Albrecht Randelzhofer, Dekan der Juristen, zum Tod von Dieter Giesen

Ein kantiger und ein farbiger Mann


Dieter Giesen scheute sich in seinen Vorlesungen nicht, Meinungen zu äußern, von denen er wußte, daß sie nicht auf allgemeinen Beifall stoßen würden. Es ging ihm aber nicht um Provokation, sondern um intellektuelle Ausein andersetzung. Ganz besonders bei den anspruchsvollen Teilen der Studentenschaft waren seine Lehrveranstaltungen deshalb gesucht und hoch geschätzt.

Giesen war 1973 nach Berlin an die FU gekommen und beinahe 25 Jahre trotz verlockender Rufe geblieben. Seine akademischen Weihen hatte er 1962 in Bonn mit der Promotion und 1970 in Bochum mit der Habilitation erhalten. Trotz der großen Arbeitslast i n Lehre und Forschung war er Mitglied des Fachbereichsrates, von 1993 bis 1994 Dekan. Er war um Ausgleich bemüht, scheute aber die Auseinandersetzung nicht, wo sie ihm unvermeidbar erschien.

Dieter Giesens Wirkungskreis beschränkte sich jedoch nicht auf die FU. Zahlreich und intensiv waren seine Beziehungen zu ausländischen Fakultäten - u.a. in den USA, Australien und Neuseeland. Der Fixpunkt seiner internationalen Beziehungen war und blieb die Position eines Visiting Fellows am Pembroke College in Oxford. Ein schöner und überzeugender Beleg für das hohe Ansehen, das er auch im Ausland genoß, ist, daß ihm aus Anlaß seines 60. Geburtstages eine N ummer des Journal of Contemporary Health Law and Policy als Festschrift gewidmet wurde.

Dieter Giesen war ein kantiger und ein farbiger Mann. Eindrucksvoll war er als Stilist, insbesondere in seinen Briefen. Auch wenn einem deren Inhalt mitunter Probleme bereitete, mußten sie dem, der Freude an der Sprache hatte, doch immer Respekt abn ötigen, wenn nicht gar Freude bereiten. Diese Freude paarte sich mit Verlegenheit, wenn man einen ganzen Brief des überzeugten Anhängers humanistischer Bildung in lateinischer Sprache erhielt.

Giesens Engagement für unseren Fachbereich zeigte sich bis zuletzt. Es war eindrucksvoll und bewegend mitzuerleben, wie er, ungeachtet seiner Krankheit, sich bis zuletzt um den Fachbereich kümmerte, Rat gab und Ideen vermittelte. Der Tod hat ihn nicht mutl os und gelähmt angetroffen, sondern in immer noch bewunderungswürdiger Aktivität.


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