FU Berlin - Die ChronikDie Freie Universität ist gewissermaßen ein Beweis dafür, daß der Wille Berge versetzen kann. Die Anfangsbedingungen waren denkbar ungünstig: Lehre und Forschung mußten sozusagen aus dem Boden gestampft werden, die katastrophale Raumsituation zwang zu Bescheidenheit und ständiger Improvisation. Von den 5.500 Bewerbern für das erste Semester konnten nur 2.140 aufgenommen werden. Unterrichtet wurden sie von 128 Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragten. Zunächst gab es nur drei Fakultäten: Medizin, Philosophie und Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung war bis Ende 1950 ein Teil der Philosophischen Fakultät; die vorklinischen Fächer in der Medizin konnten erst ab 1949 eingerichtet werden.
Der Wechsel des berühmten Historikers Friedrich Meinecke von der Universität Unter den Linden an die FU verschaffte der jungen Universität einen erheblichen Prestigegewinn. Er erklärte sich im November 1948 - trotz seines hohen Alters (86 Jahre) - bereit, das Amt des Rektors zu übernehmen.
Um die Entwicklung zu verdeutlichen, hat die FU:N-Redaktion nachfolgend noch einmal die wichtigsten Daten zusammengestellt:
01.02.48 Polemischer Artikel im Neuen Deutschland: Agentenumtriebe an der Berliner Universität - Der Telegraf auf der Anklagebank, in dem der Student Stolz (SPD) als Provokateur bezeichnet wird.
13.02.48 4.Tagung des zentralen Hochschulausschusses der SED. 120 Professoren, Dozenten, Studentenvertreter und Mitarbeiter der Verwaltung der Volksbildung diskutieren mit Anton Ackermann (SED) über die bisherige Politik an den sechs Universitäten in der sowjetischen Besatzungszone. Dabei weist Ackermann darauf hin, den Anteil der deutschen Hochschulen an den revolutionären Kämpfen gründlicher zu untersuchen.
30.03.48 Die Berliner Stadtverordnetenversammlung beschließt gegen die Stimmen der SED-Abgeordneten, daß Berlin dem Projekt der süddeutschen Länder eine Forschungshochschule unter deutscher Leitung zu gründen, zustimmen soll.
16.04.48 Die Studienerlaubnis an der Universität Unter den Linden wird Otto Hess, Otto Stolz und Joachim Schwarz ohne Rechtsverfahren und aus politischen Gründen entzogen.
23.04.48 Protestversammlung von 2000 Studenten im Hotel Esplanade. Otto Stolz fordert die Errichtung einer freien Universität im Westteil der Stadt.
Som. 48 Beginn von Blockade und Luftbrücke
23.07.48 Proklamation der neuen Universität unter anderem durch Prof. Ernst Reuter, gewählter Oberbürgermeister und später Kuratoriumsvorsitzender der FU.
15.11.48 Erste Vorlesung an der Philosophischen Fakultät im ersten Haus, das der FU überlassen wurde, dem ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in der Boltzmannstraße 3.
04.12.48 Gründungsfeier im Titania-Palast. Ernst Reuter übergibt als Vorsitzender des Gründungsausschusses die Freie Universität dem Rektor, dem Senat, den Professoren und der Studentenschaft.
1948 Zunächst gibt es die Philosophische Fakultät, zu der auch die mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen gehören, die Medizinische und die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.
Bereits im ersten Semester gibt es 2140 Studierende an der FU; beworben hatten sich 5500 Studenten.26.01.49 Die ehemalige Friedrich-Wilhelm-Universität Unter den Linden wird in Humboldt-Universität umbenannt.
Frühj. 49 Übergabe von im amerikanischen Sektor liegenden Gebäuden wissenschaftlicher Institute an die FU.
1949 Es werden die Vorklinik für Mediziner und Studienmöglichkeiten für Naturwissenschaftler eröffnet.
06.04.49Achtzehn Institute im Westteil Berlins, die formell noch der Universität Unter den Linden unterstehen, werden an die FU angeschlossen.
1949 gibt es 4946 Studierende an der FU
1950 Beginn des Austauschs von Studenten mit der Stanford-University im US-Staat Kalifornien; die FU verfügt heute über ein weitreichendes Netz internationaler Verbindungen.
24.11.51 Das Osteuropa-Institut wird eröffnet. Es ist das erste interfakultative Institut. Beteiligt sind Historiker, Philologen, Juristen, Geographen und Mediziner. Es soll in Berlin als dem Schnittpunkt des Ost-West-Geschehens der wissenschaftlichen Au seinandersetzung mit den Ostproblemen dienen.
01.03.52 Gründung der Universitätsbibliothek (Bis dahin zurückgestellt wegen Planung einer Wissenschaftlichen Zentralbibliothek (WZB) in der Podbielskiallee). Zunächst wurde der Aufbau der Seminarbibliotheken vorrangig betrieben. Die Bücherspenden wurden i n der Bibliotheksleitstelle im Keller der Ihnestraße 22 (Rattenkeller) gesammelt.
1952 Gründung der Veterinärmedizinischen Fakultät an der FU. Die meisten der Hochschullehrer wechseln von der Humboldt- an die Freie Universität, weshalb sich diese Fakultät als legitime Nachfolgerin der veterinärmedizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhel m-Universität betrachtet.
1953 Das bei den Historikern entwickelte Tutoren-Modell breitet sich an der gesamten FU aus; dank einer Millionenspende der Ford-Stiftung erlebt das in Deutschland neuartige System nach 1958 einen starken Aufschwung.
19.06.54 Einweihung von AudiMax und Bibliothek im durch Mittel der Ford-Stiftung errichteten Henry-Ford-Bau.
1955 wird die Amerika-Abteilung, die 1952 im Rahmen eines Seminars eingerichtet wurde, in ein eigenes Amerika-Institut umgewandelt
1956 Die FU führt als erste deutsche Universität den Magisterstudiengang ein.
1957 gibt es 10.846 Studierende an der FU
WS 60/61 Inbetriebnahme des Studentendorfes in Schlachtensee
13.08.61 Mauerbau: Vielen Studenten aus Ost-Berlin und der DDR wird der Weg an die FU abgeschnitten; in der Folgezeit beteiligen sich FU-Studenten an Fluchthilfeaktionen.
07.05.62 Eröffnung des Otto-Suhr-Instituts für politische Wissenschaft.
26.06.63 John-F.-Kennedy besucht die FU.
27.11.63 Das Amerika-Institut wird - fünf Tage nach der Ermordung des US-Präsidenten - in John-F.-Kennedy-Institut umbenannt.
1963 Gründung des Instituts für Judaistik als erstes seiner Art in Deutschland
10.12.66 Studentischer Protestmarsch gegen den Vietnamkrieg
02.06.67 Der FU-Student Benno Ohnesorg wird am Rande einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien vor der Deutschen Oper durch einen Schuß aus der Pistole eines Polizisten tödlich verletzt .
11.04.68 Der Studentenführer Rudi Dutschke wird am Kurfürstendamm angeschossen. Es kommt zu heftigen Stundentenprotesten, nicht nur in Berlin. 1979 stirbt Dutschke an den Spätfolgen des Attentats.
21.08.68 Studenten demonstrieren gegen den Einmarsch der Ostblocktruppen in die CSSR zur Niederschlagung des Prager Frühlings.
01.08.69 Ein Berliner Universitätsgesetz tritt in Kraft. AStA und Studentenparlament werden abgeschafft. Professoren verlieren vorübergehend (bis1978) die Vorherrschaft in den Universitätsgremien. Erstmals wird ein Assistent Präsident an der FU.
1969 Der erste an der FU geförderte Sonderforschungsbereich (Embryonalpharmakologie) nimmt seine Arbeit auf.
1972 gibt es 22.381 Studierende an der FU.
13.02.73 Eröffnung der Rostlaube als Institutsgebäude für einen Großteil der Geistes- und Sozialwissenschaften (Baubeginn 1967); in den 80er Jahren wird das Problem der Asbestsanierung akut.
1975 Die Bauarbeiten für die Silberlaube mit der neuen Mensa beginnen.
1978 Der erste Abschnitt der Silberlaube wird bezogen.
1979 Wiedereinführung der Verfaßten Studentenschaft
1.4.1980 Die Pädagogische Hochschule (PH) in Lankwitz wird in die Berliner Universitäten (FU, TU, HdK) integriert. Das PH-Gelände in Lankwitz wird der FU zugeordnet. Rund 50 Prozent der ca. 5000 PH-Studenten und etwa 45 Prozent der Professoren wechseln an die FU.
1982 Der zweite Abschnitt der Silberlaube wird bezogen.
1983 gibt es 50.298 Studierende an der FU, d.h. ihre Anzahl hat sich in weniger als zehn Jahren mehr als verdoppelt.
1983 Der Standort Lankwitz wird von FU-Einrichtungen bezogen. Die Geologie, die Geophysik und die Paläontologie sowie die Kommunikationswissenschaften und die Zentraleinrichtung für Audiovisuelle Medien (ZEAM) wechseln in die ehemaligen PH-Gebäude.
Die Um- und Anbauten für Labors etc. der Geowissenschaftler dauern bis 1992. (Die Geographie wird im Frühjahr 1998 dazukommen.)
1985 Am Fachbereich Politische Wissenschaft wird ein deutsch-französischer Politikstudiengang eingerichtet.
04.12.88 40-Jahrfeier an der FU; Studentenproteste machen die Probleme einer überlasteten Universität deutlich.
09.11.89 Fall der Mauer
1991 Die Zahl der Immatrikulierten übersteigt die 60.000.
WS 91/92 Mit 62 072 Studierenden erreicht die FU ihren Höchststand und wird (nach der Universität München) die zweitgrößte Universität in Deutschland.
1992 Die Veterinärmedizin wird unter dem Dach der FU zusammengeführt. Die Zuordnung ist zunächst auf fünf Jahre befristet.
1993 Der Berliner Senat beschließt, die Studienplätze an der FU bis zum Jahre 2003 um 10.000 zu reduzieren.
1994 Einführung einer obligatorischen Prüfungsberatung (damit Abwehr von Studiengebühren für Langzeitstudierende). 25 Prozent der FU-Studenten müssen erstmals wegen Überziehens der Regelstudienzeit zur Prüfungsberatung. Die Studentenzahl sinkt von 58.160 i m Sommersemester 95 auf 49.144 im Sommersemster 96. Die Veränderung bewirkt außerdem einen deutlichen Anstieg der abgelegten Prüfungen, die Verpflichtung und größere Beteiligung von Professor(inn)en an Studien- und Prüfungsberatung, einen Klimawechsel z u gunsten von mehr Beratungs- und Betreuungsaktivitäten.
1994 Einführung des Teilzeitstudiums
01.01.95 Die Fachbereiche Universitätsklinikum Benjamin Franklin und Grundlagenmedizin werden im Fachbereich Humanmedizin zusammengeführt, das Universitätsklinikum Rudolf Virchow an die Humboldt-Universität überführt.
01.04.95 Botanischer Garten und Botanisches Museum werden Teil der FU.
1996 Senat und Abgeordnetenhaus beschließen weiteren drastischen Abbau von Studienplätzen. Von der FU wird u.a. die Schließung der Zahnmedizin und der Informatik verlangt.
1996 Nachdem mehrere Verwaltungsgerichte die Vorgaben des Haushaltstrukturgesetzes als nicht verfassungsgemäß gerügt haben, reicht die FU Beschwerde beim Berliner Verfassungsgericht ein. (Die Entscheidung steht noch aus.)
1997 Die Veterinärmedizin wird endgültig der FU zugeordnet.
1997 Veränderungen der Studienbedingungen durch: Einführung einer generellen Freiversuchsregelung; Anpassung an die Regelungen des European Credit Transfer System (ECTS), Einführung von Promotionskollegs (die FU hat hier bundesweit eine Vorreiterrolle).
1997 Erster zweisprachiger Bachelor-Master-Chemiestudiengang
1997 Die FU und das Land Berlin einigen sich vertraglich auf einen Finanzierungsrahmen bis zum Jahr 2000.
WS 97/98 Massive Studentenproteste gegen die Einsparungen im Bildungsbereich wie Demonstrationen, Streik etc. Sie stoßen damit auf breite Zustimmung bei Professoren, Politikern und der Bevölkerung.
Heute ist die FU trotz der bereits umgesetzten Sparmaßnahmen immer noch eine der größten Universitäten der Bundesrepublik. Allerdings sind von den 43.400 Studienplätzen nur noch 28.500 voll ausfinanziert. Es gibt 88 Studiengänge, 48 davon sind zulassungsbeschränkt. An 18 Fachbereichen mit rund 150 Instituten, vier Zentralinstituten und sieben Zentraleinrichtungen lehren und forschen: 659 Professor(inn)en (davon 108 in der Medizin), sechs Stiftungsprofessoren, ca. 1.860 Akademische Mitarbeiter/innen, 526 Privatdozent(inn)en und außerplanmäßige Professor(inn)en. Dazu kommen noch ca. 1.600 Studentische Hilfskräfte und ca. 800 Drittmittelbeschäftigte.
In Verwaltung, Krankenpflege etc. sind 6.700 Sonstige Mitarbeiter/innen beschäftigt, davon 3.800 im Fachbereich Humanmedizin.
Die wissenschaftliche Reputation ist nicht zuletzt durch acht Sonderforschungsbereiche (sechs naturwissenschaftliche, zwei in der Humanmedizin) und sieben Graduiertenkollegs sowie durch einen Drittmitteletat von 109 Mio DM ausgewiesen.
Der Jahresetat setzt sich außerdem aus ca. 800 Mio DM Staatszuschuß und ca. 320 Mio DM Einnahmen aus der Krankenversorgung zusammen.
Nach dem Vertrag zwischen der FU und dem Land Berlin geht der Landeszuschuß für die nichtmedizinischen Fächer in der Zeit von 1998 bis 2000 von 549 Mio DM auf 512,1 Mio DM zurück. Insgesamt mußten dann in diesem Bereich (seit 1992) 235 Mio DM eingespart und 1.700 Stellen abgebaut werden. Die Zahl der Professuren sinkt im selben Zeitraum von 750 auf 360 bis 390. Die Anzahl der ausfinanzierten Studienplätze wird wegen der Kürzungen von derzeit 28.000 auf mindestens 20.000 und höchstens 24.000 reduziert.
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