Psychogruppen

Werbe- und Raumverbot für "Sekten"


Eine Reihe von "Sekten" und Psychogruppen darf nicht mehr in der FU für sich werben und Räume anmieten. Das hat der Akademische Senat der FU am 22. Januar bei nur zwei Enthaltungen beschlossen. Betroffen sind davon diejenigen Gruppieru ngen, die in der Bros chüre "lnformationen über neue religiöse und weltanschauliche Bewegungen und sogenannte Psychogruppen" des Senats für Jugend, Familie und Sport aufgeführt sind. Die insgesamt erwähnten 25 Organisationen decken ein S pektrum von Scientology über die Vereinig ungskirche bis hin zu christlichen "Fundamentalisten" und Psychogruppen wie EST ab.

Mit diesem Beschluß hat die FU als erste deutsche Hochschule in dem gegenwärtig emotional stark aufgeladenen gesellschaftlichen Diskussionsprozeß um die Religionsfreiheit (Artikel 4 GG) klar Position bezogen.

Studierende geraten zunehmend in den Bann totalitärer Gruppen. Besonders in zwei Phasen des Studiums sind Studierende für destruktive Kulte eine ideale Zielgruppe: beim Wechsel aus der Gemeinschaft der Schule und des Elternhauses in die Anonymit ät einer Ma ssenuniversität und in der Mitte des Studiums, wenn sie sich die Frage stellen, wie die beruflichen Chancen nach dem Studium einzuschätzen sind. Eine Untersuchung des Projekttutoriums "Sekten" im Jahre 1992 bestätigt zudem die The se eines Zusammenhangs zwi schen der Größe einer Hochschule und den Werbeaktivitäten destruktiver Kultgemeinschaften.

Die Szene dieser Gruppen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Während noch vor 10 - 15 Jahren die Anhänger diverser Gurus bunt gekleidet für ihren Führer warben, arbeiten moderne "Sekten" verdeckt und werden wie in ternationale Konzerne geleitet: nicht nach den mehr oder weniger göttlichen Inspirationen eines heiligen Meisters, sondern von Managerteams, die mit hochqualifizierten Fachleuten besetzt sind. Mit ausgefeilten Werbe- und Schulungskonzepten versuchen sie, Menschen für ihre Zie le gefügig zu machen. Auch die ideologische Tendenz der Lehren einiger Gruppierungen hat deutlich an Schärfe zugelegt: Es geht nicht mehr um die "Rettung der Menschheit". Schlagworte sind heute: "Unser Ziel ist die politische Macht auf der ganzen Welt", "Folge den Be fehlen Deiner Führer, auch wenn Du erkennst, daß sie falsch sind" oder "Du mußt jederzeit bereit sein, für Deinen Glauben zu sterben".

Wohin solche Losungen in Kombination mit Psychomanipulation die Mitglieder führen können, belegen Beispiele wie Waco, die Sonnentempler oder Aum in erschreckender Weise. Gerade im Bereich des christlichen "Fundamentalismus" liegen hier die radi kalsten Tendenzen, und die als "Gemeinde Jesu Christi Berlin e.V." auch an der FU sehr aktive "Boston Church of Christ" hat sich mit ihren aggressiven Methoden Hausverbote an zahlreichen nordamerikanischen Universitäten eingehand elt.

Mit dem AS-Beschluß hat die FU im Interesse der Studierenden einen wichtigen Schritt unternommen. Dabei ist aber zu beachten, daß es sich bei destruktiven Kulten, gegen die sich diese Maßnahme richtet, um eine kleine Minderheit der allge mein unter dem Begr iff "Sekten" zusammengefaßten Organisationen handelt und daß direkte Maßnahmen, die auf einzelne Gruppen zurückzuführen sind, nicht als pauschales Instrument gegen alle religiösen Sondergemeinschaften verwandt we rden dürfen.

Markus Wende

Der Autor arbeitet in der Sekten-AG des AStA mit.



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