Ins rechte Licht gerückt

Kunsthistoriker und Chemiker reinigen alte Dokumente mit Lasern


Regelmäßig werden Fernsehzuschauer Zeugen derartiger Szenen: Lautes Fluchen tönt durchs Haus. Ein Mann stürmt ins Bad: Flecken auf seinem Tanztrikot - und das kurz vor dem Turnierfinale. Keine Bange, beschwichtigt sie, für ihr Waschmittel seien selbst hartnäckige Soßenflecken kein Problem. Und während das Hemd in der Maschine rotiert, erklärt eine sympathische Stimme, daß das Waschmittel dank der neuen Formel für porentiefe Sauberkeit und strahlende Farben sorge. Tatsächlich, als er wenig später das bügelwarme Hemd zuknöpft, sieht es wie nie zuvor getragen aus...

Was uns die Werbung als Drama "verkauft", kann in anderen Situationen tatsächlich eine Katastrophe sein: Man stelle sich einen Buchrestaurator vor, dem Leim auf eine bibliophile Rarität tropft. Die Waschmaschine für Papier ist noch nicht erfunden, und Flec ken und Verschmutzungen sollte man nicht bedenkenlos mit Wasser und Chemie zu Leibe rücken. Prof. Dr. Eberhard König vom Institut für Kunstgeschichte der FU kann ein Lied davon singen: Alte Handschriften und Buchmalereien auf Pergament - die Objekte von K ö nigs Forschungsinteresse - sind äußerst heikel was ihre Reinigung betrifft. Schlimmstenfalls trennen Wasser oder Lösungsmittel die Bindung zwischen den Proteinkollagenfasern, aus denen Pergament besteht, wodurch die Proteinmoleküle abgebaut werden und sich schließlich Gelatine bildet. Alternativ zur chemischen Reinigung können oberflächliche Verschmutzungen auch mechanisch abgekratzt oder wegradiert werden. Aber auch hier kommt es zu einer Veränderung bzw. Zerstörung der Pergamentstruktur. "Besonders kritisch", so König, "sind Dokumente, die eingerissen und entlang der Risse verdreckt sind. Diese Trauerränder mit den konventionellen Methoden zu reinigen, ist kaum möglich."


Die Kunst, mit Lasern Pergament zu reinigen


Um derartige Probleme zu umgehen, gibt er einige seiner alten Buchmalereien an die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM). Hier erforscht und entwickelt Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Kautek zusammen mit einigen Mitarbeitern im Laboratorium für "Dünnschichttechnologien" im Rahmen des europäischen EUROCARE-Programmes "Laser Cleaning of Paper and Parchment", kurz "LACLEPA", ein alternatives Verfahren zur Reinigung alter Pergamente und Papiere: das Laser Cleaning. An dem Programm, sind außerdem neben dem Institut fü r Kunstgeschichte der FU noch eine Reihe renommierter Archive, Museen und Institute aus Österreich, Italien, Deutschland, Slowenien und dem Vatikan beteiligt. "Ziel ist es, einen berührungsfreien Radierer zu entwickeln, der für Pergament und Papier gleiche rmaßen eingesetzt werden kann", sagt König. In den letzten zwei Jahren haben die Naturwissenschaftler schon eine ordentliche Strecke dorthin zurückgelegt.

"Das blaue Leuchten kommt von der Fluoreszenz des Papiers", erklärt Pascale Rudolph, die kürzlich ihre Diplomarbeit an der FU über die "Laser-Reinigung von Pergament" bei Kautek, der auch Privatdozent am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie d er FU ist, beendet hat und nun promoviert. Im Labor demonstriert und erklärt sie anhand eines mit Bleistift bemalten Stücks Papier die Laser-Cleaning Methode. Der Zettel liegt auf einer Bühne, die etwa das Format eines Plattencovers besitzt und mit Hilfe eines computergesteuerten Schrittmotors horizontal bewegt wird. Der Strahl eines gepulsten UV-Lasers wird über ein Linsen- und Blendensystem auf das Papier fokussiert. Über dem blau fluoreszierenden, rechteckigen Laserspot steigt ein metallisch flirrendes W ölkchen auf: verdampftes und wieder kondensierendes Graphit. Tatsächlich ist dort, wo der Strahl über das Papier gestrichen ist, die Bleistiftbemalung deutlich blasser. Der Grund für diesen Effekt ist folgender: Bei der verwendeten UV-Strahlung absorbie rt das dunkle Graphit deutlich mehr Licht und damit mehr Energie, als vergleichsweise die weiße Papieroberfläche. Bei einer hohen Intensität des Lasers - das heißt, wenn viele Photonen in kurzer Zeit auf die Oberfläche treffen - wird genug Energie auf die Gra phitschicht übertragen, um diese so stark aufzuheizen, daß das Graphit verdampft. Die Pulse sind nur 17 Nanosekunden lang, das ist 17 Mal der milliardenste Teil einer Sekunde. "Dadurch verhindern wir, daß die Wärme in die tieferen Schichten, d.h. in da s Pa pier oder Pergament, geleitet wird und dort Änderungen bewirkt", erläutert Pascale Rudolph. Und da der Laserstrahl bereits zum großen Teil in der Graphitschicht absorbiert wird, dringt er auch nicht bis zum Papier oder Pergament vor - die Technik arbe itet also sehr oberflächenempfindlich. Aber was passiert, wenn die Graphitschicht abgetragen ist? Nach den Abschätzungen, die die Wissenschaftler gemacht haben, absorbiert Pergament beim Einsatz von UV-Licht nur einen Bruchteil der Laserenergie, die Graphi t abs orbiert, so daß sich unter den gegebenen Umständen das Pergament nicht stark genug erwärmen kann, um geschädigt zu werden.


Vom Leiden der Bücher


Gut 500 Jahre ist es her, daß in einer Werkstatt in Brügge ein Stundenbuch angefertigt wurde, mit aufwendig verzierten Initialien und der Gravur "OFFICE DE L´EGLISE" in Goldlettern auf dem Buchrücken. Die vielen Hände, durch die es wanderte, haben ihre Spu ren hinterlassen: Die Seiten sind verschmutzt, besonders an den Ecken, wo sie zum Blättern angefaßt wurden. Vor allem aber hat irgendwann irgendwer einige Stellen in der Handschrift mit schwarz-brauner Tinte verunziert. Gleich auf der Titelseite sprang de m Betrachter noch vor einigen Monaten eine dieser Stellen ins Auge: Ein schwarz-braunes "M" direkt über der Initialie. Nachdem Kautek und seine Mitarbeiter dort das Laser Cleaning erprobten, sieht man jetzt nur noch schemenhaft die tief in das Pergament ei n gedrungenen Reste der Tinte (siehe Seite 46, rechts unten). Einen Waschmittelhersteller würde das Resultat vermutlich nicht zufriedenstellen, wohl aber einen Kunsthistoriker oder Restaurator. Tatsächlich ist das Ziel nicht unbedingt, ein Dokument in den ur sprünglichen Zustand zurückzubringen, sondern vielmehr alte Handschriften oder Buchmalereien, die aufgrund von Verschmutzungen unlesbar oder unkenntlich geworden sind, wieder "hervorzuholen". Porentiefe Sauberkeit wäre auch aus einem anderen Grund gar n ich t wünschenswert: Oft beschränken sich oberflächlicher Schmutz und Flecken nicht auf die unbeschriebenen Ränder sondern finden sich mitten zwischen der Schrift oder auf Malereien. In diesen Fällen ist es gerade von Vorteil, daß Farbe und Tinte tiefer in das Pergament einziehen und dadurch bei einer Reinigung erhalten bleiben. Ein Beispiel dafür ist das Notenblatt aus einem ca. 500 Jahre alten süddeutschen Chorbuch, das bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg mit Staub von einstürzendem Mauerwerk ver schm utzt, an den Rändern vom Feuer versenkt wurde, und dessen Oberfläche durch das bei der Löschung zunächst aufgesaugte und anschließend verdampfte Wasser aufgerissen und aufgerauht wurde. Hier entfernte der Laser mit gutem Erfolg Staub und Rußpartikel, ohne die mit Tinte geschriebenen Noten auszubleichen. Allerdings zeigte sich hier auch ein grundsätzliches Problem der Laser-Cleaning Methode. "Die Notenlinien sind mit roter Farbe gezogen worden. Und wie man sieht, haben sich dort, wo der Laser darüberstr ahlte , die Linien dunkel verfärbt." Pascalle Rudolph mutmaßt, daß es sich bei der roten Farbe um Mennige - ein rotes Bleioxid - handeln könnte, welches unter der Einwirkung von Licht zu schwarzem Bleidioxid reagiert. Tatsächlich gibt es mehrere Pigmente, die n icht lichtbeständig sind, und deren Verhalten bei unterschiedlichem Laserlicht noch nicht völlig klar ist. Für Buntes eignet sich das Verfahren bisher also nur bedingt.


Stein, Glas und Papier


Vor etwa 25 Jahren hat der amerikanische Physiker J. S. Asmus in Venedig die Wirkung von Laserlicht auf verkrustete Marmoroberflächen untersucht. Dabei beobachtete er, daß die dunkle Kruste sich auflöste und darunter der unversehrte Marmor zum Vorschein ka m. "Bei Steinrestauratoren ist dieses Laser-Cleaning mittlerweile weitestgehend akzeptiert," sagt Eberhard König und zählt die Vorteile des Verfahrens auf, "der Laser hat eine geringe physikalische Stoßwirkung und trümmert nicht wie die in Strahlverfahren verwendeten Körner auf die Oberfläche. Er kann sofort abgeschaltet werden, und es gibt keinen Beleg für eine geisterhafte Nachwirkung. Und schließlich ist er nicht toxisch, d.h. er ändert die Chemie nicht." Warum das Verfahren bei der Reinigung wertvoller Dokumente oder anderer kunsthistorischer Gegenstände erst seit kurzem ein ernsthaftes Interesse weckt, weiß auch Wolfgang Kautek nicht. Vielleicht liege es daran, daß meist Physiker Laser "in der Hand" haben. "Wir Chemiker", mutmaßt er, "haben eventuell einen mehr interdisziplinären, ganzheitlichen Blick...? " Dabei zeigen sich die Vorteile in vielen Bereichen. So können beispielsweise bei einer herkömmlichen chemischen Reinigung alter Glasfenster nicht nur die Verschmutzung ab-, sondern unter Umständen a uc h Bestandteile des Glases herausgelöst werden. Aber noch sind die Risiken auf diesen Gebieten nicht genau eingeschätzt und die möglichen Anwendungen längst nicht erschöpft. Um hier einen Überblick zu schaffen, geben Kautek und König gemeinsam mit vier a nde ren europäischen Wissenschaftlern einen ersten Sammelband zum Thema "Laser- Cleaning von Kunstwerken" in der Serie "Restauratorenblätter" heraus. An einem zweiten Band wird derzeit gearbeitet.

Gabriele Andrè


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