Die Sonderforschungsbereiche an der Freien Universität

Sieben Säulen der Wissenschaft


Seit 1968 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft langfristige, fächerübergreifende Forschungsprogramme an den Hochschulen durch die Einrichtung sogenannter Sonderforschungsbereiche (Sfb). In der Regel werden sie für zwölf bis fünfzehn Jahre eingericht et. An ihnen können Arbeitsgruppen einer oder mehrerer Universitäten, aber auch Wissenschaftler außeruniversitärer Forschungseinrichtungen beteiligt sein. Der Schwerpunkt sollte aber bei einer Universität liegen, die auch den Spr echer stellt.

An zwölf von derzeit 236 Sonderforschungsbereichen in Deutschland ist die Freie Universität beteiligt. Die sieben Sfb's, von denen die FU Sprecheruniversität ist, werden hier vorgestellt.


Fachbereich Humanmedizin

Sfb 366: Zelluläre Signalerkennung und -umsetzung

Sprecher: Prof. Dr. Werner Reutter, Arnimallee 22, 14195 Berlin

Viele Funktionen der Zellen in Mehrzellern werden durch extrazelluläre Einflüsse reguliert. Das können lösliche Signalmoleküle (z.B. Hormone, Neurotransmitter), Licht oder makromolekulare Nachbarstrukturen bei Zelladhäsionspr ozessen sein. In den vergangene n Jahren wurden bereits prinzipielle Mechanismen der Signalverarbeitung, die durch Licht oder lösliche Moleküle hervorgerufen wurden, erforscht und eine Reihe der Moleküle untersucht. Ein wesentliches Ziel des Sfb 366 ist es, ähnliche Mechanismen bei Adhä sionsprozessen zu finden. Außerdem soll die Struktur und Funktion von Membran- oder Matrixproteinen aufgeklärt werden, die an der Ausbildung von Zelladhäsionsprozessen beteiligt sind. Die angestrebte thematische und methodische Zusammenf& uuml;hrung dieser beid e n Bereiche soll neue Einblicke in die intrazelluläre Signaltransduktion bei Adhäsionsprozessen ermöglichen. Insbesondere der Auslösungsmechanismus durch Adhäsionsprozesse ist, im Gegensatz zu dem durch lösliche Molekü le, noch weitgehend unbekannt.

Konkret wird die Funktion von Rezeptoren und GTP-bindenden Proteinen (GTP ist ein Bestandteil der RNA) in den Zellmembranen untersucht. Dadurch soll die Grundlage zum Verständnis vieler Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Krankheiten des Magen -Darm-Traktes gelegt werden. Weiterhin beschäftigt sich ein Projektbereich mit Erkrankungen der weißen Blutkörperchen, die im Zusammenhang mit intrazellulären, chemischen Vorgängen stehen. Im dritten Bereich untersuchen die bete iligten Wissenschaftler ess e ntielle Bestandteile von Zellmembranen und deren Bezug zu Krankheiten, die vorwiegend mit Veränderungen der Zelloberflächen einhergehen, insbesondere Tumor- und Metastasenbildung, Thrombosen und Leberkrankheiten.

Fachbereich Biologie

Sfb 515: Mechanismen entwicklungs- und erfahrungsabhängiger Plastizität des Nervensystems

Sprecher: Prof. Dr. Randolf Menzel, Institut für Neurobiologie, Königin-Luise-Str. 28-30, 14195 Berlin

Grafik1Das Neuron aus dem Bienengehirn ändert seine Eigenschaften, wenn Bienen lernen

Nervensysteme leisten ihre Aufgaben als informationsverarbeitende Systeme mit dem "Wissen" um die zu lösende Aufgabe. Dieses Wissen entstammt zwei Informationsquellen, der der Art und der des Individuums. Beispielsweise folgen frisch geschlüpfte Küken jedem bewegten und auffälligen Objekt und erlernen sehr schnell dieses als Mutterersatz. Ein biologisch so wichtiger Vorgang wie das Erkennen des Muttertieres beinhaltet also sowohl der Art angeborenes wie erlerntes Wissen. Dies ist nicht ein Sonderfall des Zusammenspiels der beiden Informationsquellen, sondern erweist sich als durchgehendes Prinzip bei allen Lernvorgängen. Das Art-Gedächtnis ist genetisch in der DNA codiert und führt zu einem speziellen Muster neuronaler P rojektionen und synaptischer Verbin dungen bei der Ausbildung des Nervensystems. Das individuelle Gedächtnis aufgrund von Erfahrungen mit der Umwelt spiegelt sich in den aktuell wirksamen Verschaltungen und den synaptischen Stärken der neuronalen Schaltkreise wieder. Bei den Vorg& auml;ngen zur en tw icklungsbedingten Ausgestaltung und Anpassung der Verbindungen von Nervenzellen und der Umgestaltungen von Verbindungen aufgrund von Lernvorgängen wurde in den letzten Jahren eine erstaunliche Parallelität festgestellt. Beide gehen mit ein er anatomis chen Veränderung einher. Die Untersuchung der Mechanismen auf molekularer Ebene, die in beiden Fällen für die Entstehung synaptischer Verbindungen verantwortlich sind, ist Ziel des Sfb 515. Die zellulären Mechanismen neuronaler Anpassu ng , seien sie entw ickl ungs - oder erfahrungsbezogen, stellen die unterste Ebene in einem hierarchisch organisierten System dar, in dem der Informationsgehalt aus der jeweils höheren Schicht erwächst. Neurowissenschaftler sind sich einig, daß Verhaltenszust ände bestimmten G ehirn zustä nden entsprechen, die wiederum Zuständen in neuronalen Schaltkreisen zuzuordnen sind, die ihrerseits mit den zellulären Zuständen ihrer neuronalen Elemente korrespondieren. Eine zentrale Aufgabe der kooperativen Arbeit im S fb ist es, den Regeln der Vermittlung zwischen den Ebenen auf die Spur zu kommen.

Fachbereich Chemie

Sfb 312: Gerichtete Membranprozesse

Sprecher: Prof. Dr. Jürgen-H. Fuhrhop, Institut für Organische Chemie, Takustr. 3, 14195 Berlin

In diesem Sfb werden biologische und synthetische Membranen von einigen Millionstel Millimeter Dicke untersucht, in die Farbstoffmoleküle (Retinal, Chlorophyll, Bakteriorhodopsin) oder Proteine (Acetylcholin-Rezeptoren, Transferrin-Rezeptoren) eingeb ettet werden. Diese Moleküle erfüllen jeweils eine ganz spezielle Funktion. Beispielsweise öffnen Acetylcholin-Rezeptoren, die sich u.a. an der Verbindungsstelle zwischen Nerv und Muskel in der Membran der Muskelzellen finden, beim Kontakt mit sp ezifischen Neuro transmittern aus den Synapsen erregter Nervenzellen einen Kanal, durch den bestimmte Ionen zwischen der Muskelzelle und ihrer Umgebung ausgetauscht werden können. Als Folge kommt es zu einer Mus-kelkontraktion. Im Sfb 312 wird u.a. Struktur und Mech anismu s des nikotinischen Acetylcholin-Rezeptors untersucht, der von zentraler Bedeutung für die Neurologie ist. In einem anderen Projekt geht es um das Farbstoffmolekül Bakteriorhodopsin in den Membranen von Purpurbakterien, welches Sonnenlicht abso rbiert und d e ssen Energie verwendet, um Protonen über die Membran zu transportieren. Dadurch wandelt es Licht in elektrochemische Energie um. Ziel ist es, Mechanismus und Struktur dieses Proteins aufzuklären. Die größten und komplexesten Membr ansysteme, die derzeit i n dem Sfb bearbeitet werden, sind die Photosysteme I und II, in denen die Photosynthese grüner Pflanzen abläuft. Bei der Strukturanalyse an Kristallen, die aus dem Photosystem I gezüchtet wurden, gelang es dank extrem hoher Auflösun g Chlorophyllmoleküle , d ie Bestandteil des Photosystems I sind, sichtbar zu machen. Größere, im space shuttle gewachsene Kristalle lassen hoffen, daß die Struktur der Photozentren bald völlig aufgeklärt wird. Schließlich werden viele biologis ch relevante und strukturell bekan nte Me mbranstrukturen in Computersimulationen modelliert bzw. synthetisch hergestellt.

Sfb 344:

Regulationsstrukturen von Nukleinsäuren und Proteinen

Sprecher: Prof. Dr. Volker A. Erdmann, Otto-Hahn-Bau, Thielallee 63, 14195 Berlin

Die Desoxyribonukleinsäure (DNA) wird oft als das Molekül des Lebens bezeichnet, da in ihrer Struktur die Erbinformation steckt, die zum Aufbau aller Proteine eines Organismus anleitet. Für die Bildung eines bestimmten Proteins wird zun&aum l;chst an dem dafür c odierenden DNA-Abschnitt ein Ribonukleinsäuremolekül (RNA) mit äquivalenter Struktur synthetisiert (Transkription), welches dann als Matrize für die Anordnung der Aminosäuren in den Proteinen bei der sogenannten Translation diene n. Dieser Vorgang wird als Genexpression bezeichnet. Sowohl auf der DNA als auch auf der RNA existieren zudem Bereiche, die der Regulation der Proteinerzeugung dienen, damit nur dann, wenn bestimmte Proteine benötigt werden, diese auch erzeugt werden. Für diese Regulatio nsmechanism en gibt es verschiedene Modelle. So kann durch Anlagerung eines bestimmten Moleküls, in der Regel handelt es sich um ein spezielles Protein, an dem jeweiligen Abschnitt auf der DNA bzw. der RNA, die Transkription bzw. die Translation entweder gehemm t odergefördert werden. In ausgewählten Fällen analysieren die Mitglieder des Sfb 344 die Struktur von regulierenden Nukleinsäureabschnitten und untersuchen Regulationsmechanismen auf atomarer Ebene unter anderem mit biochemischen und molekulargenetischen Met hoden. Sie liefern damit einen Beitrag zu den grundsätzlichen Fragen nach der Struktur und Funktion von Nukleinsäuren sowie deren Wechselwirkung mit Proteinen, die für die Regulation der Genexpression wesentlich sind.

Fachbereich Geowissenschaften

Sfb 267: Deformationsprozesse in den Anden

Sprecher: Prof. Dr. Peter Giese, Malteserstr. 74-100, Haus D, 12249 Berlin

Grafik2Horchen ins Erdinnere: Im nordchilenischen Längsttal bauen Studenten Geophone zur Messung der Erderschütterung auf

Die zentralen Anden Südamerikas bieten die einzigartige Möglichkeit, Prozesse in einem noch aktiven Gebirge zu untersuchen, welches in seiner Ausbildung als extrem bezeichnet werden kann. So haben die Anden einen 700-800 Kilometer breiten Gebirg skörper, be sitzen eine über 60 Kilometer dicke Erdkruste, sind bis zu 6000 Meter hoch und wachsen vertikal um einen Millimeter pro Jahr. Darüber hinaus ist das Gebiet vulkanisch und stark seismisch aktiv, im Boden gibt es eine extreme Anreicherung von Kup fer, Salpet e r und Salzen, und das Klima in der West- und der Ostkordillere ist außergewöhnlich unterschiedlich. Im Sfb 267 untersuchen die beteiligten Wissenschaftler zusammen mit Kollegen aus den "Gastländern«, wie dies im einzelnen durch die Kollision der ozeanis c he n Nazca-Platte mit dem südamerikanischen Kontinent zusammenhängt. Eine zentrale Frage ist, wie es in den letzten zehn Millionen Jahren zu der extremen Verdickung der Erdkruste von 30 - 40 Kilometer auf 60 - 70 Kilometer kam. Es zeigt sich, daß hier se hr u nterschiedliche Prozesse im Gang sind: tektonische Verdickung durch Faltungen und Überschiebungen, Einlagerung durch magmatische Gesteine und Umwandlung von Gesteinen des Erdmantels in erdkrustenähnliche Gesteine. Zur Untersuchung der Krust enstrukturb il dun g bestimmter Gebiete wurden seismische Profile aufgenommen und zusätzlich mobile seismologische Stationsnetze aufgebaut, um über drei bis vier Monate sämtliche Erdbeben jeweils eines Gebietes aufnehmen und auswerten zu können. D ie Untersuchung derar tig er Probleme berührt auch eine Reihe anwendungsorientierter Fragen, wie beispielsweise nach der Ursache der Entstehung von Erdbeben, nach dem tieferen Untergrund von Vulkanen und nach der Entstehung von Erz- und Nichtmetall-Lagerstätten.

Fachbereich Physik

Sfb 290: Metallische dünne Filme: Struktur, Magnetismus und elektronische Eigenschaften

Sprecher: Prof. Dr. Karl-Heinz Rieder, Arnimallee 14, 14195 Berlin

Metallische dünne Filme werden dadurch hergestellt, daß die Metallatome auf einen Träger - meistens ein Kristall eines anderen Materials - aufgedampft werden. Dies ist einer der Gründe, warum die Eigenschaften von Metallfilmen, die nu r wenige Atomlagen dic k sind, vielfach von denen des Volumenkristalls abweichen: Beim Aufwachsen auf den Träger werden die Atome von der Unterlage beeinflußt, was oft dazu führt, daß der Film eine vom Volumenkristall abweichende Struktur annimmt. Dadurch werden seine mechanisc h en, elektronischen und vor allem magnetischen Eigenschaften stark beeinflußt. Durch die Wahl verschiedener Trägersysteme lassen sich so Filme mit den unterschiedlichsten physikalischen Merkmalen herstellen. Wie die statistische Mechanik zeig t, ist bei sehrdünnen Filmen außerdem die Einschränkung auf zwei Dimensionen bedeutsam (betrifft wiederum stark die magnetischen Eigenschaften). Die Arbeiten des Sfb 290 zielen darauf ab, ein grundlegendes Verständnis des Wachstums, d er Struktur und der Stabilität derartiger Filme sowie ihrer physikalischen Eigenschaften zu erreichen. Da die für den Magnetismus verantwortliche quantenmechanische Austauschwechselwirkung stark von den atomaren Distanzen und den Bindungskoordin ationen abhängt, liegt eine enge Beziehung zwischen magnetischen und strukturellen Eigenschaften auf der Hand. So haben neuere theoretische Untersuchungen auch ergeben, daß Substanzen in der Form dünner Filme magnetisch sein können, o bwohl sie es in einem Volumenkristall nicht sind. Das Interes se a n dü nnen Metallfilmen und deren magnetischen Eigenschaften beruht zum Teil auch auf den Anwendungsmöglichkeiten in der Speichertechnologie.

Gabriele Andrè

Sfb 337:

Energie- und Ladungstransfer in molekularen Aggregaten

Sprecher: Prof. Dr. Dietmar Stehlik, Arnimallee 14, 14195 Berlin

Der Sonderforschungsbereich 337 befaßt sich mit der Erforschung physikalischer und chemischer Prozesse, die durch gezielte lokale Anregung molekularer Aggregate ausgelöst werden. Dabei kann die Energiezufuhr zu elektronisch angeregten Anfangszu ständen und/ oder Anregungszuständen der Kernbewegungen führen. Der Begriff "molekulare Aggregate" steht für eine Vielfalt von Systemen, die durch Zusammenlagerung atomarer und molekularer Bausteine als Folge relativ schwacher Wechselwirkungen entstehe n. Bevorzugte St u dienobjekte sind Aggregate, die sich zur Untersuchung dynamischer Prozesse eignen. Dazu gehören freie oder auf Oberflächen deponierte atomare und molekulare Cluster, Aggregate in kontrolliert aufgebauter fester oder flüssiger Umgebung wi e z. B. in chemi schinerte Edelgaskristalle eingebettete Moleküle und Cluster oder durch Einbau von Gastmolekülen in Molekülkristalle gezielt präparierte Gast-Wirt-Komplexe. Untersucht werden darüber hinaus komplexe makromolekulare Systeme, die al s Funktionszentren in Bi os ys temen oder als Funktionsträger in anwendungsträchtigen Materialien der Realisierung effizienter Energie- und Ladungstransferprozesse dienen. Beispiele dafür sind die im Sfb durchgeführten Untersuchungen des primären Elektron entransfers im hochkomplex en Rea ktionszentrum der Photosynthese und in Modellsystemen mit mehrstufigen Reaktionskomplexen, aber auch grundlegende Aspekte anderer elementarer Photoreaktionstypen in synthetisch aufgebauten bzw. in ihrer Reaktionsgeometrie genau charakterisierten Ag g reg aten .

Peter Abt


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