Akademischer Senat beschließt neue Struktur

Die FU verliert bis zum Jahr 2003 die Hälfte ihrer Professuren


Der Akademische Senat hat am 26. November vorbehaltlich eines Gruppenvetos der Studierenden auf Grundlage der Empfehlungen der Entwicklungsplanungskommission (EPK) die künftige Struktur der Freien Universität beschlossen und den Beschluß am 3. Dezember be stätigt. Danach wird die FU ihr breites Fächerspektrum behalten. Das besondere Profil der Universität wird durch die kleinen Fächer bestimmt. Nach ersten Vorgesprächen sollen an der FU die Schwerpunkte Naher und Ferner Osten sowie Archäologie-Frühgeschichte gelehrt werden, während die Humboldt-Universität sich auf die Region Indien und Afrika spezialisieren möchte.


FU behält breites Fächerspektrum


Die drastischen Haushaltskürzungen des Landes Berlin - bis zum Jahr 2003 erhält die FU 235 Millionen Mark weniger Zuschüsse - zwingen die FU zur strukturellen Umsetzung dieser Vorgaben, bei denen die Halbierung der Zahl der Professuren von 720 in 1992 auf 368 im Jahr 2003 vorgenommen wird. Die Professuren verteilen sich nach dem Beschluß des Akademischen Senats vom 2. Juli auf 2:1 Geistes- und Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften. Durch die Festlegung auf 368 will sich die FU ein Mindestmaß an Inno vationsreserve und Entwicklungsspielraum für Forschung und Lehre erhalten. Nach den Empfehlungen zur Grundausstattung erhalten die Naturwissenschaften 117 Professuren, die Geistes- und Sozialwissenschaften 226, die Fachdidakten acht Professorenstellen, was 351 Professuren entspricht. 17 Stellen wurden als Planungsreserve vorgehalten. Davon erhalten die noch nicht durch eine auswärtige Kommission evaluierten Geistes- und Sozialwissenschaften 12 Stellen als Innovationsreserve. Fünf weitere Stellen hat die EPK als Grundlage für weitere Verhandlungen mit der Humboldt-Universität über die mögliche Verlagerung von Professuren reserviert. Bei der Verschiebung einzelner Fächer gehen die Professoren- und Mitarbeiterstellen an die andere Hochschule über. Nach Bewi lligung der Strukturplanung durch den Akademischen Senat stehen nun Verhandlungen über die Verlagerung kleiner Fächer an die übrigen Berliner Hochschulen an, die dazu ihrerseits Strukturpläne verabschieden müssen bzw. verabschiedet haben. Die Zahlen für die naturwissenschaftlichen Stellen an der FU bleiben dabei hinter den Empfehlungen der Kommission zur Evaluierung der Berliner Naturwissenschaften zurück. Trotz der drastischen Senkung der Professuren auf 368 im Jahr 2003 ist noch nicht ausgemacht, ob die 368 Professuren finanzierbar sind. So geht die EPK davon aus, daß die Altersversorgung für Beamte und Professoren künftig aus dem Landeshaushalt übernommen wird wie dies in anderen Bundesländern längst der Fall ist. Andernfalls müßte die FU im Jahr 2003 rund 50 Millionen Mark für Altersbezüge aufbringen. Hinzu käme die nötige Ausfinanzierung der Ausgaben für Beihilfen, Tarifsteigerungen u.a. Außerdem drohen nach Ablauf der mit dem Land Berlin geschlossenen Verträge weitere Kürzungen ab dem Jahr 2000 von 76 M illionen Mark.

Damit die FU angesichts solch drastischer Sparmaßnahmen weiterhin ein breites Fächerspektrum bieten kann, ist eine Reduzierung der Fächer auf ihre Kernkompetenz nötig. Die FU hat sich dabei ganz bewußt dafür entschieden, die kleinen Fächer nicht zugunsten der großen zu benachteiligen. Grundlage der künftigen Profilbildung war die Analyse der Stärken und Schwächen der Fächer, wie sie die EPK in ihrem Sturukturplan vorgelegt hat. Danach ist die FU eine "glänzende Universität, die den Vergleich mit anderen Universitäten in keiner Weise scheuen muß". Die besondere Stärke der FU wird auch künftig in den sogenannten Regionalinstituten liegen, die mit dem John-F.-Kennedy-, dem Lateinamerika- und dem Osteuropa-Institut eine lange Tradition besitzen. Zusätzlich solle n zwei weitere regionalbezogene Institute, ein Institut für den Vorderen Orient und ein Institut für Ostasien gegründet werden. Außerdem will die FU interdisziplinäre Zentren gründen und ihre profilbildenden Schwerpunkte auf bereits bestehenden Fächeraktiv itäten aufbauen wie: Komparatistik, Life Sciences, Internationalisierung etc.


Fachbereiche bestimmen Profil selbst


Die vom Akademischen Senat verabschiedete Strukturplanung stellt dabei lediglich einen ersten Orientierungsrahmen dar, innerhalb dessen die Fachbereiche ihr künftiges Profil bestimmen können. "Wir konnten nicht das künftige Profil aller Fachbereiche vorgeb e n", sagt Hans Merkens, Vorsitzender der EPK. Die genaue Berechnung der Professorenstellen auf die einzelnen Fächer sei aber auch deshalb notwendig, damit die verfügbaren Studienplätze über die sogenannte Stellenäquivalierung berechnet werden können, was in sbesondere in NC-Fächern eine wichtige Rolle spielt.

Die Berechnung der Professuren steht dabei noch unter dem Vorbehalt der Absprache mit den anderen Hochschulen, der geplanten Neustrukturierung der Fachbereiche sowie einer kapazitätsrechtlichen Überprüfung.

Nach der verabschiedeten Strukturplanung sollen große Fächer, wie die Rechtswissenschaft, künftig nicht mehr als 20 Professuren erhalten, die mittleren Fächer bis zu 15, die kleineren Fächer bekommen sogar nur noch ein bis zwei Professuren.

Grafik2Lankwitz unter dem Trommellärm von 70 protestierenden Studierenden

Obgleich bei der Ausstattung mit nur einer Professur überprüft werden muß, wie ein Magisterstudiengang im Verbund mit anderen Fächern erhalten werden kann, hat sich der Akademische Senat auf seiner Sitzung am 26. November dafür ausgesprochen, die in Berlin einmalige Semitistik mit einer Professur an der FU zu erhalten. Auch die evangelische Theologie soll an der FU im Verbund mit der Religionswissenschaft vertreten bleiben. Vor einer Entscheidung über die Vergleichende Musikwissenschaft ist eine Abstimmung mit den anderen Berliner Hochschulen notwendig.

"Wir haben die Professuren auch deshalb so knapp kalkuliert, um möglichst viele wissenschaftliche Mitarbeiterstellen zu erhalten", sagt Hans Merkens.

Künftig sollen die Geistes- und Sozialwissenschaften 448 Mitarbeiter, die Naturwissenschaften noch 310 Stellen erhalten. Hinzu kommen 188 Stellen, die für die zentralen Bereiche bzw. als Innovationsreserve vorgesehen sind.

Über die Strukturplanung war seit dem EPK- Bericht ein Jahr öffentlich diskutiert worden. Im Sommer hatte die EPK die Fachbereiche in zwei Runden öffentlich angehört. Die Fachbereiche und Institute haben über ihre künftige Struktur z.T bereits Beschlüsse gefaßt. Angeregt von den hessischen Studentenprotesten boten die bevorstehenden Veränderungen den Auslöser für eine studentische Protestbewegung an der FU. Auf zwei Sitzungen des Akademischen Senats konnte die Strukturplanung nicht verabschiedet werden.

FU-Präsident Johann W. Gerlach entschied deshalb auf der Senatssitzung am 12. November, die Sitzung zu unterbrechen und mit den rund 500 protestierenden Studenten über die Folgen der Berliner Sparpolitik zu diskutieren. Am darauffolgenden Montag fand ein m ehrstündiges Hearing mit Hans Merkens statt, um über die Strukturplanung zu diskutieren.

Nachdem die Sitzung des Akademischen Senats am 19. November wiederholt verhindert wurde, tagte das Gremium in der folgenden Woche auf dem Hochschulgelände in Lankwitz unter dem Trommellärm von 70 protestierenden Studierenden.

Auf dieser Sitzung legten die vier studentischen Vertreter im Akademischen Senat ihr suspensives Gruppenveto ein, da aus ihrer Sicht die Strukturplanung der FU noch zu wenig mit den anderen Hochschulen abgesprochen sei.

Der Akademische Senat und FU-Präsident Gerlach zeigten für den studentischen Protest großes Verständnis, schließlich hatten sowohl der Akademische Senat als auch der Präsident gegen die drastischen Einsparsummen immer wieder vehement protestiert. Mit großer Deutlichkeit wies FU-Präsident Gerlach in einem Schreiben an die Studierenden darauf hin, den Protest an die richtigen Adressaten zu richten, um es im Interesse breiter Solidarität nicht zu einem inneruniversitäten Konflikt kommen zu lassen.

Felicitas v. Aretin


Ihre Meinung:Grafik1

[vorherige [Inhalt] [nächste