Barbara Riedmüller, Vorsitzende der Brandenburgischen Kommission für Wissenschaft und Forschung, zur Wissenschaftslandschaft

Chance für eine Neustrukturierung


Im Vorfeld der Volksabstimmung über die Länderfusion wird die Arbeit der Lobbyisten bereits sichtbar. Die Konferenzen der Hochschulrektoren von Berlin und Brandenburg haben getrennt und gemeinsam begonnen, das Terrain abzustecken. Die Gegner und Bedenkenträger suchen nach Argumenten gegen die Fusion. Ob z.B. die Länderfusion die Frauen benachteilige, wurde auf dem Hochschulfrauentag gefragt und welche Mitwirkungschancen die Frauen am Prozeß der Fusion hätten: Wie wird die Beteiligung von Berlin gegenüber Brandenburg zahlenmäßig gesichert sein. Da Berlin mehr wissenschaftliche Einrichtungen habe und mehr Menschen an den Hochschulen beschäftigt seien, müsse Berlin auch entsprechend überproportional vertreten sein, und der scheidende Senator stimmte diesem Votum freundlich zu. Alle diese Aufgeregtheiten verdecken die Chance, die Berlin durch diese Fusion mit Brandenburg erhalten könnte, eine neue Landschaft in Arbeitsteilung mit der Region zu bauen.


Die FU ist mit rund 50.000 Studierenden bislang die größte der drei Berliner Universitäten. Bis zum Jahr 2000 soll die Gesamtzahl der Studienplätze in der Hauptstadt von 115.000 auf 100.000 reduziert werden.


Betrachten wir die Ausgangslage des Neugliederungsvertrags: In einer Protokollnotiz zu Art. 24, der die Grundsätze der Landesentwicklung enthält, wird das Prozedere festgelegt. Die Vertragsparteien beauftragen die Wissenschaftsressorts, bis Ende 1997 eine gemeinsame Hochschulstrukturplanung vorzulegen. Als Kriterien dieser Planung werden Qualität und Leistungsfähigkeit, Zusammenarbeit und Wirtschaftlichkeit genannt. So weit so gut. Gleichzeitig wird als Studienplatzzahl für den Gesamtraum 134.000 festgelegt. Berlin müßte demnach über das Jahr 2000 auf 100.000 Studienplätze abbauen, Brandenburg soll seine Studienplatzzahl auf 34.500 ausbauen. Mit diesen zahlenmäßigen Vorgaben könnten beide Seiten zufrieden sein, wenn es gelingen würde, Abbau und Ausbau als einen gemeinsam geplanten Prozeß zum Nutzen beider Seiten zu verstehen. Hierin besteht auch deswegen eine Chance, weil beide Länder unter erheblichen finanziellen Belastungen stehen, so daß ein Weniger auf der einen Seite und ein Mehr auf der anderen auch ein Saldo von Risiken sein könnte. Im Klartext ö Berlin geht nicht wirklich etwas verloren, wenn es zugunsten der Region verteilt wird. Eine Vermeidung von Verlusten kann aber nur erreicht werden, wenn sich die gemeinsame Planung der Länder an einem Interessenausgleich zwischen dem starken Zentrum Berlin und der Region orientiert und Berlin gleichzeitig Aufgaben für die Region übernimmt. Im Neugliederungsvertrag wird als Ziel der gemeinsamen Planung die Festlegung von Standorten, der Fächerangebote und des wissenschaftlichen Profils der einzelnen Einrichtungen, die Begründung bzw. den Abbau von Mehrfachangeboten sowie die Personalplanung festgehalten. Dazu soll eine gemeinsame Hochschulstrukturkommission eingesetzt werden, die sich überwiegend aus auswärtigen Sachverständigen zusammensetzt. Während Brandenburg mit der Einrichtung der Kommission drängt, will Berlin sich bis Mai '96 Zeit lassen. Es ist zu hoffen, daß dies kein Signal für die künftige Geschwindigkeit der Planung ist, denn die beiden Vertragsparteien haben sich verpflichtet, bereits zum 26. Rahmenplan gemäß Hochschulbauförderungsgesetz eine einvernehmliche Planung vorzulegen.

Nicht jedes der genannten Planungsziele birgt Verteilungskonflikte in sich, z.B. sind die Standortfragen weitgehend entschieden. Ein Konfliktpunkt könnte die Frage des Ausbaus der Naturwissenschaften in Berlin und Brandenburg an den Standorten Adlershof und Golm sein. Der Wissenschaftsrat hat bereits eine Arbeitsgruppe zur Klärung der Aufgabenteilung eingerichtet. Eine frühere Abstimmung wäre hilfreich gewesen. Komplizierter ist die Abstimmung von Profilen und Fächerangeboten. Berlin hat in der Vergangenheit ein breites, quasi vollständiges Fächerangebot an den Hochschulen vorgehalten. Brandenburg hat mit der Neugründung der Universitäten und den Fachhochschulen Profilbildungen verbunden. Angesichts des Sparzwangs in Berlin könnte eine solche Profilbildung u.U. mit gemeinsamen Studienangeboten eine Chance darstellen, bestehende Fächerangebote zu erhalten. Dadurch könnten Studienplätze und Arbeitsplätze erhalten werden. Dies würde bedeuten, daß nicht überall alles angeboten wird, aber überall alles studierbar ist. Auch neue Fächerangebote könnten von Berlin und Brandenburg gemeinsam entwickelt werden. Wenn man sich über Status quo und Besitzstand hinaus freigedacht hat, wird die Chance erkennbar, auch die Berliner Universitäten neu zu profilieren. Dagegen ist die Aufgabe, Mehrfachangebote zu überprüfen, bereits zwischen den Berliner Hochschulen schwer lösbar. Nicht alles, was in der Politik als überflüssiges Mehrfachangebot gilt, erweist sich als solches, weil es integrierter Teil eines Faches ist, z.B. in der Lehrerbildung. Daß in der Vergangenheit manche Chance für kooperative und gleichzeitig arbeitsteilige Konzepte zwischen den Universitäten vertan wurde, zeigt das Beispiel Staats-/Verwaltungswissenschaften. Ein ausgebauter Schwerpunkt in Potsdam, ein Schwerpunkt an der HU und dann jüngst der Plan für ein Europäisches Zentrum für Staatswissenschaft ohne Potsdam, hätte auch anders geplant werden können.


Die Universität Potsdam residiert im Neuen Palais. Das Land Brandenburg soll bis zur Jahrtausendwende die Anzahl seiner Studienplätze von 13.000 auf 34.500 ausbauen.


Die Möglichkeit zur gemeinsamen Planung und die Herausbildung von kooperativen Strukturen der wissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg sind auch davon abhängig, daß eine organisatorische und u.U. auch rechtliche Ebene, die gemeinsames Handeln fördert, eingezogen wird. Dies stellt auch neue Anforderungen an die Verwaltung der Länder und die Selbstverwaltung der Hochschulen. Daß unter den derzeitigen finanziellen Belastungen jede Hochschule für sich handelt, muß durch gemeinsame Koordinierungs- und Planungsgremien überwunden werden. Daher sollten die Hochschulen auch an der gemeinsamen Hochschulstrukturkommission beteiligt sein, damit sich solche gemeinsamen Handlungskonzepte herausbilden können.

Barbara Riedmüller


Barbara Riedmüller ist Professorin am Institut für Innenpolitik und Systemvergleich des Fachbereichs Politische Wissenschaft der FU. Im rot-grünen Senat war die SPD-Politikerin Senatorin für Wissenschaft und Forschung.

Und was sagt Herr Erhardt?


Auszüge aus einem taz-Interview vom 7. November 1995 mit dem scheidenden Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU).

Welche Auswirkungen wird die Fusion mit Brandenburg für den Hochschulbereich haben?

Wir haben uns darauf verständigt, daß Berlin 100.000 Studienplätze haben soll und Brandenburg 34.500. Ich befürchte, daß Brandenburg diese Zielzahl weder finanzieren noch mit Studenten füllen kann. In den letzten fünf Jahren hatte Berlin beständig einen Anteil von 6,5 Prozent an den Studienanfängern im Bundesgebiet und Brandenburg von etwa 1,5 Prozent. Wie auch immer die Studierendenzahlen insgesamt steigen, werden sich die beiden Anteile auch in Zukunft nicht wesentlich ändern. Es hat dann aber wenig Sinn, wenn wir in Berlin zugunsten Brandenburgs abbauen. Wir haben die struktur- und finanzpolitisch notwendige Reduzierung auf 100.000 Studienplätze vorgenommen. Dabei sollten wir bleiben.

Dann müssen weitere Studienplätze in Brandenburg abgebaut werden?

Brandenburg muß erst einmal von derzeit 13.000 Studienplätzen und rund 17.000 Studierenden auf seine planerische Zielzahl kommen.

Wenn die Studierenden aus Brandenburg nach Berlin abwandern, müßten die entsprechenden Studienplätze dann nicht in Berlin geschaffen werden, über die Zahl 100.000 hinaus?

Berlin hat die Zielzahl 100.000 beschlossen und wird diese auch finanzieren. Die Zielzahl 34.500 für Brandenburg ist unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit und des Studenteninteresses ohnehin problematisch.


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