Nur mit fortschrittlicher Technik und hohem Energieaufwand gedeiht Gewächshausflora / Licht, Wasser, Heizung

Die Pflanze und der Ingenieur


Es erfordert viel gärtnerisches Geschick, Pflanzen unseres mitteleuropäischen Klimas zu kultivieren, technisch interessant wird es aber besonders bei Vertretern tropischer und subtropischer Regionen. Diese Pflanzen haben sich so auf ihre klimatischen Bedingungen spezialisiert, daß sie bei uns ohne technische Hilfe nicht gedeihen würden.
Fensterglas läßt das Licht am besten durch (Foto: Ausserhofer)
Die Atlantischen Heiden, etwa der Iberischen Halbinsel, gedeihen bei uns noch im Freiland. Ihr Verbreitungsgebiet ähnelt klimatisch dem unseren. Ihnen genügt beispielsweise ein leichter Winterschutz in Form von etwas Fichtenreisig oder Juteleinwand, um Frostschäden zu vermeiden, Verluste kann es in strengen Wintern dennoch geben. Doch die Pflanzen dürfen darunter nicht ersticken. Den Schutz darf man außerdem nicht zu früh geben, denn das könnte ein zu frühes Austreiben mit Spätfrostschäden zur Folge haben.
Pflanzen subtropischer Gebiete wie zum Beispiel Oleander, Palmen, Citrus und dergleichen werden dagegen in Kübel gepflanzt, so daß sie im Winter ins Kalthaus eingeräumt werden können, nachdem sie den Sommer über im Freien standen. Ihre Standortansprüche richten sich vor allem nach den Klimabedingungen des mediterranen Raums mit der typischen Winterregenzeit und den trocken-heißen Sommern. Das bedeutet, daß diese Pflanzen bei ca. 6-8°C zu überwintern sind und das möglichst hell und luftig.
Und hier beginnen die eigentlichen Probleme: Ein Gewächshaus im Winter kühl zu halten, scheint auf den ersten Blick nicht schwierig zu sein. Doch die Einstrahlungsrate der Sonne ist auch in einigen Winterwochen selbst bei Frost sehr hoch. So steigt durch den "Glashauseffekt" - der Umwandlung der kurzwelligen Lichtstrahlung in langwellige Wärmestrahlung innerhalb des Hauses - die Temperatur zeitweise übermäßig an. Die Wärme ist unter Glas gefangen, sie muß also "entsorgt" werden, ohne daß die Pflanzen wiederum direkt der Frostluft ausgesetzt sind. Das muß man bei der Planung der Lüftungsanlagen und natürlich in der Praxis berücksichtigen.
Selbstverständlich muß auch die Heizung so dimensioniert sein, daß in einer Winternacht bei eisigem Ostwind und minus 16 °C das Haus frostfrei gehalten werden kann.
Ein Beispiel dieser sogenannten Kalthäuser ist das Mittelmeerhaus, ein herrlicher Jugendstilbau in Form einer dreischiffigen Basilika - freistehend, an exponierter Stelle im Garten weithin sichtbar, Sonne und Wind allseitig ausgesetzt.
Bei den sogenannten Warmhäusern, den Gewächshäusern, die tropische Pflanzen beherbergen, ist die Problemlage eine andere. Hier sollen eher gleichmäßige Temperaturen und eine hohe Luftfeuchte herrschen. Im Gegensatz zu den Kalthäusern wird hier auch mit Schattierungen gearbeitet, denn viele Pflanzenvertreter entstammen den Tiefen der tropischen Regenwälder. Der gesamte Raum muß warm (ca. 20 - 25 °C) und feucht sein. Das hat eine starke Schwitzwasserbildung an den Glasscheiben zur Folge. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß innerhalb von 4 mm Glasstärke oftmals eine Temperaturdifferenz von 20 bis 40 °C besteht.
Das ständig feuchtwarme Klima macht der Technik enorm zu schaffen: Es gibt Korrosion an den Stahlbauteilen, selbst tropisches Hartholz wird morsch und beginnt zu faulen. Moos und Algen entwickeln sich in den Dichtungen und auf den Glasscheiben, Feuchteschäden treten an den elektrischen Anlagen von der Automatiktür bis zur Klimatisierungsregelung auf.
So ist es nicht nur schwierig, die Natur am Leben zu erhalten, sondern es ist auch schwierig, die Technik am Leben zu erhalten, die die Natur erhalten soll.
 

Erhard Albrecht, Technischer Direktor des BGBM

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Gewächshäuser waren seit ihren Anfängen Meisterwerke der Ingenieurskunst, den üblichen Standards weit voraus. Mit fortgeschrittensten technischen Hilfsmitteln wurden künstliche Welten für anspruchsvolle Bewohner geschaffen.
Bauinspektor Alfred Koerner, der die Bauarbeiten leitete, als der Botanische Garten nach Dahlem umzog,war besonders stolz auf die Zentralheizung. "Es dürfte kaum einen anderen Heizbetrieb von gleichem Umfange geben", schreibt er 1909, "der unter Bedingungen, wie die Gärtner sie stellen, das Äußerste an Sorgfalt und Betriebsbereitschaft zu leisten hat."

Hier wird schnell geschaltet, wenn Fenster bewegt werden müssen (Foto: Ingo Haas)
Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur die Steuerung ist moderner geworden. Die Gärtner legen die Temperatur, die in den Gewächshäusern herrschen soll, fest. Die wird von Raumfühlern gemessen, worauf ein Impuls entweder an die Heizung gegeben wird, mehr zu heizen oder aber an die Motoren, die Fenster heraufzufahren.
Die Heizung ist eine ganz normale Warmwasserheizung, die Heizkörper sind Rohrschlangen, die sich an den Sockeln der Häuser ringsum schlängeln, um die Kälte von allen Seiten zu vertreiben. Die Kosten für den ununterbrochenen Heizbetrieb betragen ca. 1 Million Mark pro Jahr.
Auf den Dächern der Häuser, in denen schattiert werden muß (s. nebenstehenden Text), sind Luxmeter, die sogenannten Sonnenwächter, angebracht. Wenn es zu hell wird, werden die Jalousien automatisch  heruntergefahren. Inzwischen ist die Hälfte der Gewächshäuser vollautomatisiert, in den anderen muß noch von Hand geschaltet werden.
Das Glas, das von Sprossen aus Stahl oder Aluminium gehalten wird, ist übrigens ganz normales Fensterglas, das läßt das Licht am besten durch.
Die Wassersysteme des Botanischen Garten (vor allem für das Freiland): Es gibt Brunnenwasser aus zwei Tiefbrunnen. Für bestimmte Kulturen, z.B. Orchideen, wird Regenwasser gesammelt, wenn es daran fehlt, wird Wasser aufbereitet.
Es muß aber noch Stadtwasser (also normales Leitungswasser), "dazugekauft" werden für eine halbe Million Mark im Jahr. Insgesamt werden pro Jahr 100.000 Kubikmeter Wasser gebraucht, an manchen heißen Tagen 200.000 Liter.

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