Der US-Filmregisseur Elia Kazan wird auf der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet

Das kritische Auge Amerikas


Mit Elia Kazan wird dieses Jahr auf den Internationalen Filmfestspielen ein Mann geehrt, dessen Leben und Werk keineswegs unumstritten und sicher nicht gradlinig waren. Elia Kazan war Mitglied der Kommunistischen Partei und drehte sozialkritische Filme, d ie althergebrachte Autoritäten und Werte anzweifelten. Er, der einer traditionalistisch-hierarchischen griechischen Familie entstammt, hatte nach eigenem Bekennen größte Probleme mit dem Libertinismus Amerikas.

Elia Kazan stellte sich 1952 freiwillig dem "House Un-American Activities Committee", das in der McCarthy-Ära auszog, um Hollywood vor einer vermeintlichen kommunistischen Unterwanderung zu schützen und dabei das Leben und die Karrieren viele r Künstler zerstörte. Dort gab er die ö freilich bereits bekannten ö Namen von zum Teil ehemaligen KP-Mitgliedern preis, um seine eigene Karriere zu schützen. 1953 drehte er zur Freude der Rechten den deutlich antikommunistischen Film Man o n a Tightrope über die Flucht eines Zirkus aus dem Ostblock, behauptet aber in dem 1974 erschienenen Buch Kazan on Kazan, erst nach seiner Aussage vor dem Ausschuß habe er angefangen, sinnvolle, progressive und linke Filme zu drehen.


Nicht unumstritten: Elia Kazan und seine Arbeit als Regisseur

Der 1909 in Istanbul als Elia Kazanjoglous geborene Regisseur, Produzent und Autor hatte durchaus ein waches Auge für die vielen Mißstände in seiner Adoptivheimat Amerika. So zeigte er in einem seiner ersten Filme, Gentleman«s Agreement von 1947, den verborgenen Antisemitismus in den Vereinigten Staaten auf, während Pinky (1949) den "normalen" Rassismus thematisierte. Auch Viva Zapata! (1952) richtete sich indirekt gegen die USA und ihren Imperialismus, ging es doch um die Revolte von 1910, wo sich Gruppen von mexikanischen Arbeitern unter Zapata und Villa gegen das korrupte und von den USA unterstützte Regime Diaz aufgelehnt hatten. On the Waterfront (1954) erzählt von der Unterminierung der Gewerkschaften durch Gangster kreise, East of Eden (1955) entlarvte den Mythos der glücklich-gesunden amerikanischen Familie, ebenso Baby Doll (1956), wenn auch auf einer anderen thematischen Ebene. A Face in the Crowd (1957) berichtete von den Verführungskünsten und Ma nipulationsmög-lichkeiten der Medien.

Trotz ihrer kritischen Grundhaltung gefielen die Filme dem amerikanischen Publikum, während Kazans Filme aus den 60er Jahren, America, America und The Arrangement (selbstkritische und stark autobiographische Einwanderergeschichten, zu denen Kazan selbst die Romanvorlagen geschrieben hatte) floppten, und The Visitors von 1972, ein Film, der den Impakt des Vietnamkriegs auf die amerikanische Gesellschaft herausarbeitete, gar auf heftige Ablehnung stieß. Immer betrachtete Kazan das Individuum, das einsam gegen die Konformität und für sein eigenes Verständnis des "Guten" kämpfte, mit Wohlwollen und melancholischer Nachsicht, obwohl dieses durchaus auch schwache und fiese Seiten offenbarte. Vielleicht war Kazans Verständn is für die Ambivalenz seiner Charaktere ein Eingeständnis seiner eigenen Wankelmütigkeit. Genauso wenig wie er es im übrigen trotz seiner künstlerischen Grundausrichtung vermochte, der etablierten Herrschaft (in Form des Kongre&sz lig;ausschusses) etwas entgegenzusetzen, so wenig gelingt es auch seinen Charakteren, durch ihr Verhalten bestehende Strukturen zu verändern.

Marlon Brando kann die Macht der Drahtzieher in Waterfront nicht brechen, und James Dean in East of Eden buhlt bis zum Schluß um die Liebe seines bigotten Vaters, ohne daß dieser sich je für sein liebloses, selbstgerechtes Verhalten en tschuldigt.

Obwohl sich also die politische Zwiespältigkeit sowie der triefende Moralismus, die überholte Kitschigkeit und die oft klischeehafte Dramaturgie im Werk Elia Kazans nicht übersehen lassen, zeichnen sich die meisten seiner Filme durch &uu ml;berzeugende darstellerische Leistungen, beeindruckende optische Gestaltung und stimmige Atmosphäre aus.

Elia Kazan war übrigens 1948 Mitbegründer des Actor«s Studio in New York und entwickelte dort zusammen mit Lee Strasberg die Methode Stanislawskis weiter, wonach der Darsteller vollständig mit der darzustellenden Person fusionieren mu&sz lig;. Und noch etwas Trivia aus dem Leben des Meisters: Kazan ist ein Berliner. Von 1912 bis 1913 lebte er hier mit seiner Familie, bevor diese nach Amerika ging.


Monica Brandis

Monica Brandis hat Amerikanistik, Geschichte und Publizistik an der FU studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Berlin.


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