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FU-N 5/2000
Wissenschaft
   

Wissenschaftler von FU und TU
arbeiten gemeinsam an der

Hanns Eisler Gesamtausgabe

Eine neue Gesamtausgabe soll die musikalischen und literarischen Werke des Komponisten Hanns Eisler umfassend und mit kritischer Kommentierung zugänglich machen. Das haben sich Wissenschaftler der Freien Universität und der Technischen Universität jetzt vorgenommen. Dabei wollen sie auch die unterschiedlichen Forschungen und Ausarbeitungen zum Thema aus beiden Teilen Deutschlands einbeziehen. Hauptquelle ist die Stiftung Archiv der Akademie der Künste. Dieses Archiv hat nach Auflösung der Forschungsabteilung der Akademie der Künste der DDR den Eisler-Nachlass übernommen. Die Berliner Sammlung enthält den Hauptteil des Quellenmaterials (rund 23.000 Blätter an Noten und Schriften) sowie Briefe, zeitgenössische Fotos und Drucke.

An dem neuen Forschungsprojekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, sind die Bereiche Musikwissenschaft und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft beteiligt. Die Forscher rechnen mit zwanzig Jahren Arbeit an den geplanten 52 Bänden in zwölf Serien. Herausgeber wird die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft e.V. (IHEG) sein; die Edition liegt bei Prof. Dr. Gert Mattenklott vom Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität und Prof. Dr. Christian Martin Schmidt vom Institut für Musikwissenschaft der Technischen Universität sowie Dr. Albrecht Dümling von der IHEG.

Tobias Faßhauer/Anne Schillo

Hanns Eisler (1898-1962) gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Arnold Schönberg zählte ihn zu seinen wichtigsten Schülern neben Alban Berg und Anton Webern.

Sein Konzept einer politisch eingreifenden und kompositionstechnisch hochentwickelten Musik hat weit über die Arbeiterbewegung der zwanziger Jahre, in deren Zusammenhang es entstanden war, Wirkung entfaltet. Großen Stellenwert erhielten dabei die Bereiche Theater und Film. Seine Schriften, von denen einige in Zusammenarbeit mit Theodor W. Adorno, Ernst Bloch und Bertolt Brecht entstanden, haben dem Denken über die gesellschaftliche Bedeutung von Musik wesentliche Impulse gegeben. Der in Leipzig geborene Komponist verbrachte den größten Teil seines Lebens in Berlin. Nach Jahren des Exils in Dänemark, England und den USA kehrte er 1949 in die Stadt zurück, deren Musikleben er bereits zwischen 1925 und 1933 nachhaltig geprägt hatte. In der DDR sah er eine historische Alternative zu einer Entwicklung Deutschlands, die zu zwei Weltkriegen geführt hatte. Seine letzten Lebensjahre waren allerdings von Skepsis und kritischer Distanz geprägt.

Hanns Eisler hat häufig verschiedene Fassungen von Kompositionen eingerichtet, um damit geänderten Aufführungsbedingungen bzw. -zielen Rechnung zu tragen. Aus historischer Sicht – zumal angesichts der 'bewegten Zeiten', in denen Eisler lebte und arbeitete – fällt es mitunter schwer, eine bestimmte Fassung einer anderen als vermeintlich 'endgültigere' bei der Edition vorzuziehen. Auch bei den Schriften stellt sich die Frage nach dem Umgang mit den Textfassungen, die unterschiedliche Fassungen repräsentieren wie Vorträge, Zeitungsartikel, Reden oder Interviews. Die Hanns Eisler Gesamtausgabe formuliert deshalb in ihren Richtlinien als Ziel "die Wandlungen des Werks als seine Geschichte darzustellen und verschiedene Fassungen so als Dokumente unterschiedlicher ästhetischer und zeitgeschichtlicher Positionen zugänglich zu machen".