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Barbara Stolterfoht


Als Barbara Stolterfoht das Wort "Karriereplanung" vor 20 Jahren zum ersten Mal hörte ging ihr ein Licht auf: "Ach, so machen das die Männer!"

Heute ist die 57jährige sozialdemokratische Ministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung in Hessens rot-grüner Landesregierung. Geplant aber hat Stolterfoht ihre Karriere nicht; genauso wenig stand für sie fest, daß sie einmal in die Politik gehen würde. Zwar ist sie seit 1969 SPD-Mitglied und hat seitdem Parteiarbeit gemacht, Berufspolitikerin wurde sie jedoch erst 1984. Hans Eichel - damals Oberbürgermeister in Kassel, heute Hessens Ministerpräsident - berief sie zur ersten kommunalen Frauen beauftragte n. Im Jahr darauf wurde sie in den Stadtrat gewählt, war zuständig für Frauen, Gesundheit, Soziales und Krankenhäuser.

Mit 44 Jahren war sie für ihren Einstieg in die Berufspolitik "schon sehr alt", wie sie selbst sagt, doch habe sie zuvor erst etwas 'Anständiges' lernen wollen. Daß dieser 'anständige Beruf im sozialen Bereich liegen sollte, wußte sie schon als Schülerin, nachdem sie, während eines Schulaustausches in den USA, die Slums von Philadelphia gesehen hatte. Nach der Schulzeit machte Stolterfoht, die in Dux im heutigen Tschechien geboren wurde und in Bielefeld aufwuchs, eine Ausbildung als Kindergärtner in. Bald wu rde ihr jedoch klar, daß sie "das Wissen über die Gesellschaft erweitern" wollte. Auf dem zweiten Bildungsweg holte sie das Abitur nach und begann, Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften zu studieren - zunächst in Gö ;ttingen und Paris, ab 1965 in B erlin. Ganz bewußt habe sie sich damals entschieden, an die FU zu wechseln. "Der Ruf der Uni war ausgezeichnet, der des OSI natürlich auch." Die Vorlesungen der Professoren Richard Löwenthal und Werner Skuhr fand Barbara Stolterf oht "phantastisch!" Weniger begeistern konnte sich die Studentin für Statistik.

1968 macht sie ihr Diplom am OSI, bekommt ein Promotionsstipendium und bleibt noch einige Zeit als Assistentin am Institut. Als Stolterfoht Nachwuchs erwartet, verschwindet die Dissertation über ein bildungspolitisches Thema erstmal in der Schublade. "Da s chlummert sie immer noch", seufzt sie. Nach der Geburt des Kindes ist sie auf Teilzeitbasis am Deutschen Institut für Urbanistik und am Wissenschaftszentrum in Berlin beschäftigt. Und auch als sie zum zweiten Mal Mutter wird, bleibt die Dip lom-Politologin berufstätig, arbeitet als Referentin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln und später dann beim Bonner Vorstand ihrer Partei als Gesundheitsreferentin.

Seit Februar '95 ist sie nun - nachdem sie drei Jahre Direktorin des Landeswohlfahrtsverbandes war - Landesministerin in Hessen. Da dies "keine Zeit für große sozialpolitische Programme" ist, setzt die Politikerin vor allem auf zwei Z iele: Angesichts leerer Kassen komme es darauf an, das Bestehende zu verteidigen und in einem zweiten Schritt zu reformieren, um so den Menschen eine Perspektive geben zu können. "In einer demokratischen Gesellschaft muß man jedem und jede r eine Chance geben", meint die Ministe rin, die ihre Motivation aus einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit schöpft.

Neben ihrer Arbeit versucht sie, "private Beziehungen nicht einschlafen zu lassen" und auch ein bißchen Zeit für sich zu haben. Für die Zeit nach ihrer Pensionierung hat Stolterfoht schon heute handfeste Pläne: Dann wird die Promotionsarbeit wieder aus der Schublade hervorgekramt und endlich beendet: "Das bin ich mir noch schuldig."

Christina Engel


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