Der Religonshistoriker und Theologe Carsten Colpe wurde emeritiert:

Wissenschaft und Politische Moral


Prof. Dr. Dr. Carsten Colpe gehört zu einer Professorengeneration, die ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Freien Universität mitten in der Studentenrevolte begann und den Aufstieg der demokratischen Massenuniversität engagiert miterlebte und mitgest altete.

Als Carsten Colpe im März 1968 auf das Ordinariat für Iranische Philologie an der FU berufen wurde, hatte der damals 38-jährige bereits seit sechs Jahren eine Professur für Allgemeine Religionsgeschichte in Göttingen inne. Er war 1955 mit einer Dissertation Der Manichäismus in der arabischen Überlieferung , die neu überarbeitet demnächst in der Reihe Studies in Oriental Religion wieder erscheinen wird, Dr. phil. geworden. 1960 promovierte er zum Dr. theol. mit einer bekannt gewordenen Arbeit über Die religionsgeschichtliche Schule. Darstellung und Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus. Der zweiten Dissertation waren die Habilitation in Göttingen für das Fach "Religionsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der Umwelt des Neuen Testaments" und die Umhabilitation nach Hamburg im selben Jahr gefolgt.

Seine Lehrtätigkeit in Göttingen hatte Colpe 1963/64 für eine Gastprofessur in Yale über "The History of Religions" unterbrochen; die darauffolgende Einladung, die Nachfolge von E. R. Goodenough als Professor dieses Faches anzutreten, indes abgelehnt. Von März 1969 bis Oktober 1974, in der heißesten Zeit des Umbruchs an den deutschen Universitäten und zu einer Zeit, da das persische Schah-Regime in öffentlichen Debatten in der Bundesrepublik eine große Rolle spielte, war Carsten Colpe Professor für Iranistik an der FU. Neben zahllosen Arbeiten zu religionshistorischen Themen im weiteren und iranistischen Themen im engeren Sinne, verfaßte Colpe 1971 auch eine "Offene Antwort an die Kaiserlich-Iranische Botschaft in Köln auf die Einladung zur 2500-Jahr-Feier der iranischen Monarchie". Er schreibt: "Hier [in der iranischen und der deutschen Studentenbewegung] hätte es böse Folgen für unser aller politische Moral, auf deren Glaubwürdigkeit in der Zukunft vieles ankommt, wenn ich meine demokratischen und wissenschaftlichen Absichten durch Teilnahme an den Feierlichkeiten auf Kosten Ihrer Regierung nachträglich zur Lüge machen würde. Abgesehen von solchen Rücksichten, wünsche ich auch mich persönlich als denkenden Menschen nicht zu kompromittieren, als könne ich zwi schen der religiösen und politischen Freiheit unter König Kyros, welcher nach den Worten Ihres Begleitbriefes gedacht werden soll, und der gegenwärtigen Verachtung der Menschenrechte durch die iranische Regierung nicht unterscheiden."

Die in diesem Brief zum Ausdruck gebrachte Haltung, das Bemühen um Gerechtigkeit und wissenschaftliche Richtigkeit, hat Colpe niemals aufgegeben; und sie ist es auch, die ihm in der internationalen Forschung, in der Lehre und in allen Turbulenzen der Hochs chulpolitik die Hochachtung seiner Kolleginnen und Kollegen sowie seiner Schülerinnen und Schüler stets aufs Neue eingebracht hat.

Eine größere Zäsur in Carsten Colpes Arbeit an der FU begann 1974 mit einer Gastprofessur an der University of Chicago, wo er nach zwei Monaten eine Einladung, Nachfolger von Mircea Eliade zu werden, erhielt. Über diesen Ruf hat er lange nachgedacht, sich aber schließlich zugunsten der FU entschieden. Seit 1975 lehrte Carsten Colpe Allgemeine Religionsgeschichte und Historische Theologie am Fachbereich Philosophie und Sozialwissenschaften II. Die Unermüdlichkeit, mit der er seine Aufgaben trotz langer schwe rer Erkrankung über die Jahre erfüllte und viele Studierende an seinem durch das Wort "groß" nur unzureichend beschriebenen Wissen teilhaben ließ, läßt hoffen, daß er auch jetzt nicht einfach aus der Universität verschwunden sein wird.

Gesine Palmer


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