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FU-Berlin Semitistik
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Zur Geschichte des Faches Semitistik in Berlin  von Stefan Schorch

Forschung und Lehre auf dem Gebiet semitischer Sprachen können in Berlin auf eine lange und bedeutende Tradition verweisen. Seit 1812 gab es an der Berliner Universität ein Extraordinariat für orientalische Sprachen, das zunächst der Theologischen Fakultät zugehörig war. Im Jahre 1876 nahm der bedeutende Semitist Eduard Sachau (1845-1930) einen Ruf als Ordinarius für Orientalistik an. Sachau erwarb sich insbesondere bei der Erforschung des Arabischen und des Syrischen bis heute gültige wissenschaftliche Verdienste. Gegenstände seiner Untersuchungen war sowohl klassische Quellen als auch lebendige Sprachtraditionen. Über die wissenschaftliche Tätigkeit hinaus entfaltete Sachau jedoch auch seine Fähigkeiten auf diplomatischem und administrativem Gebiet: Er wirkte als Berater bei Planung und Bau der Baghdadbahn und wurde bei der Gründung des Seminars für orientalische Sprachen an der Friedrich-Wilhelm-Universität am 27. Oktober 1887 mit dessen Leitung betraut. Entsprechend einem Vorschlag, den Bismarck 1886 in den Reichstag eingebracht hatte, sollte diese Einrichtung die Ausbildung in "orientalischen" Sprachen (d.h. von Japanisch bis Suaheli) einschließlich deren kultureller Kontexte (Religion, Literatur, Geschichte, Geographie, Statistik) abdecken.

In der Folgezeit entwickelte sich das Seminar zu einem bedeutenden Ort der Vermittlung semitischer Sprachen und bot dabei zahlreichen hervorragenden Gelehrten auch Raum für Forschungstätigkeiten: So leisteten Martin Hartmann (1851-1918) und Georg Kampffmeyer (am Seminar seit 1907) wichtige Beiträge zur Erforschung arabischer Dialekte.

Als neben Sachau bedeutendster Semitist am Seminar und an der Berliner Universität dürfte jedoch Eugen Mittwoch (1876-1942) zu nennen sein. Zunächst seit 1907 als Privatdozent Altäthiopisch und Amharisch lehrend, wurde Mittwoch 1915 zum Extraordinarius und 1919 zum ordentlichen Professor ernannt. Von 1928 bis zu seiner Zwangsemeritierung im Jahre 1935 wirkte er überdies als Direktor des Seminars. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit Mittwochs war insbesondere die Äthiopistik, er veröffentlichte jedoch auch wichtige Arbeiten zum Arabischen und zur altsüdarabischen Inschriftenkunde.

Neben der Universität muß auch das jüdisch orthodoxe Rabbinerseminar als für die Semitistik bedeutende Stätte genannt werden. Seit 1874 wirkte hier Jakob Barth (1851-1914), dem wir wichtige Erkenntnisse in der vergleichenden Semitistik und der Hebraistik verdanken und der das später nach ihm benannte "Barthsche Gesetz" (Gesetz über die Vokalisierung des sogenannten Imperfekt verschiedenen semitischen Sprachen) entdeckte. Neben seiner Tätigkeit am Rabbinerseminar lehrte Barth auch an der Berliner Universität (seit 1876 als Lektor und seit 1880 als außerordentlicher Professor).

An die Freie Universität kamen Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Semitistik durch den Indogermanisten, Altorientalisten und Semitisten Johannes Friedrich (1893-1972; an der Freien Universität seit 1950). Als Studiengang besteht das Fach seit 1963, als Rudolf Macuch (1919-1993) einem Ruf auf das neugeschaffene Ordinariat für Semitistik und Arabistik folgte. Der damals bereits renommierte Erforscher des Mandäischen und Entdecker des Neumandäischen führte in Berlin nicht nur diesen Arbeitsschwerpunkt fort, sondern wendete sich zunehmend auch anderen Arbeitsgebieten zu, insbesondere der Erforschung weiterer moderner aramäischer Sprachen und der Samaritanistik. Dank Macuchs Tätigkeit entwickelte sich das Berliner Institut binnen kurzem zu einem der bedeutendsten Zentren der Samaritanistik mit einer weltweit einzigartigen Spezialbibliothek, einem Manuskriptarchiv und einer Tonbandsammlung. Zahlreiche Promotionen belegen den engen Zusammenhang einer regen Forschungstätigkeit mit einer fruchtbaren Lehre.

Nach Macuchs Emeritierung im Jahre 1988 folgte ihm Rainer M. Voigt als Ordinarius für Semitistik und Arabistik. Ohne die gewachsenen Prägungen des Seminars zu vernachlässigen, wurden seither auch neue Akzente gesetzt, wobei besonders die vergleichende Semito-Hamitistik, die Äthiopistik und die Ugaritistik zu nennen sind.

Am Institut für Semitistik und Arabistik der Freien Universität lebt damit das Erbe der Berliner Semitistik fort, die von Anbeginn nicht nur die vermeintlichen Gräben zwischen dem Studium klassischer Texte und der Feldforschung, sondern auch zwischen herkömmlicher Philologie und zeitgenössischer Sprachwissenschaft überwand.