Medialist 25.97: Einkaufstrubel Hgg. von Martin Recke Themen dieser Ausgabe: - Thomas Kirch übernimmt Hundert,6 - Neue Geldgeber bei FAB in Sicht - Puls TV geht in Gesamtvollstreckung Thomas Kirch übernimmt Hundert,6 -- Neustart zur Funkausstellung -- Gafron kündigt Fernsehen an Der Berliner Radiosender Hundert,6 ist vollständig von Thomas Kirch übernommen worden. Der Sohn des Münchner Medienkonzernherrn Leo Kirch, der sich bereits Anfang des Jahres mit 40 Prozent beteiligt hatte (Medialist 2.97), erwarb nun auch die Anteile seiner drei Mitgesellschafter Erich Marx, Klaus Groenke und Georg Gafron. Dies teilte Erich Marx, einer der Gründer von Hundert,6, auf einer Pressekonferenz am 29. Mai in Berlin mit. Marx räumte indirekt ein, daß die mittelständischen Eigentümergruppe gescheitert sei: "Wir haben geglaubt, Unterstützung von vielen Seiten zu finden", so Marx wörtlich. "Dies erwies sich als Trugschluß." Nur Unternehmen mit einem Konzern im Rücken seien am Berliner Radiomarkt standfest genug, folgerte Marx, der deutliche Distanz zum derzeitigen Senderkonzept erkennen ließ: Es entspreche nicht mehr dem Grundgedanken der Hundert,6-Gründer, wenn das Radio sich den anderen Sendern anpasse. "Wir wollen keinen Sender haben, der seine Hörer mit Gewinnspielen anlockt." Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hat der Übernahme bislang nicht zugestimmt. Die Station sei mit der Medienanstalt im Gespräch, sagte dazu Hundert,6-Geschäftsführer Georg Gafron, der weiterhin Chef des Senders bleiben wird. Die MABB hat die Frequenz inzwischen ausgeschrieben. Der Ausschreibungsbeschluß des Medienrats datiert bereits vom 26. Mai. Die Kirch-Beteiligung könne "im Rahmen der bestehenden Sendeerlaubnis nicht genehmigt werden", da der Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg eine Übertragung der Sendeerlaubnis ausschließe, heißt es im Votum des Medienrats. Hundert,6 kann bis zur Entscheidung des Medienrats den Sendebetrieb fortsetzen. Damit könnten nicht nur Arbeitsplätze gesichert und entwickelt werden, so die MABB-Entscheidung, es würden auch Chancen auf ein Programm "mit überdurchschnittlicher journalistischer Qualität" eröffnet, die von neuen Sendern in der derzeitigen Marktsituation nicht zu erwarten seien. Das MABB-Gremium will sich im Rahmen der Ausschreibung an der Vermutung orientieren, daß die Fortführung von Hundert,6 "mehr Vielfalt und mehr medienwirtschaftliches Engagement" möglich mache als ein neu beginnender Veranstalter bieten könne. Die Frist läuft bis zum 4. Juli. Der Medienrat kommt am 11. Juli zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Hundert,6-Chef Gafron kündigte am 29. Mai an, den Sender zum Termin der Internationalen Funkausstellung Ende August neu zu starten. Vom derzeitigen Konzept ("Top Oldies -- Top News"), mit dem Gafron vor neun Monaten angetreten war, will die Station sich verabschieden. Anknüpfend an das Profil der Anfangszeit des vor zehn Jahren gestarteten Radios soll das Programm dann mit einem Schwerpunkt Information ausgestattet werden. Gafron räumte ein, daß der "Musikdampfer-Versuch" nicht gelungen sei. "Ich sehe im Augenblick nicht, welcher Antragsteller mehr bieten würde", sagte MABB-Direktor Hege auf Anfrage zum angekündigten neuen Konzept des Senders. Die vollständige Übernahme durch Kirch werfe keine medienrechtlichen Grundsatzprobleme auf: In Berlin und Brandenburg dürfen nach dem Medienstaatsvertrag Fernseh- und Radiosender zu hundert Prozent in einer Hand sein. Auch die Medienanstalt zieht nach den Worten Heges klare Eigentumsverhältnisse einer unübersichtlicheren Struktur vor. Hundert,6 will künftig auch Fernsehen machen: "Wir stellen uns dem Wettbewerb in allen Bereichen, auch im Bereich der bewegten Bilder", so Gafron, der sich zu Details nicht äußern wollte. Der neue Eigentümer Thomas Kirch ist bereits mit 40 Prozent am Münchner Ballungsraum-Sender tv.münchen beteiligt. Bereits vor Monaten gab es Gespräche eines Kirch-Vertreters mit den Gesellschaftern der Berliner Lokalstation Puls-TV (Medialist 23.97), die inzwischen in Konkurs gegangen ist (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe). "Es könnte sein, daß wir als Zulieferer damit etwas zu tun bekommen", so Gafron vage. "Hundert,6 hat das alte Profil verloren und kein neues Profil gefunden", sagte FORSA-Chef Manfred Güllner, dessen Meinungsforschungsinstitut seit acht Monaten an der neuen Konzeption mitgearbeitet hat. Den potentiellen Hörern bescheinigte Güllner ein nach wie vor großes Bedürfnis an Information. In allen Bevölkerungsschichten gebe es ein besonderes Interesse am Geschehen in Berlin. Das neue Konzept, dessen Einzelheiten Gafron vor dem Start im August vorstellen will, soll sich vor allem gegen den gebührenfinanzierten Rundfunk richten: "Der Gegner ist eindeutig der öffentlich-rechtliche Rundfunk." Ein Musikkonzept gebe es noch nicht. Zum Neustart will Hundert,6-Chef Gafron insgesamt 35 neue Stellen schaffen. Im vergangenen Jahr hatte Hundert,6 zwei Drittel der damaligen Belegschaft entlassen. Das Medienunternehmen will im Bereich Nachrichten künftig auch als Agentur auftreten und nach Angaben Gafrons "sehr günstige" Angebote machen. Unterschriftsreif sei ein Vertrag mit dem Berliner Journalistenverband über eine Zusammenarbeit bei der Journalistenausbildung. (mr) --------------------- Berlin: Frank Otto, DFA und Investorenfonds wollen bei FAB einsteigen -- Medienanstalt drängt auf Neuausschreibung Eine Investorengruppe um den Hamburger Medienunternehmer Frank Otto will eine maßgebliche Beteiligung am Berliner Regional-TV FAB übernehmen. Dies teilte das Fernsehen aus Berlin (FAB) am 27. Mai mit. Die Frank Otto Medien-Gesellschaft und die Deutsche Fernsehnachrichtenagentur (DFA) wollen zusammen mit internationalen Eigenkapitalfonds insgesamt 47 Prozent des Senders auf dem Wege einer Kapitalerhöhung übernehmen, hieß es. Frank Otto und die DFA sind gemeinsam bereits mehrheitlich am Regionalsender Hamburg 1 (HH1) beteiligt. Der MABB-Medienrat lehnte in einem Schreiben an FAB vom gleichen Tage ab, diese Übernahme im Rahmen der bestehenden Lizenz zu erlauben. Die neuen Gesellschafter hätten nicht nur dadurch Einfluß, daß die Finanzierung künftig allein von ihnen abhänge, die Unternehmensführung sei auch klar so geregelt, daß den derzeitigen FAB-Gesellschaftern nur "Minderheitenschutzrechte" eingeräumt würden, kritisierte MABB-Direktor Hans Hege im Brief an FAB. FAB wird derzeit überwiegend von mittelständischen TV- und Filmproduzenten getragen. Der MABB-Chef hatte bereits Anfang Mai klargestellt, daß auch eine starke Minderheitsbeteiligung an FAB mit der bestehenden Sendelizenz nicht vereinbar sei (Medialist 23.97). FAB legte er nun ein neues Lizenzierungsverfahren nahe und wies auf den Vorrang hin, den ein regionales Programm vor der Weiterverbreitung eines überregionalen Satellitenkanals habe. Das bisherige Engagement der Altgesellschafter und deren weitere Beteiligung seien Gesichtspunkte, die ein neu startender Sender nicht vorbringen könne. FAB will durch den Einstieg der neuen Gesellschafter die "notwendigen finanziellen Mittel zum weiteren Ausbau" der Station zum "wettbewerbsfähigen Lokalfernsehsender" besorgen. Den Neugesellschaftern werde "wesentlicher Einfluß" auf die künftigen Entwicklungen von Programm und Vermarktung gegeben. Das täglich neu produzierte Programm von derzeit fünf bis sechs Stunden, die in einem Rotationssystem wiederholt werden, will FAB durch Nachrichten, Magazine und Frühstücksfernsehen auf acht bis neun Stunden erweitern. Die Produktion der neuen Programme soll zum Teil den neuen Gesellschaftern obliegen. Die bereits in Berlin vertretene DFA will dazu ihr Engagement "auch personell wesentlich erweitern", wie es hieß. Mit der neuen Struktur bliebe die FAB-Philosophie von "tätigen Gesellschaftern" erhalten und würden gleichzeitig "strategische Partner" für die Weiterentwicklung gewonnen. FAB wies in diesem Zusammenhang auf die mögliche Zusammenarbeit mit der Hamburger Fernsehstation HH1 hin. (mr) --------------------- Berlin: Puls TV geht in Gesamtvollstreckung -- Konkursverwalter will Sendebetrieb aufrechterhalten Die Berliner Lokalstation Puls-TV hat am 28. Mai das Konkursverfahren eingeleitet. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat daraufhin am 29. Mai den Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schröder zum Sequester für den Sender bestellt. Dies teilte Puls TV am 1. Juni mit. Konkursverwalter Schröder erklärte inzwischen, er werde den Geschäftsbetrieb "bis auf weiteres" aufrechterhalten. Puls TV ist der erste Kommerzsender in Deutschland, der in Konkurs geht. Sequester Schröder soll nun Verhandlungen mit potentiellen Investoren aufnehmen, die an der Übernahme interessiert sind. In ersten Stellungnahmen war von Interesse sowohl auf Seiten Frank Ottos als auch Thomas Kirchs die Rede. Frank Otto ist an einem Konzept zur Übernahme des Puls-TV-Konkurrenten FAB beteiligt, Thomas Kirch hat bereits den Berliner Radiosender Hundert,6 übernommen (siehe weitere Meldungen in dieser Ausgabe). Daneben gibt es nach Angaben Schröders weitere Interessenten. Reinald Walter, der Geschäftsführer von tv.münchen und Vertreter Thomas Kirchs (Medialist 23.97), erklärte in der vergangenen Woche das Interesse, mit einem Konzept anzutreten, das den Puls-TV-Gesellschaftern bereits im vergangenen Jahr vorgelegen habe. Demnach sollen lokale Magazine mit Nachrichten- und Sportsendungen kombiniert werden sowie ein Anteil von weniger als 40 Prozent mit Spielfilmen und Serien bestritten werden. Walter zufolge sind Anlaufverluste von rund 80 Millionen Mark in einem Zeitraum von vier Jahren einkalkuliert. Der Konkurs von Puls TV zeichnete sich ab, nachdem der Hauptfinanzier der Station, die Central European Media (CME), Mitte Mai eine weitere Finanzierung abgelehnt hatte. Die Gesellschafter, neben der CME Time Warner, George Soros, APA Falladium und Ulrich Schamoni, beschlossen daraufhin, das Kommanditkapital der Gesellschaft nicht mehr zu erhöhen. Diese Kapitalerhöhung wäre notwendig gewesen, um die fortlaufenden Verluste von Puls TV auszugleichen (Medialist 24.97). Die Gesamtverluste werden auf 130 Millionen Mark beziffert. Wie inzwischen bekannt wurde, hatten Time Warner und Ulrich Schamoni zuvor die CME-Pläne blockiert, den kanadischen Sender City TV aus Toronto am Sender zu beteiligen. Mit dem Gesamtvollstreckungsverfahren, das Sequester Schröder nun eröffnen wird, wird der Weg für eine Neustrukturierung frei, weil die bisherigen Gesellschafter darauf keinen Einfluß mehr haben. Außerdem wird nach Angaben Schröders eine Haftung des Erwerbers für Verbindlichkeiten von Puls TV ausgeschlossen. Unklar ist derzeit, ob es einen Sozialplan für die 130 Angestellten und die rund 80 freien Mitarbeiter der Station geben wird. Der Sender gehört nicht dem Tarifverband privater Rundfunkanbieter an. Bereits seit dem 29. Mai sendet die Station ein Notprogramm, das vor allem aus gekürzten und seltener gesendeten Nachrichten und Wiederholungen besteht. Nur die Lokalberichterstattung mit dem Titel "Kiezreporter" soll vorerst weiterproduziert werden. (mr) --------------------- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf <http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/>. Die Liste ist moderiert. Beitraege nimmt Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de> entgegen. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit SUBSCRIBE im Body. HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>. 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