Ausbildung in Zivilem Friedensdienst und gewaltfreier Konfliktbearbeitung

Was fehlt, ist der politische Wille


In der Debatte des Deutschen Bundestages um die Probleme der SFOR-Mission der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien haben Abgeordnete der SPD und der Grünen darauf hingewiesen, daß eigentlich ein Ziviler Friedensdienst entsandt werden sollte - ausgebildet in gewaltfreier Konfliktbearbeitung, vorbereitet auf die Rückbegleitung von Flüchtlingen, auf Vermittlung in ethnischen Konflikten und auf praktische Aufbauhilfe.

Diese Hinweise auf einen Zivilen Friedensdienst waren keine abstrakten Anspielungen. Zum Aufbau und der Ausbildung einer solchen Nonviolent Task Force haben in Fortentwicklung von Gandhis Konzept einer Shanti Sena (Gewaltfreien Friedensbrigade) am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU - in Zusammenarbeit mit der Berghof Stiftung für Konfliktforschung und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg - seit 1992 Vorlesungen und Seminare stattgefunden, in denen erörtert wurde, welche friedens- und sicherheitspolitischen Optionen der Aufbau eines Zivilen Friedensdienstes eröffnen würde, insbesondere, wenn er auch Wehrpflichtigen als Ausbildungsform angeboten werden sollte.

Für die Ergebnisse dieser Überlegungen und die praktischen Anstrengungen der politischen Umsetzung hat am 23. Mai 1997 das Forum Ziviler Friedensdienst e.V. im Rastatter Schloß den mit DM 20.000 dotierten Gustav Heinemann Bürgerpreis erhalten, überreicht von der Honorarprofessorin der FU, Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen wird zur Zeit eine erste Pilotgruppe des Zivilen Friedensdienstes in der Heimvolkshochschule Frille in einem viermonatigen Trainingsprogramm auf den Einsatz in friedensstiftenden Projekten in Ex-Jugoslawien vorbereitet. Ein Teil der gedanklichen und trainingspraktischen Vorarbeit ist an der FU geleistet worden, wo in mehreren Vorlesungen, in zwei Projektkursen (zweisemestrig, vierstündig) und drei Proseminaren (einsemestrig, aber freiwillig vierstündig) untersucht wurde, welche Trainingsformen es gibt und wie diese auf die männlichen und die weiblichen Teilnehmer wirken. Die Kurse wurden - wie ausdrücklich angestrebt - etwa zur Hälfte von Männern und Frauen besucht.

Training hat es andernorts bereits früher gegeben. Doch Bürgerrechtsbewegungen haben ihre Vorbereitung auf schwierige Einsätze selten und dann nur knapp aufgezeichnet. Kurzfristig haben die Akteure sich auf eine bestimmte Konfliktsituation theoretisch und gruppendynamisch vorbereitet. Die Trainingsversuche an der FU unterschieden sich davon in doppelter Hinsicht.

Erstens: Das Training war langfristig, umfaßte zwischen 15 und 25 Trainingseinheiten, und sein Ziel war eine Grundausbildung,welche sowohl Alltagskonflikte wie perspektivisch auch Makrokonflikte, wie z.B. Bürgerkriegssituationen berücksichtigte.

Zweitens: Die Trainingserfahrungen wurden von der Seminarleitung und den Studenten in Werkstattbüchern ausführlich festgehalten mit dem Ziel, es auch Außenstehenden zu erlauben, einzelne Übungen zu wiederholen und die eigenen Trainingserfahrungen mit den Werkstattbüchern zu vergleichen.

Das Training begann in der Regel mit Übungen zum Kennenlernen und zur Kooperation in der Gruppe. Die konfrontationsbezogenen Rollenspiele befaßten sich z. B. mit rassistischen Anpöbelungen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch mit zu Gewalttätigkeiten eskalierenden Nachbarschaftskonflikten. Eine Methode der Ausbildung war, auf Video aufgezeichnete reale oder inszenierte Konflikte zu analysieren, die Szenen mitsamt den Fehlern möglichst realistisch nachzuspielen und dann in mehreren Varianten empfehlensw erte Methoden der Intervention und der Deeskalation zu suchen.

Die Realitätsnähe der Ausbildung wird durch den Seminarcharakter eingeschränkt. Eine Seminargruppe als solche kann sich nicht darauf vorbereiten, außerhalb der Universität so aktiv zu werden wie z.B. eine Gruppe der Peace Brigades International, welche die Aufgabe der Begleitung von Bürgerrechtlern, die Tag und Nacht von Todesschwadronen bedroht werden, vor Augen hat. Konflikttraining an der Universität muß sehr viel bescheidener ausfallen.

Es kann z.B. darum gehen, daß eine Proseminargruppe sich mit einem Angebot des Ausländerreferats des AStA befaßt, ausländischen Studentinnen, die sich bedroht fühlen, Waffen zum Selbstschutz zur Verfügung zu stellen. Das Durchspielen solcher Bedrohungssitu ationen - mit und ohne Selbstschutzwaffen - und die Vorbereitung von Studentinnen auf die öffentliche Diskussion mit männlichen Vertretern der Selbstschutzbewaffnung ist bereits im Grundstudium eine wichtige Erfahrung, auf die dann im Hauptstudium in weite ren berufsfeldorientierten Kursen aufgebaut werden könnte. Noch fehlt ein Curriculum, dessen Ergebnis man dann eine regelrechte Ausbildung in gewaltfreier Konfliktbearbeitung nennen könnte. Wenn es politisch gewünscht würde, wäre es wohl möglich.

Theodor Ebert


Theodor Ebert, Fachbereich Politische Wissenschaft, ist Professor am Institut für Innenpolitik und Systemvergleich und dessen Geschäftsführender Direktor


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