Internationale Streitkräfte im Einsatz für den Frieden

Was kann der Sicherheitsrat?


Als die UNO 1945 gegründet wurde, blickte man zurück auf zwei Weltkriege innerhalb von nur 30 Jahren. Als vordringliche Aufgabe erschien es, "künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren", wie die Präambel der UN-Charta verkündet. Dafür ver sprachen die "Völker der Vereinten Nationen", ihre "Kräfte zu vereinen ... und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, daß Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird". In das Zentrum des neuen Systems stellt die Charta den Sicherheitsrat, dem sie in ihrem Kapitel VII Züge einer Weltregierung verleiht. Im Falle e iner Friedensbedrohung oder Aggression kann er Sanktionen verhängen und notfalls den Einsatz von Waffengewalt anordnen. Dazu sollten die Mitgliedstaaten dem Sicherheitsrat aufgrund von Sonderabkommen Truppen zur Verfügung stellen, die dieser unter seinem K ommando einsetzen kann. Jeder Aggressor wäre damit schnell zur Raison gebracht worden, so die damalige Hoffnung.

Die UNO besteht seit über 50 Jahren, doch ist dieser Traum nie in Erfüllung gegangen. Die Schwächen des Systems sind in der Charta selbst angelegt. Im Sicherheitsrat haben China, Frankreich, Rußland, die USA und das Vereinigte Königreich als ständige Mitgl ieder ein Vetorecht. Sanktionen gegen diese fünf Staaten oder ihre Verbündeten scheiden damit praktisch aus. Zudem zeigten die Staaten wenig Neigung, die Befehlsgewalt über ihre nationalen Truppen auf den Sicherheitsrat zu übertragen. Die geplanten Sondera bkommen wurden nie abgeschlossen. Der aufbrechende Ost-West-Gegensatz tat ein übriges, um den Sicherheitsrat zu lähmen. Anstelle der vorgesehenen Zwangsmaßnahmen entwickelte sich die Praxis des "Peacekeeping": Waren alle Konfliktparteien einverstanden, wur den leichtbewaffnete "Blauhelme" ohne Kampfauftrag zur Überwachung von Waffenstillständen, als Polizeitruppe oder als Puffer zwischen verfeindeten Gruppen entsandt. Ein Beispiel ist die bis heute bestehende UNFICYP auf Zypern.

Erst mit der Wende in der UdSSR endete die Blockade des Sicherheitsrats. Als Saddam Hussein 1990 in Kuwait einfiel, faßte der Sicherheitsrat am 29. November einen Beschluß, der die militärische Befreiung Kuwaits ermöglichte. Doch der Sicherheitsrat wurde a uch jetzt nicht zur "Weltregierung". Er beschränkte sich darauf, eine Staatenkoalition unter Führung der USA zum Eingreifen zu ermächtigen. Dann begnügte er sich mit der Rolle eines Zuschauers, bis die Operation "Wüstensturm" im März 1991 abgeschlossen war . Ähnliche Einsätze kleineren Ausmaßes folgten. Während in Somalia nationale Truppen zeitweilig tatsächlich unter UN-Oberbefehl eingesetzt wurden, war die Operation "Türkis" in Ruanda, der der Sicherheitsrat 1994 seinen Segen gab, de facto ein rein französ isches Unternehmen. Italien dominiert die jüngst angelaufene Operation "Alba", die in Albanien humanitäre Hilfe absichern soll.

Eine neue Variante der Friedenssicherung mit Hilfe internationaler Streitkräfte entstand in Bosnien mit dem Abschluß des Friedensabkommens von Dayton im November 1995. Die von den Vertragsparteien vereinbarte Friedenstruppe "IFOR" (später "SFOR") erhielt e ine völkerrechtliche Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat, der sie ermächtigte, zur Umsetzung des Friedensabkommens auch Waffengewalt anzuwenden. Ansonsten ist der Sicherheitsrat an der Umsetzung von "Dayton" aber nicht beteiligt. "IFOR" bzw. "SFOR" is t vielmehr eine NATO-Truppe, der zwar Soldaten aus insgesamt 33 Staaten angehören, die aber im übrigen vollständig in die Befehlsstrukturen der NATO integriert ist.

Hier bestätigt sich der seit 1990 zu beobachtende Trend zur Dezentralisierung der internationalen Friedenssicherung. Das zentrale "Aufsichtsorgan" UN-Sicherheitsrat beschränkt sich auf die Legitimierung einer Militäroperation; organisiert und durchgeführt wird der Einsatz von einer Gruppe interessierter Staaten oder eben von einem institutionalisierten Militärbündnis. Die UN-Charta sieht eine solche Regionalisierung der Friedenssicherung unter Aufsicht des Sicherheitsrats in ihrem Artikel 53 ausdrücklich vo r. Durch die Einbindung funktionierender Militärstrukturen kann die systemimmanente Schwäche des Sicherheitsrats, wenn nicht kompensiert, so doch immerhin überspielt werden. Zugleich erhält die NATO, deren Funktion als Bündnis gegen eine äußere, östliche B edrohung weitgehend entfallen ist, eine neue Aufgabe: die Friedenssicherung durch internationale Streitkräfte.


Robert Uerpmann ist Akademische Mitarbeiter am Institut für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht des Fachbereichs Rechtswissenschaft


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