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[Studienzeiten in Berlin und andernorts]

Die Freie Universität ist eine Bildungsinstitution, an der gern und lang studiert wird. Zu lang meinen viele Kritiker, die jetzt durch ein Gutachten des Wissenschaftsrats neue Munition erhalten haben. Tatsächlich geben die überwiegend schlechten Platzierungen der FU im bundesweiten Vergleich Anlass zur Besorgnis. Zwar schneiden auch andere Unis mit hohem Renommee, wie die Universität Tübingen, relativ schlecht ab, doch erzielen einige Universitäten auch sehr gute Werte: Vor allem Hochschulen in den neuen Bundesländern und südlich des Weißwurstäquators bilden ihre Studierenden schneller aus. Da ist die Prognose des Wissenschaftsrats, dass sich das Studienverhalten und damit die Studienzeiten in den neuen Ländern denen im Westen angleichen werden, nur ein schwacher Trost. Was ist zu tun? Woran sollten sich die Bildungsplaner hüben und drüben orientieren? Verstohlen schauen einige nach Bayern. Dort wird unzweifelhaft zügiger studiert: Wer in München oder Würzburg ein Studium beginnt, ist voraussichtlich mehrere Semester schneller mit der Ausbildung fertig als die Kommilitoninnen und Kommilitonen in Berlin. Nicht nur die FU, sondern auch die Humboldt-Universität und die Technische Universität schneiden im Studienzeit-Ranking eher schlecht ab. Zwar wissen alle Insider, dass die Länge eines Studiums wenig über dessen Qualität aussagt, gleichwohl hüten sie sich davor, den Befund zu ignorieren, denn die Studiendauer ist in der öffentlichen Wahrnehmung ein wichtiger Aspekt bei der Gesamtbewertung einer Universität. In Zukunft hat die durchschnittliche Studiendauer auch weitreichende und direkte Konsequenzen für die Haushalte der Berliner Universitäten. Die Mittelzuweisung durch den Senat wird künftig anhand zahlreicher Indikatoren vorgenommen. Zu den leistungsabhängigen Indikatoren zählt auch die Studiendauer. Studierende mit langen Studienzeiten schmälern also die Einkünfte der Unis.

Über die Gründe für die traditionell langen Studienzeiten in Berlin ist schon viel spekuliert worden: Die Verlockungen der Großstadt, hört man immer wieder, würden die jungen Menschen all zu sehr von ihren Studienpflichten ablenken. Da stellt sich allerdings die Frage, weshalb es in München und Dresden schneller geht. An der fehlenden Sperrstunde kann es doch allein wohl nicht liegen. Und auch das Argument von den höheren Lebenshaltungskosten, die zum Jobben zwingen, was wiederum die Studienzeit verlängere, verfängt nicht. München ist bekanntlich noch teurer als Berlin, und auch in ostdeutschen Großstädten ist das Studium inzwischen nicht mehr für ‘n Appel und ‘n Ei zu haben. Die äußeren Rahmenbedingungen des Studiums – soviel lässt sich feststellen – bedingen nicht zwangsläufig ein bestimmtes Studienverhalten. Ursachenforschung sollte deshalb primär nach innen gerichtet sein. Wie ist der Studienbetrieb organisiert? Bauen Lehrveranstaltungen inhaltlich aufeinander auf oder stehen sie beziehungslos nebeneinander? Werden Studierende von ihren Professoren systematisch angeleitet oder sind sie ihnen nur eine (Über)last?

Auffällig ist, dass die FU nirgendwo durch besonders kurze Studiendauern glänzen kann, allein einige Platzierungen im gehobenen Mittelfeld zeigen, dass auch an der FU flott studiert werden kann. Gerade bei weitgehend „verschulten“ Studienfächern wie Human- oder Veterinärmedizin sieht die FU nicht schlecht aus, auch in Biochemie und Physik schließen die meisten Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit plus zwei Semester Toleranz ab. In den letztgenannten Fächern wollen die Lehrenden, dass die Studierenden nach möglichst kurzer Zeit ins Examen gehen: Folglich mangelt es auch nicht an professoraler Unterstützung.

Finster sieht es demgegenüber in vielen anderen Fächern des geistes- und sozialwissenschaftlichen Spektrums der FU aus. Oft bilden sie sogar das Schlusslicht des Berliner Bummelzugs. Das ist zwar alles andere als erfreulich, aber auch kein Grund zur Panik, denn die Platzierungen der Berliner Universitäten in diesem Ranking sagen nur wenig über das tatsächliche Studienverhalten des Berliner Durchschnittsstudierenden aus. Dieser verhält sich – studientechnisch betrachtet – durchaus normal. Was in der Statistik negativ zu Buche schlägt, ist der hohe Anteil an Langzeitstudierenden in Berlin, die 20 bis 30 Semester auf dem Buckel haben. Sie verschlechtern deutlich die Durchschnittswerte. Realitätsnäher und deshalb aussagekräftiger sind Betrachtungen, die diesen statistischen Verzerrungen vorbeugen: Betrachtet man die Zeit, nach der 50 Prozent der Studierenden ihren Abschluss bereits in der Tasche haben, erhält man den sogenannten Medianwert. Die Medianwerte der Studienzeiten in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen an der FU sind zwar meistens auch noch höher als die an anderen Hochschulen, aber sie liegen deutlich näher am Bundesdurchschnitt als die undifferenzierte statistische Ermittlung. Dieses veranschaulicht auch die unten stehende Tabelle der Medianwerte einiger ausgewählter FU-Studiengänge im Jahr 1998. Sind die aufgeregten Kommentare in den Berliner Zeitungen deshalb unbegründet? Wohl kaum. Die FU-Nachrichten wollten wissen, wie das Präsidium die Lage einschätzt. Uwe Nef und Niclas Dewitz sprachen darüber im nachfolgenden Interview mit der Vizepräsidentin Prof. Dr. Gisela Klann-Delius.

Illu: Unicom/Latterman

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