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Bericht September 2002


Schwindendes Demokratiebedürfnis an unserer UNI?

Fünfzig Jahre gesicherte Demokratie in der Bundesrepublik haben uns scheinbar demokratiemüde gemacht. Anders wären Phänomene hierfür, so zum Beispiel die geringen Wahlbeteiligungen in den letzten Jahren, kaum denkbar. Da sollte es doch an uns, den Studenten sein, die Ideale der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie hoch zu halten. Wer sonst als die Studenten setzen sich mit ihrem Elan für diese Ideale ein? Schaut man zurück auf die 68'er, so war es an unserer Uni, an der die Studenten auf die Barrikaden gingen um gegen die Mißstände in der Gesellschaft, gegen alten Nazimief und Spießertum zu protestieren. Der politische Student des 20. Jahrhunderts war geboren. Doch mit der Zeit dreht sich anscheinend auch hier der Wind. Inzwischen bevölkert eine völlig neue Generation von Studierenden den Campus der FU und die Beteiligungen bei den Wahlen zum Parlament der Studierenden sind seit Jahren katastrophal niedrig. Unser Fachbereich macht da zwar mit seinen fast 20% eine rühmliche Ausnahme im Gesamtvergleich, da der Unidurchschnitt bei lediglich 12 % liegt (unser Fachbereich bereits eingerechnet). Dabei handelt es sich beim StuPa nicht etwa um eine Quasselbude mit Amüsementcharakter, sondern um das wichtigste studentische Gremium überhaupt. Die Bedeutung des StuPas wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß der Jahresetat der Studentenschaft ca. 600.000 EUR beträgt. Dieser hohe Betrag wird durch die rund 42.000 Studenten an unserer Uni erbracht, die Semester für Semester die in ihren Immatrikulations- oder Rückmeldegebühren enthaltene 6,64 EUR an die Studentenschaft zahlen. Es ist also Euer Geld, das vom StuPa verwaltet wird, um effektiv studentische Projekte zu finanzieren. Trotzdem schaffen es regelmäßig 85 % - 90 % der Wahlberechtigten nicht bis zu den Wahlurnen, obwohl diese drei volle Werktage zugänglich sind. Demokratie, also die Herrschaft des Volkes, kann nur dann wirklich sinngemäß funktionieren, wenn das Volk die Herrschaft auch tatsächlich ausübt, sprich zur Wahl geht. Sind die Studierenden der FU, einstmals Sinnbilder für Liberalität und Demokratisierung in der Bildung, tatsächlich der Demokratie müde geworden?

Das StuPa hat es bis Anfang Oktober geschafft, lächerliche drei mal zu tagen. Wenn es nichts wichtiges gegeben hätte, dann hätten wir dafür ja Verständnis ...


Ein neuer Haushalt?

Dabei hatte es der AStA - durch den Rücktritt seiner Vorgängerin nunmehr auch offiziell unter der Führung von Marek Schauer - bis zum August noch immer nicht geschafft, einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der immerhin bereits seit dem April hätte gelten müssen. Wie dies? Die ersten beiden im StuPa beschlossenen Haushaltspläne hatte das aufsichtsführende Präsidialamt nicht genehmigen können, beinhalteten die Pläne doch astronomische Personalkosten, die Weiterführung unrentabler Einrichtungen (u.a. einer eigenen Druckerei) und keine Finanzierung der Arbeit der Fachschaften.

Auf der jüngsten Sitzung des StuPas am 12. August wurde nunmehr durch den AStA ein dritter Anlauf unternommen, auf die Forderungen des Präsidialamtes für einen rechtmäßigen Haushaltsplan einzugehen. Der Versuch endete jäh, als es der durch uns angeführten studentischen Opposition mit Unterstützung einer ehemals AStA-tragenden Gruppe gelang, den Deckungsvermerk zu beseitigen. Ein kleiner Beschluß mit großer Wirkung: Ein solcher Deckungsvermerk liesse es zu, alle Haushaltstitel untereinander auszugleichen, zu unterschreiten und zu überziehen - dies immer ohne weiteren StuPa-Beschluß. Folglich hätte der AStA mit dem Geld nach eigenem Gutdünken ohne jegliche parlamentarische Kontrolle verfahren können. Dann aber hätte man sich den Haushaltsplan auch gleich sparen können. Damit aber noch nicht genug, ließ der AStA sofort seinen im Detail bereits abgestimmten Haushaltsplan vertagen und vertagte darüber hinaus auch die eigentlich Minuten später folgende Wahl eines neuen AStAs. Warum? Es ist anzunehmen, daß die wirkliche Verteilung der Gelder Gegenstand des Koalitionsvertrages war, ohne Deckungsvermerk aber nicht mehr ohne Wissen des StuPas (und somit auch der interessierten Opposition) vollzogen werden konnte. Es regiert halt der Mammon - und ist er auch noch so schnöde!

Dazu paßt auch, daß die StuPa-Mehrheit erst durch ein rechtsaufsichtliches Schreiben gezwungenen werden mußte, den obligatorischen Haushaltsausschuß zu bilden. Aber dieser AStA hat natürlich auch darauf eine passende Antwort: Wenn schon Ausschuß, dann wenigstens ohne Opposition und somit ohne störende Fragen. Denn wir würden ja wissen wollen, wo das viele Geld bleibt. Wenn der AStA aber glaubt, wir würden diesen unhaltbaren Zustand akzeptieren, so hat er sich geirrt ...

Auch bei Redaktionsschluß waren keinerlei Anzeichen dafür erkennbar, daß ein vierter Haushaltsplan in absehbarer Zeit beschlossen werden würde. Apropos Haushalt: Auch der Haushalt für 2003/2004 hätte bereits Ende September beschlossen sein müssen - auch hierzu natürlich Fehlanzeige.


Ein neuer AStA?

Ebenso absurd wie das Haushalts- und Finanzgebaren des AStA wirkt der Umstand, daß seit Januar 2002 ein neues Parlament besteht, der Tagesordnungspunkt "AStA-Wahl" jedoch Sitzung für Sitzung vertagt wurde. Der alte AStA von 2001 regiert also weiterhin, obwohl bereits 2/3 der Legislaturperiode verstrichen sind. Auf Bundesebene übertragen würde dies bedeuten, daß der Bundeskanzler erst im dritten Jahr nach der Bundestagswahl gewählt würde.

Da es bei unserem AStA schon seit langem gängige Praxis ist, weniger Demokratie zu wagen, verwundert es nicht, wenn Leute wie Marek Schauer immer wieder versuchen, der Demokratie ein Schnippchen zu schlagen. Getreu dem mutmaßlichen AStA-Motto: "Weniger Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ergibt mehr Macht für mich!" hat sich Marek Schauer dann am 12. August auch noch in die Sitzungsleitung des Studentenparlaments wählen lassen. (Auf die Bundesebene übertragen würde dies bedeuten, daß der Bundeskanzler neben seiner Funktion als Kanzler auch noch die des Bundestagspräsidenten ausüben würde.) Wieso auch Gewalten teilen?

Bedauerlicherweise werden die für derartiges Gebaren notwendigen parlamentarischen Mehrheiten aber von studentischen Wählern unterstützt. Solange die Wahlurnen alljährlich nicht stärker gefüllt werden und die Wahlbeteiligung bei höchsten 12 % liegt, wird es keine Reformen in diesem System geben können. Demokratie wird scheinbar von vielen Studenten der Freien Universität als überflüssig empfunden.

Rainer Horbach, Andreas Schulz

(erschienen im DEFO-Info Nr. 46 vom WS 2002 / 2003)



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