Querelles. Ein Jahrbuch in der Tradition europäischer Geschlechterdebatten

Wenn Frauen streiten


"Der Wunsch aller Männer, ihre wahre Natur im Schreiben zu zeigen, ist unbeschreiblich, und sie gehen so darin auf, daß auf nichts mehr geachtet wird. [...] Wenn ihre Einbildungskraft den Leisten überspannt hat, so daß sie feststecken, dann bleibt ihnen nur noch ein Ausweg, und zwar, über uns Frauen zu schreiben", beginnt eine Schriftstellerin, die sich als Edeldame Jane Anger bezeichnet, 1589 ihren Schutzbrief für Frauen. In ihm nimmt sie nicht nur das weibliche Geschlecht gegen die in zeitgenössischen Traktaten von Männern formulierte Frauenschelte in Schutz, sondern beweist mit Hilfe theologischer Schlußfolgerungen, "daß Frauen weiser [sind] als Männer."

Der Schutzbrief ist Teil eines europäischen 'Geschlechterstreits', der seit dem 15. Jahrhundert in Texten und Bildern ausgetragen wurde. In ihm sind "die Frauen" Objekte der Auseinandersetzung, aber auch als Subjekte mit eigener Stimme beteiligt. Als historisches Phänomen wird der Streit seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Querelle des Femmes bezeichnet.

Mit diesem Phänomen und der Geschichte des Begriffs haben sich die Professorinnen Gisela Bock und Margarete Zimmermann in dem von ihnen herausgegebenen Band "Die europäische Querelle des Femmes. Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert" (Stuttgart und Weimar: Metzler 1997) beschäftigt. Die Themenbeiträge des Bandes dokumentieren die starke Präsenz des "Geschlechterstreits" in Traktaten, Pamphleten und literarischen Texten und zeigen deren bildliche Tradition am Beispiel von Wandteppichen, Emblemata und Gemälden. In der Rubrik "Fundstücke" sind neben dem Schutzbrief weitere Beispiele für Frauenlob- und -schmähschriften sowie die neuentdeckte früheste deutsche Übersetzung eines Werkes von Christine de Pizan: "Von dem vechten vnd von der ritterschafft" (um 1450) abgedruckt.

Die Reihe, in der dieser Band (als zweiter) erschienen ist, trägt den Namen Querelles. Dieser Titel ist Programm. Das "Jahrbuch für Frauenforschung" knüpft an die Tradition der europäischen Geschlechterdebatten an und will einen Ort der Streitkultur in der Frauen- und Geschlechterforschung schaffen. Für die nächsten Jahre sind Bände zu den Themen "Freundschaft", "Androgynie" und "Biographik" in Vorbereitung.

Der erste Band (herausgegeben von Angelika Ebrecht, Irmela von der Lühe, Ute Pott, Cettina Rapisarda und Anita Runge) beschäftigte sich 1996 mit dem Thema "Gelehrsamkeit und kulturelle Emanzipation". Im Mittelpunkt der Themenbeiträge steht die Frage, ob un d wie sich Frauen verschiedener europäischer Länder in den vergangenen Jahrhunderten als Gelehrte Zugang zum kulturellen Prozeß verschaffen konnten. In einigen erstmals veröffentlichten Briefen aus dem 18. Jahrhundert äußern sich Gelehrte der damaligen Zei t zu diesem Problem; in der Rubrik "Forum" beschreiben Wissenschaftlerinnen von heute (pseudonym) ihre Erfahrungen. 1996 wurde "Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung" mit dem Margherita-von-Brentano-Preis ausgezeichnet.

Querelles erscheint in Ergänzung zu den monographischen Arbeiten in der Edition "Ergebnisse der Frauenforschung an der Freien Universität Berlin". In dieser interdisziplinären Reihe werden seit nunmehr 1985 herausragende Frauenforschungsarbeiten gesammelt und mit Druck- und Satzkostenzuschüssen gefördert. 46 Bände liegen inzwischen vor; weitere sind in Vorbereitung. Ein Herausgeberinnengremium entscheidet auf der Grundlage externer Gutachten über die Aufnahme in die Reihe. Bewerbungen werden jederzeit entge gengenommen; bei Interesse bitte wenden an: Dr. Anita Runge, ZE Frauenstudien/Frauenforschung, Königin-Luise-Str. 34, 14195 Berlin, Tel. 838-2482.

Anita Runge

Dr. Anita Runge ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Mitherausgeberin des ersten Bandes von "Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung.und der Edition "Ergebnisse der Frauenforschung".


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