Vom Rhein an die Spree: Fast keiner will umziehen, Frauen besonders zurückhaltend

Nicht ohne meinen Partner


Durch den bevorstehenden Regierungsumzug von Bonn nach Berlin wurde ein regelrechtes Umzugskarussell an verschiedenen Standorten in Gang gesetzt. Betroffen sind diverse Bundeseinrichtungen in Berlin, Bonn und im Rhein-Main-Gebiet. Im Rahmen einer vom Senat für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen finanzierten Studie des Frauenförderprogramms (Leitung: Dr. Christine Kalb) wurden die Handlungsmuster erwerbstätiger Frauen für bzw. gegen einen Umzug mit "ihrer" jeweiligen Behörde untersucht. Grundlage der Studie ist eine von uns 1995/96 durchgeführte schriftliche Befragung von 979 weiblichen und männlichen Behördenmitarbeitern in Berlin, Bonn und Frankfurt am Main.

Die Auswertung der Fragebögen ergibt, bezogen auf die Gesamtheit der Befragten aller drei Standorte, eine sehr geringe Umzugsbereitschaft von lediglich 22,1 Prozent der befragten Behördenmitarbeiter. Weitere 25,4 Prozent sind noch unentschlossen, 52,5 Prozent schließen einen Umzug für sich aus.


Marlene Dietrich hatte die Koffer schon gepackt in dem Film: "Die Reise ins Ungewisse"

Nach den Ergebnissen der Studie liegen die Haupteinflußfaktoren auf die Umzugsentscheidung im familiären Bereich und in der Haltung des sozialen Umfeldes zum Behördenumzug. Hingegen spielen Faktoren wie Unterschiede in der Kulturlandschaft, dem Freizeit- und Naherholungsangebot, dem ÖPNV oder Kitaplätze und Schulsystem keine Rolle bei der Umzugsentscheidung. So sind die Befragten, Frauen wie Männer, überwiegend nur dann umzugsbereit, wenn auch die Familie/Partner einem Umzug der Behörde eher zustimmend gegenüber steht. Frauen zeigen sich insgesamt stärker bereit als Männer, die Haltung von Familie/Partner und dem weiteren sozialen Umfeld zum Behördenumzug bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Sie messen auch der Haltung ihres Lebenspartners generell eine höhere Bedeutung für ihre Umzugsentscheidung bei.

Arbeitsplatzzufriedenheit und Dauer der Zugehörigkeit zur Dienststelle spielen bei der Entscheidung mit der Behörde umzuziehen erstaunlicherweise keine Rolle. Auswirkungen haben vielmehr ein berufs- und zielorientiertes Persönlichkeitsprofil der Befragten wie auch die Dienstgruppenzugehörigkeit. So führt eine Tätigkeit im höheren Dienst zu einer erhöhten Umzugsbereitschaft. Dies gilt insbesondere auch für jene Frauen, die der Arbeit für ihr Leben einen hohen Stellenwert beimessen und überwiegend in höheren Positionen zu finden sind.

Erwartungsgemäß sind ledige und kinderlose, und zwar geschlechtsunabhängig, umzugsbereiter als verheiratete oder Befragte mit Kindern. Überraschend zeigt sich aber kein direkter Einfluß der Partnererwerbstätigkeit oder -nichterwerbstätigkeit auf die Umzugsentscheidung. Weiterhin wirkt sich bei den Befragten die Verbundenheit mit ihrem bisherigen Lebensraum, beispielsweise durch Geburt vor Ort, umzugshemmend aus. Sie wird von Frauen noch stärker als von Männern empfunden und findet auch darin ihren Ausdruck, daß Frauen ein Ortswechsel noch schwerer fällt als Männern. Ganz offensichtlich ist für Frauen die Einbindung in ein soziales Umfeld am derzeitigen Ort in Verbindung mit häufig bestehenden Netzwerken deutlich wichtiger als für Männer, und im Rahmen ihrer zumeist vorhandenen Doppelbelastung auch dringend erforderlich.

Insgesamt läßt sich feststellen, daß sich Frauen noch stärker als Männer von den infrastrukturellen Veränderungen bedingt durch das Behördenumzugskarussell betroffen sehen. Zu verbessern ist diese Situation wohl vor allem durch die Abkehr von einer dezentralen, hin zu einer zentralen, behördenübergreifenden Personalbörse, um die Auswirkungen des Regierungsumzuges individuell und sozialverträglich für die Bediensteten zu gestalten. Dadurch würde die Funktionsfähigkeit der Behörden und Einrichtungen vor, während und nach dem Umzug am ehesten gewährleistet. Im Hinblick auf die Umzugsentscheidung gibt es bei Frauen einen relativ hohen Anteil (27%) an noch unentschlossenen. Insbesondere bei dieser Personengruppe ist, wenn hierzu die Notwendigkeit gesehen wird, durchaus die Möglichkeit gegeben, durch Planungssicherheit, ein transparentes Umzugsmarketing und durch die Bereitstellung entsprechender Maßnahmen, weitere umzugsbereite Bedienstete zu gewinnen.

Christine Kalb / Ralph Nessel

Christine Kalb hat in Frankfurt/M., Genf und Berlin studiert, an dar FU prcmoviert. Sie ist Lehrbeauftragte an der FU sowie Geschäftsführerin von City & Career Consult. Ralph Nessel hat Soziologie und Rechtswissenschaft in Frankfurt/M. und an der FU studiert. Er ist freier Mitarbeiter bei City & Career Consult.


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