Wirkung und Wandel von Sicherheitsinstitutionen

Das Schließen der Theorielücke


Sicherheitsinstitutionen wie die NATO, die WEU, die OSZE und immer mehr auch die EU, befinden sich seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes in einem Prozeß der Reform und des Umbaus. Damit reagieren die staatlichen Akteure einerseits auf den nahezu vollständigen Wegfall militärischer Bedrohung durch einen ideologischen Gegner, und andererseits auf immer deutlicher sichtbar werdende politische Instabilitäten in Europa.

Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik des Fachbereichs Politische Wissenschaft der FU und des Center for International Affairs der Harvard University unter der Leitung von Prof. Dr. Helga Haftendorn, Prof. Celeste A. Wallander und Prof. Robert O. Keohane untersucht die Wirkungsweisen und die Mechanismen des Wandels und der Anpassung von Sicherheitsinstitutionen.

Internationale Institutionen tragen zur Stabilisierung von zwischenstaatlicher Kooperation bei. Sie vereinfachen den Austausch von Informationen, erhöhen damit die Glaubwürdigkeit der Interaktionspartner und schaffen Erwartungen an das Verhalten des jeweils anderen.

In den Theorien Internationaler Beziehungen wurden Sicherheitsinstitutionen überwiegend als Allianzen aufgefaßt. Zu Allianzen schließen sich Staaten dann zusammen, wenn sie dadurch angesichts einer Bedrohung das Mächtegleichgewicht wiederherstellen können. Sie haben nur solange Bestand, wie ihre ursprüngliche Aufgabe fortbesteht. Auf dieser Grundlage kamen Vertreter der Neorealistischen Schule am Ende des Ost-West-Konfliktes zu der Annahme, die NATO werde sich aufgrund der abgenommenen Bedrohung auflösen. Diese fehlerhafte Vorhersage ist der Ausgangspunkt des gemeinsamen Projektes. Der neoliberale Institutionalismus hingegen geht davon aus, daß von Institutionen signifikante Wirkungen auf das Verhalten und die grundsätzlichen Präferenzen von Staaten und dam it auch auf die internationale Politik ausgehen. Diesen Wirkungen soll nachgespürt werden. Bei der Untersuchung des Wandels richtet sich das Augenmerk auf die Funktionen und die Formen der Institution und auf die Wertschätzung, die ihnen seitens der Akteure entgegengebracht wird. Es wird angenommen, daß zwischen dem Wandel von Institutionen und ihren Wirkungen auf Staaten Zusammenhänge bestehen. Auch sie sind Gegenstand des Erkenntnisinteresses.

Die deutsch-amerikanische Wissenschaftlergruppe führte bereits zwei Konferenzen in Berlin (Mai 1996, siehe FU:N 5/96) und in Cambridge (März 1997) durch. Aus den Ergebnissen dieser Zusammenarbeit soll ein Buch entstehen, in dem die NATO, die OSZE, die WEU, der Nichtverbreitungsvertrag, die Bonner Vierergruppe und das Peacekeeping der Vereinten Nationen ebenso untersucht werden, wie die Kongresse des 19. Jahrhunderts oder das Regional Forum der ASEAN.

Die Relevanz ist zugleich wissenschaftlicher und policy-orientierter Natur. Das Projekt will dazu beitragen, eine wichtige Lücke in den Theorien internationaler Beziehungen zu schließen, indem es Hypothesen über Sicherheitsinstitutionen entwickelt, die Al ternativen zum neorealistischen Verständnis anbieten. Wenn dadurch das Verständnis von internationalen Institutionen insgesamt verbessert wird, dann lassen sich ihre Potentiale, Chancen und Gefahren auch in der Politikberatung besser erkennen. Insofern bie tet die an Harvard und der FU betriebene Forschung auch eine Chance zur effizienteren Gestaltung von Sicherheitsinstitutionen. Der Wert solcher Erkenntnisse wird angesichts der aktuellen politischen Lage offensichtlich: Schließlich weisen nahezu alle Frage n der Sicherheitspolitik einen Bezug zu internationalen Institutionen auf: Man denke etwa an die Bedeutung von NATO, UN und EU in internationalen Krisen wie dem Irak-Kuwait-Krieg, dem Jugoslawien-Krieg, in Somalia oder in Kambodscha. Institutionen sind ein e Schlüsselkategorie in der Frage nach Krieg und Frieden.

Michael Kreft


Michael Kreft ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik am Fachbereich Politische Wissenschaft


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