Zu den wirtschafts- und finanzpolitischen Aspekten der Fusion

Lust und Last der Länderehe


Wie verschieden auch immer die Assoziationen beim Wort Ehe sind, so besteht Einigkeit darüber, daß es bei der Fusion der beiden Länder Berlin und Brandenburg nicht um eine Liebesheirat, sondern um eine Vernunftehe geht. Nicht verwunderlich also, daß die ökonomischen Fragen eine zentrale Rolle in der Argumentation pro Fusion spielen.

Noch sind die Verflechtungen auf dem Arbeitsmarkt, sind die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Berlin und Brandenburg im Vergleich zu anderen Agglomerationsräumen gering. Dies betrifft Vorlieferanten-Beziehungen im verarbeitenden Gewerbe oder Unternehmensbeziehungen zwischen dem Produktionssektor mit produktionsbezogenen Dienstleistern ebenso wie die Verflechtungen der Brandenburgischen Landwirtschaft mit dem Handel in der Region. Dennoch war die Wirtschaftspolitik beider Länder in den vergangenen Jahren nicht von dem Willen zu einer gemeinsamen Strukturpolitik geprägt. Für die brandenburgische Wirtschaftsentwicklung hatten zumindest einige Akteure das offiziell immer dementierte Leitbild vom "Ausräumen von Berlin" im Hinterkopf, während von Berlin alle Gewerbeflächenausweisung und Ansiedlungsvorhaben mißtrauisch als Versuche der Schwächung der städtischen Wirtschaftskraft beäugt wurden. Fakt ist, daß solcherart regionale Konkurrenz zu Fehlallokationen zu Lasten der öffentlichen Haushalte und zu Lasten der Naturräume verläuft.

Zwar hebt ein gemeinsames Land die kommunale Wirtschaftskonkurrenz nicht auf. Es vervielfachen sich aber die Chancen dafür, daß die wirtschaftlichen Potentiale nicht gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander verknüpft werden, daß sich eine nicht nur beschäftigungspolitisch, sondern auch ökologisch vorteilhafte Regionalökonomie entwickelt, und daß der marktmäßigen Tendenz zum "Speckgürtel" um die Metropole eine Regionalpolitik zur Förderung der äußeren

Siedlungsräume des Landes entgegengesetzt wird, um ö wie es im Neugliederungsvertrag heißt ö "die Entwicklungschancen ausgewogen" zu verteilen. Viele Gründe sprechen also dafür, daß ein gemeinsames Land im Vergleich zum getrennten Status quo wirtschaftlich eine Zugewinngemeinschaft werden wird.

Doch zunächst waren und sind ö wie für eine Vernunftehe typisch - Regelungen zu den Finanzen, über die Aufteilung von Einnahmen, Ausgaben, Schulden und Vermögen zu vereinbaren. Um den beiderseitigen Befürchtungen entgegenzutreten, mit der Fusion würde das große Zahlen füreinander losgehen, lautet der Grundsatz im Finanzkapitel des Neugliederungsvertrages: kein Gebietsteil des gemeinsamen Landes soll Vorteile zu Lasten des anderen haben. Pareto war als Vertragsgeist also zur Stelle.

Konkret schlägt sich dieser Grundsatz im "Ausgleichsprinzip" nieder. Dieses regelt, zumindest für die nächsten 15 Jahre nach der Fusion: Berlin behält von seinen Einnahmen von und für die Stadt einen Anteil, der dem Anteil an den Ausgaben entspricht, der von der ö dann kreisfreien ö Stadt weiterhin finanziert werden muß. Für die Erfüllung von Landesaufgaben in Berlin werden nicht mehr Mittel eingesetzt als das Land anteilig aus den Einnahmen aus und für Berlin zur Verfügung hat.

Nicht minder wichtig sind die Regelungen über die Aufteilung von Vermögen, von Schulden und sonstigen "Altlasten", wovon Berlin jeweils sehr viel mehr hat als das neue Bundesland Brandenburg. Für die Schulden am Kreditmarkt gilt: das gemeinsame Bundesland wird von den Kreditmarktschulden und den Verpflichtungen aus der Wohnungsbauförderung pro Kopf der Bevölkerung aus Berlin genauso so viel Altlasten übernehmen wie es pro Kopf der jetzigen Brandenburger Bevölkerung hat. Die Versorgungslasten für Beamte aus Berlin werden vom Land zu dem Anteil übernommen wie aktive Beamte. Bei der Vermögensaufteilung wird ö soweit es sich um Betriebs- oder Verwaltungsvermögen handelt ö die Vermögenszuordnung der Aufgabenverteilung folgen. D.h.: die U-Bahnen bleiben bei der BVG, das Rote Rathaus bei der Stadt, Polizeigebäude und Haftanstalten gehen in das Eigentum des gemeinsamen Landes über. Beteiligungsvermögen und sonstiges Immobilienvermögen wird hälftig geteilt werden.

Für die Verlobungsphase, also die Zeit zwischen Volksabstimmung und Wahl des ersten gemeinsamen Landtags, wurden Abstimmungs- und Konsolidierungsverpflichtungen festgelegt, damit kein Land vorher finanziell auf Kosten der gemeinsamen Zukunft über die Stränge schlägt. Berlin ö aber auch Brandenburg ö muß danach seine Neuverschuldung in den nächsten Jahren reduzieren, weil ansonsten der zukünftige Haushalt der kreisfreien Stadt Berlin schlichtweg gegen alles Kommunalrecht verstoßen würde.

Noch eine finanzielle Hürde war im Vorfeld der Volksabstimmung zu nehmen: anders als im Steuerrecht, wo das Ehegattensplitting zur Hochzeit lockt, steckt in den Regelungen des Länderfinanzausgleichs, aus dem Berlin wesentliche Zahlungen für seinen Haushalt erhält, mit dem Stadtstaatenprivileg, nach dem beim Steuerkraftvergleich die Köpfe der Stadtstaatenbevölkerung "veredelt" werden, ein "disincentive" (Abschreckungsmittel) für die Fusion. Im Bundestag und Bundesrat wurde deshalb bereits gesetzlich geregelt, daß Berlin das Stadtstaatenprivileg nicht sofort mit der Fusion verliert, sondern eine Übergangsregelung bis 2013 besteht.

Eine Ablehnung der Länderehe aus dem finanziellen Grund, daß bei einem Scheitern der Fusion die anderen Bundesländer auch nach dem Jahr 2013 an Berlin und Brandenburg mehr abgeben müßten als mit der Fusion, könnte schnell eine Rechnung ohne die Wirte werden. Auch deshalb sollte jetzt die Chance ergriffen werden zur Überwindung von Verwaltungsgrenzen, zur Einsparung von Ressourcen und zur besseren Verknüpfung der Potentiale in der europäischen Region Berlin-Brandenburg.

Michaele Schreyer


Nach ihrem Studium in Köln arbeitete Dr. Michaele Schreyer als Assistentin am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der FU. Nach Tätigkeit beim Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung München leitete die Grüne Politikerin im rot-grünen Senat das Ressort Stadtentwicklung und Umweltschutz.


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