Partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Abfallwirtschaft

Chaotisch bis geordnet


Müllverbrennungswerk Ruhleben


Nach der Wende stand das Ballungszentrum Berlin ebenso wie das Bundesland Brandenburg vor der Aufgabe, eine grundlegende Neustrukturierung der Abfallentsorgung vorzunehmen. Zur Erinnerung: Berlin verfügt nicht über tragfähige Infrastrukturen für die Verwertung, Behandlung und finale Entsorgung von Abfällen. Trotz begrenzter Flächenreserven entwickelte sich kein Entsorgungsdruck, da über zwei Jahrzehnte hinweg West-Berlin seine Abfallprobleme als entsorgungspolitischer Trittbrettfahrer "löste". Gemäß dem langfristigen Abfallbeseitigungsvertrag mit der vormaligen DDR wurde nahezu das gesamte Berliner Abfallaufkommen, gefährliche Sonderabfälle eingeschlossen, zur Ablagerung auf Deponien im Umland der Stadt verbracht, deren technische Standards allerdings nicht den bundesdeutschen Sicherheitsanforderungen entsprachen.

Der gemeinsame Regierungsausschuß Berlin und Brandenburg vereinbarte 1992 die Entwicklung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft. Bestehende Belastungen des Landes Brandenburg durch die Verbringung Berliner Abfälle sollten abgebaut und eine "gemeinsame, moderne und damit umweltverträgliche Abfallwirtschaft" aufgebaut werden.

Welche Ergebnisse hat die abfallwirtschaftliche Kooperation beider Länder bis heute hervorgebracht? Die Abfallentsorgungspläne beider Länder wurden abgestimmt, womit die Siedlungsabfallströme von Berlin nach Brandenburg der Steuerung unterliegen. Ein nennenswerter ökologischer Vorteil besteht darin, daß 800.000 - 900.000 Tonnen pro Jahr (t/a) Abfälle nunmehr auf dem Schienenweg zu den Brandenburger Deponien befördert werden.

Brandenburg und Berlin übernahmen gemeinsam die Märkische Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft mbH MEAB. Damit ist zumindest für die von West-Berlin langfristig zur Abfallablagerung genutzten MEAB-Deponien die dringend erforderliche Sanierung finanziell geregelt. Dem Konsortialvertrag entsprechend werden hierfür Rückstellungen aus dem Berliner Gebührenaufkommen gebildet. Die Sanierungskosten der Deponien werden auf insgesamt 1-2 Milliarden DM veranschlagt.

Hinsichtlich der Vorbehandlung von Siedlungsabfällen entwickelten die Länder keine gemeinsame Strategie. Während Brandenburg organikreiche Restabfälle einer biologischen Stabilisierung unterziehen will, plant Berlin für diese Abfallfraktion sowie heizwertreiche Abfälle den Ausbau von Abfallverbrennungsanlagen im Stadtgebiet. Der zusätzliche Anlagenbedarf wird mit 800.000 t/a veranschlagt. Differenziertere, dezentrale Lösungen der thermischen Abfallverwertung und Behandlung sind nicht anvisiert.

Während die Siedlungsabfallentsorgung als "geordnet" zu bezeichnen ist, verläuft der Abtransport der Bauabfälle von Berlin nach Brandenburg geradezu chaotisch. Die Kontrolle durch die für die Entsorgung von Bauabfällen zuständige Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen funktioniert nicht. Trotz zunehmender Bauaktivitäten sinken die offiziell registrierten Bauabfallmengen. Beträchtliche Mengen werden ö an den Behörden vorbei ö offenbar illegal beseitigt. Ein finanzieller Schaden in Höhe von 27,5 Millionen DM ist dem Berliner Landeshaushalt dadurch entstanden, daß die Senatsverwaltung für Bau-und Wohnungswesen von den Abfallerzeugern nicht die Entsorgungsgebühren in voller Höhe für die Ablagerung auf der brandenburgischen Deponie Deetz erhob. Da häufig die billigste Entsorgungslösung den Vorrang erhält, fehlen ferner Investitionsanreize für die Errichtung dringend erforderlicher Entsorgungsanlagen für Bauabfälle.

Für die Steuerung der Sonderabfallentsorgung entwickelten Berlin und Brandenburg ein Kooperationsmodell. Beide Länder verfolgen damit das Ziel, eine weitgehend autarke moderne Entsorgungsinfrastruktur zu entwickeln und die Risiken einer exportorientierten Sonderabfallentsorgung auszuschalten.

Im Frühjahr 1995 wurde eine Sonderabfall-Entsorgungsgesellschaft GmbH (SBB) als Private-Public-Partnership gegründet. An ihr sind mit jeweils 25 Prozent die Länder Berlin und Brandenburg, sowie mit 25 Prozent jeweils Zusammenschlüsse der Erzeuger- und Entsorgerwirtschaft beteiligt. Die SBB ist eine sogenannte "zentrale Stelle". Ihre Aufgaben bestehen in der Steuerung der Sonderabfallströme beider Länder, in dem Stand der Technik entsprechenden Entsorgungsanlagen sowie bezogen auf die Brandenburger Sonderabfallströme in der Überwachung der Entsorgung. Die Sonderabfallerzeuger Berlin/Brandenburgs sind verpflichtet, die zentrale Stelle in jeden Entsorgungsvorgang, die Eigenentsorgung ausgenommen, einzuschalten.

Im Juli 1995 nahm die SBB ihre Arbeit auf, in den nächsten Jahren wird sich erweisen, ob die an sie geknüpften umweltpolitischen Erwartungen eingelöst oder diese eher wirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet sein werden. Erste Erfahrungswerte weisen aus Sicht des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg darauf hin, daß sich zumindest der administrative Überblick der Entsorgung verbessert und vermeidbaren Exporten Einhalt geboten werden kann.

Unter dem Strich betrachtet entwickelte sich abfallwirtschaftliche Zusammenarbeit der Bundesländer Berlin/Brandenburg eher schleppend. Eine integrierte abfallwirtschaftliche Planung wurde bislang nicht entwickelt.

Kirsten Jörgensen


Die Diplom-Politologin Kirsten Jörgensen ist Mitglied der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Fachbereich Politische Wissenschaft der FU

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