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FU-N 5/2000
Wissenschaft
   

Neue computergestützte Analysemethode:
Das 2D Gel Matching
Von Sternenbildern zu Proteinspots

Von Claudia Kurreck

Es gibt neue Hoffnung für Patienten mit Herzkrankheiten. Anlass dazu gibt eine neue computergestützte Analysemethode, das "2D Gel Matching". Die Arbeitsgruppe für Theoretische Informatik von Professor Helmut Alt an der Freien Universität Berlin hat in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin (Gruppe von Prof. Fleck) eine spezielle Computersoftware CAROL entwickelt. Diese unterstützt die Analyse von sogenannten 2-dimensionalen Gelelektrophoresebildern und hilft damit, die molekularen und genetischen Ursachen von Herzkrankheiten aufzudecken. "Auf den Gelbildern, die durch hochauflösende Gelelektrophoresetechniken gewonnen werden, können Proteinveränderungen des Herzgewebes erkannt werden", berichtet Klaus Kriegel, wissenschaftlicher Mitarbeiter dieses Projektes. Es wird versucht, die für spezielle Herzkrankheiten typischen Proteinveränderungen zu finden, um z.B. die gezielte Medikamentenentwicklung zu unterstützen, so Kriegel weiter.

Die Herstellung dieser Gelbilder hat sich bei den Biowissenschaftlern im Laufe der Jahre als eine wichtige molekularbiologische Methode durchgesetzt. Bei der 2D Gelelektrophorese wird ein Proteingemisch in zwei Schritten (nach Ladung und Molekulargewicht) hochauflösend aufgetrennt. Mit ihrer Hilfe ist es somit möglich, Protein-Komponenten von Gewebeproben zu analysieren. Auf den Gelbildern befinden sich bis zu 5000 Flecken, die Spots. Jeder dieser Spots entspricht, grob gesagt, einem bestimmten Protein in dem zu untersuchenden Gewebe. Das Protein, das zu einem Spot gehört, kann massenspektrometrisch analysiert werden, was jedoch kostenintensiv ist. Gelbilder von vergleichbaren Proben ähneln sich hinsichtlich ihrer Geometrie (also der Lage der Spots zueinander) sowie der Spotintensitäten. Daher können mittels des visuellen Vergleichs zweier Gelbilder die in einem Bild bekannten Proteine auf das andere Bild übertragen werden. Diesen Prozess nennt man "Gel Matching". Auf diese Art kann man auch auffällige, d.h. von ihrer Standardausprägung abweichende Proteinspots in Gelbildern von Patienten identifizieren. Bisher war das Gel Matching eine sehr zeitaufwendige Arbeit für Spezialisten. Mit zwei Stunden für einen Gelvergleich musste auf jeden Fall bei dieser Art der Auswertung per Auge gerechnet werden. Wenn man sich die schnell wachsende Anzahl der 2D Gelbilder – beispielsweise von Herzpatienten – vor Augen führt, wird klar, warum die Biowissenschaftler und Mediziner diese Auswertung zumindest teilweise automatisieren wollten. So ist das Deutsche Herzzentrum mit der Bitte an die Arbeitsgruppe von Helmut Alt herangetreten, eine entsprechende Software zu entwickeln. Denn für die bislang erhältlichen, kommerziellen Softwarepakete müssen mindestens 15 000 Mark ausgegeben werden, und diese sind auch noch an spezielle Gerätetechnik und Rechner gekoppelt, die ebenfalls anzuschaffen wären.

Aufgefallen ist dem Herzzentrum die Gruppe von Helmut Alt durch ein anderes Projekt. "Vor einigen Jahren entwickelten wir in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität eine Software, die sich mit der Lokalisierung von Sternenbildern im Sternenatlas beschäftigte, einer Frage, die für die selbständige Orientierung von kleinen Forschungssatelliten in der Umlaufbahn wichtig ist. Da hier der Vergleich von lokalen Sternbildern den Algorithmen zugrunde lag, dachten die Spezialisten im Herzzentrum, das Gel Matching könnte auf ähnliche Art und Weise erfolgen", schmunzelt Klaus Kriegel. Obwohl die Aufgabenstellungen tatsächlich ähnlich sind, war jedoch klar, dass hier anders herangegangen werden musste. Denn auf den Gelbildern treten prinzipielle Schwierigkeiten auf, die bei der Auswertung der Sternenbilder keine Rolle spielen. Diese liegen darin begründet, dass die 2D Gelelektrophorese eine komplizierte, störanfällige Handarbeit aus dem Labor ist, so dass sogar zwei Gele der gleichen Probe nie identisch sind. Besondere Probleme bereiten die dadurch auftretenden geometrischen Verzerrungen der Spotmuster. Eine weitere Fehlerquelle sind die Färbemethoden, mit denen die Spots auf den Gelen sichtbar gemacht werden.

Der computergestützte Gelbildvergleich wird in zwei Schritten durchgeführt. Nach dem Einscannen der Gelbilder wird mit Bildverarbeitungstechniken das Hintergrundrauschen beseitigt und die Koordinaten und Intensitäten der Spots bestimmt. Die Gel Matching Aufgabe wird dann reduziert auf den Vergleich von geometrischen Punktmustern, der dann mit Hilfe von Techniken aus der algorithmischen Geometrie durchgeführt wird. Die aktuelle Version von CAROL ist im Internet frei zugänglich unter http://gelmatching.inf.fu-berlin.de und erfreut sich schon jetzt großer Beliebtheit. "Wir beobachten jede Menge Zugriffe auf das Programm im Internet", berichtet Kriegel stolz. Aus dem Dialog mit den Nutzern ergaben sich wertvolle Anregungen, die in verfeinerten Algorithmen in das Programm einfließen sollen.

Dieses interdisziplinäre Projekt zwischen Informatik und Medizin besteht seit drei Jahren und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Ende dieses Jahres wird die Förderung seitens der DFG jedoch auslaufen. Allerdings haben bereits zwei Firmen ihr Interesse an der Software bekundet, so dass die Gruppe von Prof. Alt zusammen mit dem Herzzentrum in dieser Richtung weiter verhandeln wird. Insgesamt arbeiten vier wissenschaftliche Mitarbeiter, Mathematiker, Informatiker und ein Biologe sowie mehrere Studenten an diesem Projekt.

Der große Vorteil der auf 2D Gelen basierenden Analyseverfahren besteht darin, dass Proteinproben aus den unterschiedlichsten Geweben von Menschen und Tieren auf die gleiche Art und Weise untersucht werden können. Die große Bedeutung der Gelelektrophorese innerhalb der Proteinforschung ("Proteomics") besteht darin, dass die entwickelten Analyseverfahren universellen Charakter haben, weil sie für unterschiedlichste Ausgangsproben gleichermaßen angewendet werden können. So können nicht nur Herzpatienten auf eine schnellere und gezieltere Therapie hoffen. Auch bei anderen Krankheiten, für die zugehörige Proteinveränderungen festgestellt werden können, besteht somit Grund zur Hoffnung.