenigen begründeten Fällen auch zum Studienabbruch. Der Professor zeigt Verständnis für die Studierenden und hält sie auf keinen Fall für „Drückeberger“ oder „Spinner“. Für fast jede „Irrfahrt“ der Studierenden gibt es nach Auffassung von Professor König eine einleuchtende Erklärung, wie Geldnöte, Prüfungsängste, Krankheit oder familiäre Verpflichtungen.

Der Professor sucht die Verantwortung keinen Falls allein bei den Studierenden, sondern überlegt vielmehr wie auch die Universitäten einen Beitrag zur Studienzeitverkürzung leisten können. So könnten nach Königs Meinung Studienerfolge nur dann erwartet werden, wenn z.B. Semesterarbeiten von den Lehrenden rasch bearbeitet werden und ständiger Respons der Lehrenden erfolgt. Des weiteren würden sich schlechte Studienberatung und mangelnde Aufklärung über Leistungsanforderungen und Leistungsniveau zutiefst verunsichernd auf die Studierenden auswirken. Bei allem Verständnis für die Situation der Studierenden ermahnt König sie aber auch, endlich flügge zu werden und das schützende „Nest“ Universität zu verlassen.
Ihnen diesen Übergang zu erleichtern, hat sich der Professor zur Aufgabe gemacht.

Susanne Lettau


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