Gutes Klima für Frauen in der Forschung: Die Freie Universität liegt bundesweit an der Spitze

Frauen vorn in Pharmazie und Biologie


Zu Beginn der Pubertät "entdecken" Mädchen in Deutschland, daß sie nicht mathematisch denken können und daß Physik ihnen keinen Spaß macht - in anderen Industrieländern hat sich die Kluft im Interessenspektrum zwischen Mädchen und Jungen geschlossen - hier nicht (Third international Mathematics and Science Study, MPI für Bildungsforschung, Berlin 1997). Naturwissenschaften gelten immer noch als männliche Domäne - aber durchschnittlich ist schon jeder dritte Student der Naturwissenschaften heute eine Frau. I n Biologie und Pharmazie sind Studentinnen inzwischen sogar in der Mehrheit. Nur die angeblich harten Fächer wie Physik und Ingenieurwissenschaften sind noch in Männerhand. Noch vor einem Jahrzehnt waren dies Fächer, die vor allem eins versprachen: einen s icheren Arbeitsplatz und gutes Einkommen. Heute sind auch hier die Aussichten trüber geworden, und eine Pharmazeutin hat inzwischen bessere Chancen auf eine feste Stelle in der Industrie als eine Physikerin.

Grafik1Das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet: Die Frauenförderung an der FU trägt Früchte

Weiblicher Nachwuchs also ist vorhanden, aber die Frauenanteile sinken mit zunehmender Tarifstufe. Bundesweit sind nur 4 Prozent der Lehrstühle (aller Fachrichtungen) mit Frauen besetzt, und 7,2 Prozent der C3-Professuren. Bei den Dozentenstellen liegt der Frauenanteil dagegen bei 23,6 Prozent (BMBF 1994/95). Die wichtigsten Qualifizierungsphasen für eine akademische Karriere, Promotion und Habilitation, fallen in die Zeit, in der viele Frauen Kinder bekommen. Die NachwuchswissenschaftlerInnen erwartet bis zur (ungewissen) Berufung auf eine Professur ständiger Wohnortwechsel und viel Arbeit. Das erstaunliche Ergebnis einer Befragung (Hochschulinformationssystem 1996, Hannover) von Absolventen und Absolventinnen aus naturwissenschaftlichen Studiengängen: 60 P rozent der Männer, aber nur 40 Prozent der Frauen wollten sich in Zukunft stark der Familie widmen. Für Frauen bedeutet die Entscheidung für Kinder immer noch selbstverständlich: Aufgabe der Karriere. Von den kinderlieben Männern aus der Befragung rechne te dagegen kaum einer damit, seinen Beruf wegen der Kinder an den Nagel zu hängen.


FU-Professorinnen

Professorinnen bundesweit

FU-Studentinnen

Studentinnen bundesweit

Mathematik

12,1 % (4/33)

3,7 % (96/2623)

35,5 % (207/583)

38 % (17701/46499)

Informatik

18,4 % (44/239)

12,2 % (8323/68099)

Physik

2,9 % (1/34)

1,3 % (18/1421)

17,1 % (102/595)

11,4 % (4322/37997)

Chemie/Biochemie

3,4 % (1/29)

3,0 % (36/1186)

36,9 % (498/1348)

31 % (12141/39229)

Biologie

10,7 % (3/28)

6,5 % (68/1046)

58,3 % (936/1605)

54,5 % (25278/46364)

Geowissenschaften

8,1 % (3/37)

0,8 % (4/487)

37,4 % (341/911)

29,9 % (4005/13396)

Pharmazie

8,3 % (1/12)

7,3 % (12/164)

30,1 % (412/1368)

69,5 % (8951/12877)

An der FU gibt es in den Naturwissenschaften mehr Professorinnen als im Bundesdurchschnitt

An der FU setzen sich heute mehr Frauen über dieses Schema hinweg als an anderen Universitäten. Frauen haben hier schon 40 Prozent der Promotions- und 35 Prozent der Habilitationsstellen inne. Jede zwanzigste Habilitandin Deutschlands kommt von der FU, und vor wenigen Jahren war es sogar jede Zehnte. Auch in den mathematisch/naturwissenschaftlichen Fächern gibt es an der FU deutlich mehr Professorinnen als im Bundesdurchschnitt (siehe Tabelle). Studentinnen in den naturwissenschaftlichen Fächern würden von dem frauenpolitischen Klima profitieren, das an der FU eine lange Tradition hat, meint die Frauenbeauftragte Christine Färber. FU-Frauen organisierten Mitte der siebziger Jahre die erste Sommeruniversität zur Frauenforschung und gründeten das erste autonom e Frauenreferat. Schon in den frühen achtziger Jahren zogen Frauen in die Universitätsgremien ein und begleiteten, so Färber, den Umdenkprozeß bei vielen Lehrstuhlinhabern. Frauenförderpläne und erste Ansätze für ein Netzwerk unter Frauenbeauftragten sind hier mitentstanden.

Heute trägt diese Arbeit Früchte. So schicken zum Beispiel Frauenbeauftragte der Universitäten Informationen über freiwerdende Positionen frühzeitig per e-mail an Nachwuchswissenschaftlerinnen. Sehr nützlich findet die FU-Mathematikerin Dr. habil. Christine Müller diesen Service. Sie selbst hat ihre zwei Kinder während der Habilitationsphase bekommen und auch viele andere FU-Wissenschaftlerinnen finden ihren Weg, Familie und Wissenschaft unter einen Hut zu kriegen. "Wenn eine Frau weibliche Vorbilder für eine akademische Karriere finden kann, dann hier" sagt dazu Christine Färber.

Antonia Rötger


Ihre Meinung: Grafik4

[vorherige [Inhalt] [nächste