Sybille Volkholz zu den Verfassungsgerichtsurteilen

Ambivalenter Erfolg der Universitäten


Recht haben heißt bekanntlich noch nicht Recht bekommen. Aber selbst Recht bekommen macht nicht immer automatisch glücklich, wie der jüngste Erfolg der Berliner Universitäten beim Verfassungsgericht belegt: Der Genugtuung darüber, daß das Haushaltsstrukturgesetz bezüglich der FU-Zahnmedizin und der HUB-Pharmazie rechtswidrig ist, steht eine ernüchternde Erkenntnis gegenüber: Zwar dürfen die Universitäten diese Studiengänge behalten, aber sie müssen auch nachträglich Studienanfänger aufnehmen. Von den bereits gestrichenen Mitteln wird ihnen jedoch keine müde Mark zurückerstattet. Sybille Volkholz zählt zu den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, denen das Verdienst gebührt, die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht nur politisch angeprangert, sondern auch gerichtlich verhindert zu haben. In ihrem nachfolgenden Beitrag für die FU:Nachrichten zieht sie ein Resümee.


Der Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofs, Prof. Dr. Klaus Finkelnburg (3. v. r.), begründete das Urteil zur Klage der Abgeordneten von Bündnis 90 / Die Grünen und PDS.

Das Verfassungsgericht hat am 22. Oktober '96 in einem Normenkontrollverfahren, das von 63 Abgeordneten von Bündnis 90 / Die Grünen und der PDS angestrengt worden war, festgestellt, daß die Schließung der Zahnklinik Süd der FU und der Pharmazie an der HUB in dem Haushaltsstrukturgesetz verfassungswidrig und damit nichtig ist. Ab sofort können damit Studierende in beiden Studiengängen aufgenommen werden. Das Verfassungsgericht begründete seinen Spruch insbesondere mit Bezug auf den Artikel 21 der Verfassung von Berlin (VvB), der die Freiheit von Forschung und Lehre garantiert. Es sah in dem nur einem Monat dauernden Gesetzgebungsverfahren die Hochschulen nicht ausreichend einbezogen. Es sei den Hochschulen nicht ausreichend Zeit zur Entwicklung von Stellungnahmen und eigener Alternativen zugestanden worden. Insofern ist dieser Erfolg der Opposition auch ein Erfolg für die Berliner Hochschulen, ist ihnen doch ein verfassungsmäßig geschützter Status zugestanden worden, den die Politik zu respektieren hat. Damit ist auch klargestellt, daß die Hochschulen als Institution die Verfassungsgarantie der Freiheit von Forschung und Lehre beanspruchen können. Dies wird von der CDU bis heute bestritten, wollen sie dies Recht doch nur der Person des Forschers und Lehrers zugestehen. Das Verfassungsgericht hat allerdings nicht die Frage des Artikels 17 VvB oder 12 Grundgesetz (GG) geprüft, die den freien Zugang zu Beruf und Ausbildung regeln. Dies war ein wesentliches Argument der Opposition, daß bei der Reduzierung von Studienplätzen in harten NC-Fächern der Staat zu einer sorgfältigen Abwägung der Kapazität verpflichtet ist. Dies war im Gesetzgebungsverfahren sträflich vernachlässigt worden, bleibt aber nach diesem Gerichtsspruch ungeprüft. Im weiteren wurde allerdings ausdrücklich betont, daß der Staat sehr wohl berechtigt ist, zwecks Sparmaßnahmen in die Hochschulen hineinzuregieren, nur muß er ihnen ausreichend Zeit zur Stellungnahme geben.

Damit wird diese Frage weiterhin politisch zu entscheiden sein.

Leider hatten die Hochschulen mit ihrer Klage vor dem Verfassungsgericht nur insofern Erfolg, als auch hier die bereits festgestellte Verfassungswidrigkeit bestätigt wurde. In der Frage der gemeinsamen Finanzkommission hat das Gericht sinngemäß festgestellt, daß das Gesetz so schlampig formuliert ist, daß sich die Übereinstimmung mit der Verfassung gar nicht prüfen läßt. Dies könne erst bei Aufnahme der Arbeit der Kommission festgestellt werden.

Damit hat die Koalition von SPD und CDU eine schallende Ohrfeige erhalten, ihnen ist als Gesetzgeber größte Schlampigkeit bescheinigt worden. Ob dies die Koalition im Umgang mit den Hochschulen allerdings zur Besinnung bringt, bleibt abzuwarten.

Das Urteil bewahrt die Hochschulen nicht vor weiteren Einsparungen. Wir sehen die Einsparungen als überproportional im Verhältnis zu anderen Politikbereichen an und haben erheblich geringere Summen und längere Zeiträume für die Erbringung der Einsparungen vorgeschlagen.

Gravierender aber ist die Frage, wie und wodurch die Einsparungen zu erbringen sind. Der Abbau von Studienplätzen ist die allerschlechteste Variante, beeinträchtigt er doch ganz massiv den Bildungsstandort. In den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Studienberechtigten in Berlin und dem Rest der Republik zwischen 10 und 25 % steigen. Deshalb ist der Abbau des Angebotes an Studienplätzen nicht zu verantworten.

Statt dessen sollten die Hochschulen alle Ausgaben daraufhin prüfen, ob sie für den Zweck der Hochschule, für Forschung und Lehre optimal eingesetzt werden. Dazu brauchen die Hochschulen echte Globalhaushalte, sie brauchen genauso eine radikale Verwaltungsreform und die Dezentralisierung von Entscheidungen wie der gesamte öffentliche Dienst; eine Reform der Personalstruktur, die es ermöglicht, C3/C4-Professuren nicht mehr mit lebenslang Verbeamteten zu besetzen, zwischen Mittelbau und Professorenstellen flexibel entscheiden zu können. Die Studien- und Prüfungsordnungen bedürfen einer Entschlackung und aus den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollte ein Teil als Lehraufträge in die Hochschulen zurückgeholt werden. Die Gebäudebewirtschaftung muß ebenso wie die Raumnutzung auf Kostenreduzierung abgeklopft werden. Die Hochschulen sollten das Recht erhalten, Einnahmen auch dadurch zu erwirtschaften, daß sie frei werdende Liegenschaften selbst vermarkten können. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen unterstützt den Wunsch der FU nach Übertragung des ehemaligen US-Hauptquartiers. Erst dann läßt sich auch gut über Verträge verhandeln.


Sybille Volkholz (Bündnis 90 / Die Grünen) war Senatorin für Schulwesen (1989 ö 1990) und Mitglied des FU-Kuratoriums.


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