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FU-N 1-2/2000
Meinung

Muss ein Professor Beamter sein?

Leserbriefe

   
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Muss ein Professor ein Beamter sein?


Er war nicht der Erste, der das sagte. Aber inzwischen meldete auch der Bundeskanzler Zweifel daran an, ob ein Professor Beamter sein müsse. Das meldeten die Zeitungen Mitte Januar. Wir wissen zwar nicht genau, was Schröders Zuhörer in Bad Oldesloe damit anfangen konnten, wir hoffen jedenfalls, dass den Leserinnen und Lesern der FU-Nachrichten die derzeit – mal mehr mal weniger temperamentvoll tobende – Debatte nicht ganz ungeläufig ist. Wer jedoch noch etwas Unterstützung beim Meinungsbilden braucht, dem sei hier geholfen: Vier Stimmen zum Thema sind hier vertreten, aus jeder der sogenannten Statusgruppen an der FU je eine. Leider gelang es uns trotz vielen Fragens nicht, eine Stimme für die Beibehaltung des Beamtenstatus von Professoren hörbar werden zu lassen – aber wir machen weiter: Die FU-Nachrichten freuen sich über Leserpost.

Fließende Wasser verfaulen nicht

Die Frage, ob ein Professor Beamter sein muss, wurde bereits vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Hochschulreform aufgeworfen. Ich sehe in dieser Fragestellung in erster Linie den zunehmenden allgemeinen Zweifel an der Reformfähigkeit des deutschen Beamtentums, welches sich bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in den preußischen Verwaltungsapparaten verfestigt hatte. Auch in den Hochschulen hat sich die Beamtenschaft seit mehreren Jahrzehnten ebenfalls etabliert und ist versteinert. Das einst von Max Weber als lobenswerte "moderne Bürokratie" bezeichnete Beamtentum hat zwar in der Geschichte eine positive Rolle – insbesondere im Verwaltungswesen gespielt. Im Lauf der Zeit scheint das System in mancher Hinsicht jedoch längst veraltet zu sein, vor allem, was das "Hochschulbeamtentum" angeht. Der Zweifel an der Anpassungsfähigkeit des Hochschulbeamtentums im Prozess der Globalisierung verdichtet sich um so mehr, je klarer man erkennt, wie der Ruf der deutschen Universitäten im Vergleich zu denen anderer Industrieländer schwindet: Es ist uns nur allzu bekannt, dass in Deutschland im Durchschnitt doppelt so lange studiert wird wie in Nordamerika oder auch in Holland. Es gibt keine einzige deutsche Universität, die heute noch im Weltmaßstab einen ähnlichen Rang behaupten kann, wie das die deutschen Universitäten vor dem Ersten Weltkrieg gekonnt haben.

Sicherlich ist nicht allein die Hochschulbeamtenschaft an der Gesamtmisere schuld. Die heutige Hochschullandschaft ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen Menschen und Institution in einer Wohlstandsgesellschaft, deren Struktur in einem globalen Wettbewerb kaum überlebensfähig ist. Diese lässt sich – um vorerst nur zwei Aspekte zu nennen – erstens dadurch kennzeichnen, dass die deutschen Bundesländer beispielsweise so gut wie keine Kulturhoheit besitzen. Die 16-köpfige Kulutsministerkonferenz (KMK) versucht alles nach den gleichen Schemata zu regeln. Dies führt unvermeidlich zur "Einheitlichkeit" der deutschen "Massenuniversitäten". Von einem Wettbewerb zwischen Ländern bzw. Unis kann keine Rede sein. Der Spielraum der eigenständigen Verwaltung der Universität ist sehr gering – was dem liberalen Geist des Grundgesetzes nicht entspricht.

Zweitens zeigt sich diese wettbewerbunfähige Struktur in der wenig flexiblen Form des Studiums. Die Magister-Graduierungen haben ohne Zweifel zu einer für viele Studierenden unnötigen Länge des Studiums beigetragen. Es stellt sich die Frage, ob in vielen Fällen ein Bachelor-Abschluss nicht viel sinnvoller ist als Magister oder dergleichen.

Was nun das Hochschulbeamtentum angeht, so ist zunächst eine grundsätzliche Frage zu beantworten: Ist eine Universität – vor allem in Bezug auf das Lehren – ein Quasi-Dienstleistungsbetrieb? Heutzutage würde man dazu tendieren, diese Frage zu bejahen. Nun gibt es in einem Dienstleistungsbetrieb die "Konsumenten", das sind also Studenten, die berechtigt sind, die Qualität der Lehrkräfte einschließlich Professoren zu beurteilen. In Sachen Forschung sollten die Lehrkräfte der jeweiligen Universität ebenfalls verpflichtet sein, ihre Forschungsergebnisse von Zeit zu Zeit vorzulegen. Was passiert, wenn die Lehrqualität der Anforderung der "Konsumenten" nicht entspricht und zugleich die Forschungsergebnisse Null oder fast Null sind? Ob innerhalb eines Beamtensystems ein wirkungsvoller Sanktionsmechanismus möglich ist?

Angesichts der inflexiblen Daseinsform des gegebenen Beamtentums findet sich zu den oben gestellten Fragen keine tragfähige Lösung. Also, die Antwort muss man über das Beamtentum hinaus suchen. D.h. im Klartext, ein Professor soll und kann durch andere abgelöst bzw. "de-graduiert" werden, für den Fall, dass er nicht imstande ist, entsprechende "Dienstleistungen" zu bieten.

Für die Abschaffung des Hochschulbeamtentums lässt sich darüber hinaus damit argumentieren, dass sich eben dadurch mehr Chancen für die promovierten Menschen bieten, die zwar durchaus fähig sind, aber wegen der zu hohen und schmalen Schwellen der wenigen Professorenstellen im Leben ihren akademischen Traum sonst nie verwirklichen werden. (Sicherlich muss in Deutschland ein Mechanismus geschaffen werden, um die Inflation von promovierten bzw. habilitierten Menschen zu vermeiden – Dies steht allerdings auf einem anderen Blatt).

Es gibt im Chinesischen ein Sprichwort: "Fließende Wasser verfaulen nicht". Eine Universität soll nach heutigem Verständnis ein Fluss sein, wo die Lehrkräfte wie das fließende Wasser motiviert sind, durch das "Fließen" ständig "frisch" zu bleiben. Der Gegenteil wäre ja ein stiller Teich, in dem das Wasser die Fähigkeit zur Selbstregenerierung verloren hat und verfault – ein Bild, welches bis zu einem gewissen Grad dem deutschen Hochschulbeamtentum entspricht.

Dr. Junhua Zhang, Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften


Leistungsbereiter Angestellter

Nach meiner Auffassung müssen Professoren keine Beamten sein. Wozu auch? Es ist weder nötig noch zeitgemäß.

Die Notwendigkeit von Beschäftigungsverhältnissen mit Beamtenstatus wird im Wesentlichen damit begründet, dass dies für die Erfüllung sogenannter hoheitlicher Aufgaben notwendig sei. Der Staat brauche eine Gruppe von Beschäftigten, auf die er sich jederzeit stützen können müsse – für die insbesondere das Streikrecht nicht besteht.

Wir leben aber in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen, das als offene Gesellschaft organisiert ist. Hoheitliche Aufgaben erstrecken sich meines Erachtens nur auf wenige Berufsgruppen und Funktionsträger wie etwa Polizei, Armee oder Spitzenleitungskräfte in der öffentlichen Verwaltung.

Den Bildungsbereich insgesamt zähle ich nicht dazu. Ein Angestellter – ob an Schule oder Universität – muss Schülern und Studierenden Bildung genauso verantwortungsvoll und leistungsbereit vermitteln, wie er oder sie jede andere berufliche Tätigkeit in der Privatwirtschaft oder in der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen hätte.

Nach meiner Kenntnis sehen das Professorinnen und Professoren heute genau so.

Wolfgang Röcke, Zentrale Universitätsverwaltung, Abteilung V – Studium und Lehre


McCarthy, der Treue-Eid und die Universität

Es gibt Leute, die betrachten die Entbeamtung von Professoren als Allheilmittel gegen die Ausstattungsmängel der Hochschulbildung in Deutschland, andere suchen das Heil in Studiengebühren. Aber die Einkünfte deutscher Professoren sind nicht exorbitant (verglichen mit Einkünften in der Wirtschaft oder mit Professorengehältern z.B. in den USA), und eine Reform ihres Beschäftigungsverhältnisses würde das Einkommensniveau nicht ändern. Allerdings hielte ich es für ein Katastrophe, die Bezahlung allein nach starren bürokratischen Regeln von Rang und Dienstjahren zu bemessen.

In den USA ist eine Festanstellung im akademischen Bereich (academic tenure) die Auszeichnung für diejenigen, die Forschung und Lehre dem Standard ihrer Institution gemäß betreiben – in der Regel nach zwei Drei-Jahres-Verträgen.

Allerdings sind die Standards sehr unterschiedlich, und die Hürde zur Festanstellung liegt in Stanford höher als an der University of Texas und dort höher als an der Ohio University. Die Entscheidung über eine Festanstellung wird innerhalb der akademischen Institution entschieden, nicht jenseits ihrer Mauern.

Im Wesentlichen verfolgt die Festanstellung zwei Ziele: die Sicherung der akademischen Freiheit eines jeden gemäß seinen/ihren Fähigkeiten zu lehren und zu schreiben, zum anderen schafft man eine Beschäftigungssicherheit für (dienst)ältere Kollegen, deren Seminare auch von jüngeren, d.h. billigeren, Kollegen gehalten werden könnten.

So unterschiedlich die Standards für die Festanstellung in amerikanischen Hochschulen sind, so unterschiedlich werden Verdienststeigerungen und Beförderungen gehandhabt, um Spitzenqualität in Forschung und Lehre zu fördern. In jährlichen Beurteilungen werden die Leistungen in Forschung, Lehre und Verwaltung von den Abteilungschefs und charakteristischerweise von einem Exekutivausschuss dienstälterer Kollegen bewertet. Die Kombination von Festanstellung, konsequenter Beurteilung und leistungsbezogenen Verdienststeigerungen scheint in den Vereinigten Staaten im System öffentlicher und privater Universitäten gut zu funktionieren. Auf keinen Fall braucht eine funktionierende Universität verbeamtete Professoren.

Der Beamtenstatus der deutschen Professoren garantiert natürlich eine enorme Freiheit in Forschung und Lehre. Mit der Urkunde in der Hand gibt es nichts mehr, was nicht gelehrt und nichts mehr, was nicht geschrieben werden könnte – obwohl viele Seminare ruhig ungehalten bleiben könnten. Mit der Urkunde in der Hand muss sich kein Professor vor dem Tag fürchten, an dem das Feuer der akademischen Leidenschaft erlischt.

Es ist wie in dem Witz: Was macht man mit dem Bratschisten, wenn er stirbt? Man setzt ihn in die letzte Reihe. Ein nicht aktiver Kollege (oder ein schlecht arbeitender kleiner Beamter in der Universitätsverwaltung) hat keine ernsthaften Sanktionen zu befürchten. Das Problem ist nicht so sehr die Unabhängigkeit des verbeamteten Professors, sondern es sind die fehlenden Instanzen für die Überprüfung der Leistung, der Verdienststeigerung und der Beförderung.

Aber eigentlich interessiert mich mehr die staatliche Hebammentätigkeit bei der Geburt eines Beamten-Professsors. Sobald der Staat Alimentierung und Versorgung gewährleistet, hat er auch das Recht akademische Stellenbesetzungen zu prüfen und sogar das Recht, einen Treue-Eid zu verlangen. Die Vorstellung von einem Professor, der einen solchen Treue-Eid schwört, finde ich hochgradig beunruhigend. Mich erinnert das an die McCarthy-Ära in den USA, als solche Eide in vielen Universitäten gefordert wurden.

Bestenfalls sind solche Eide irrelevant; aber sie haben keinen Platz in Institutionen, die der Wahrheit und der Weitergabe menschlichen Wissens verpflichtet sind.

Bei der Ernennung zu Beamten geht es um direkte politische Einflussnahme. In Zeiten expandierender Universitäten gab es sicher Kapazitätsgrenzen behördlicher Einmischung, aber heutzutage werden die wenigen Berufungen intensiv von "Oberbeamten" außerhalb der Universität geprüft. Mir sind noch keine Vorteile der Begutachtung durch die Verwaltung untergekommen, aber ich habe das sinnlose Hinschlachten potenzieller Kandidaten für die Götter der Bürokratie erlebt.

Schließlich glaube ich, dass der Beamtenstatus die Einführung privat finanzierter Lehrstühle innerhalb unserer öffentlichen Einrichtungen behindert: eine mögliche Quelle des Wachstums für unsere Universitäten. Professoren sollten dieselben Rechte und Pflichten haben – unabhängig davon, woher ihr Geld kommt. Und wenn wir auch in Deutschland nicht bald eine gesunde Mischung von öffentlichen und privaten Universitäten haben werden, so können wir wenigstens versuchen, diese Mischung innerhalb unserer vorhandenen öffentlichen Hochschulen zu fördern.

Prof. Irwin Collier, Ph.D., Fachbereich Wirtschaftswissenschaft


Hire and Fire?

Für eine Abschaffung des Beamtenstatus wird oft gerade von Seiten der Studierenden plädiert, wenn wieder einmal ein Hochschullehrer durch Abwesenheit glänzt oder ein sichtlich zur Schau getragenes Desinteresse an studentischen Belangen zeigt. Doch das sind Ausnahmen und solches Verhalten ließe sich durch eine konsequente Anwendung vorhandener disziplinarrechtlicher Instrumente lösen, ohne dass darin gleich eine Gefahr für die Freiheit der Forschung und Lehre gesehen werden kann.

In letzter Zeit wird jedoch mit der bisherigen Hochschulstruktur der Beamtenstatus für Hochschullehrer in Frage gestellt. Hochschulausbildung ist staatliche Hoheitsaufgabe. Demnach steht es dem Staat auch frei, dies nach herkömmlichen Organisationsstrukturen aufzubauen. Ein Beamter soll durch seine Dienststellung frei, unabhängig und vor allem unbeeinflussbar seine Tätigkeit ausüben können.

Doch kann dies ein Hochschullehrer nicht auch als Angestellter? Als Argument für die Beibehaltung des Beamtenstatus wird häufig angeführt, dass die Freiheit von Forschung und Lehre nur in dieser Form garantiert werden könnte; angestellte Hochschullehrer seien erpressbar. Die Ausrichtung der Forschung könnte zudem durch politische Vorgaben bei der Suche nach Dozenten in bestimmte Richtungen geleitet werden, bzw. wirtschaftliche Interessen könnten bei der Auswahl eine immer größere Rolle spielen. Doch ist das nicht schon jetzt so ? Wer bestimmt über Berufungsverhandlungen und wer führt sie? Wird nicht hier schon eine Auswahl getroffen? Wer tritt den Weg zum Hochschulprofessor an? Werden nicht schon durch Vorauswahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Habilitanden genehme Leute herausgefiltert? Liegt politische Einflussnahme nicht schon beim jetzigen System vor? Werden missliebige Professoren nicht schon jetzt z. B. durch knappe Ausstattung verprellt?

Wie sähe das aus bei privatrechtlicher Ausgestaltung? Liegt hier die Gefahr von "hire and fire" nahe? Angestellt wird nur, wer die richtige politische Meinung hat oder nur, wer marktwirtschaftlich erfolgversprechende Forschungsziele verfolgt? Ist die wirtschaftliche Orientierung nicht ein falscher Weg? Gegen politische Einflussnahme muss man sich zur Wehr setzen. In einer Universität müssen alle politischen Meinungen zu Wort kommen. Die Universitäten müssen sich stärker wirtschaftlich orientieren, denn die staatliche Finanzierung wird immer weniger.

Die Erschließung neuer Einnahmequellen muss nicht zwangsläufig zu Lasten kostenintensiver Bereiche gehen – es kommt auch auf die Umverteilung der Mittel an.

Die starre Einteilung von C1- bis C4 - Professuren ist eine Ungleichbehandlung: Gute Dozenten mit einer Vielzahl von Studierenden werden genauso bezahlt wie Professoren mit weniger Studierenden. Wäre eine Bezahlung nach wissenschaftlichem Renommee, Publikationen, Fähigkeiten bzw. der Zahl der zu betreuenden Studierenden nicht gerechter? Außerdem habe ich den Eindruck, dass die wirtschaftlichen Vorteile der Forschung und Lehre zur Zeit hauptsächlich den Hochschullehrern und weniger der Universität zugute kommen. Auf wen werden Patente angemeldet? Ist die Universität am Verkauf der Lehrbücher beteiligt? Ist die Universität an neu gegründeten Unternehmen beteiligt ? – Wohl selten, eher an der Finanzierung der Vorarbeiten zu diesen Ergebnissen.

Man sollte durchaus die Abschaffung des Beamtenstatus in Erwägung ziehen. Voraussetzung dafür ist natürlich, die jetzigen gesetzlichen Grundlagen zu ändern. Die immer wieder genannten Gefahren und Nachteile sind meiner Meinung nach nicht so gravierend. Die Vorteile werden die Nachteile aufwiegen. Gegen Benachteiligungen bleiben, wenn es beim der bisherigen Ausgestaltung der restlichen Hochschulstruktur bleibt, genügend Möglichkeiten sich gegen unlautere Einflussnahmen zur Wehr zu setzen.

Dominik Stolz, Student am Fachbereich Rechtswissenschaft