Zum Tode von Klaus Holzkamp

Schwimmer gegen den Strom


Klaus Holzkamp: gegen die bornierten Interessen der Herrschenden


Klaus Holzkamp gehörte 1949 zu den ersten Psychologiestudenten der FU und war an dieser Universität bereits Professor geworden, als er mit der Kritik der Studentenbewegung an den "servants of power" auch in der Psychologie konfrontiert wurde. Er gehörte zu den wenigen "Etablierten", die die Kritik ernstnahmen, aufgriffen. Er entwickelte sie weiter zu seiner "Grundlegung der Psychologie" (1983): Die mit seinem Namen verbundene Kritische Psychologie ist ein psychologiekritischer und subjektwissenschaftlicher Ansatz, theoretisch die Differenz zwischen menschlichen Möglichkeiten und der kapitalistischen Realität totaler Verwertung so auf den Begriff zu bringen, daß auch psychologische Praxis für die Probleme ihrer permanenten Gratwanderung zwischen Unterstützung und sozialer Kontrolle offen bleiben kann.

Die Auseinandersetzungen in der FU-Psychologie, in denen Holzkamp eine herausragende Figur war, führten 1970 zur Gründung eines zweiten Instituts. So streitbar Holzkamp war, er suchte Kontroversen nicht. So politisch er sich in die Kämpfe seiner Zeit einmischte, er war immer zuvörderst Wissenschaftler. Parteilichkeit war für Holzkamp keine Beugung objektiver Erkenntnis, sondern deren praktische Konsequenz. Diesen Zusammenhang zu verdrehen oder zu leugnen, war für ihn, mit Marx gesprochen, "gemein". Er gab dem Fach wesentliche Impulse, aber er bewahrte sich jene freundliche Distanz gegenüber der scientific community, die vor einem Einvernehmen bewahrt, das als Vereinnahmung sich erweisen könnte.

Seine fachwissenschaftliche Brillanz rührte auch daher, daß er nicht bloß Fachvertreter blieb, sondern die Grenzen seines Faches überschritt, vor allem, indem die Durchdringung des Zusammenhangs von Psychologie, Philosophie und Gesellschaftstheorie für ihn lebenslange Aufgabe blieb. Wissenschaft war für Holzkamp "ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen", "Kritik und Selbstkritik zur Durchsetzung des menschlichen Erkenntnisfortschritts im Interesse aller Menschen gegen die bornierten Interessen der Herrschenden an der Fortdauer menschlicher Fremdbestimmung und Unmündigkeit."

Er wußte, wie produktiv die Kooperation mit Studierenden sein kann, wenn man diese als mitdenkende, querdenkende, vorausdenkene, jedenfalls als Subjekte behandelt. Viele Jahre arbeitete er im Fachbereichsrat des Fachbereichs Philosophie und Sozialwissenschaften für eine demokratisch verfaßte Universität. Sein letztes großes Werk, "Lernen" (1994), ist auch eine Summe seines lebenslangen Lernens und seines Kampfes gegen institutionelle Lernbehinderungen. Klaus Holzkamp gehörte zu den wenigen, bei denen Leben und Werk nicht zu trennen sind, die ihre Einsichten leben. Die FU verliert mit ihm einen ihrer Großen.

Morus Markard


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