Medialist 24.97: Phoenix im Berliner Kabel

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
27 May 1997 14:14:28 GMT

Medialist 24.97: Phoenix im Berliner Kabel
Hgg. von Martin Recke

                Themen dieser Ausgabe:
                - MABB gibt Phoenix einen Kanal im Berliner Kabelnetz
                - SFB-Verwaltungsrat stimmt Radiokooperation mit ORB
                  zu
                - Puls-TV vor dem Aus?


MABB vergibt Kabelkanal an Phoenix -- Voice of America soll
UKW-Frequenz erhalten -- SFB und ORB behalten acht Frequenzen in
Berlin

Nach dem Willen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) soll
Phoenix ins Berliner Kabelnetz eingespeist werden.  Der MABB-Medienrat
hat dem Anfang April gestarteten Dokumentations- und Ereigniskanal von
ARD und ZDF den Sonderkanal 26 zugewiesen.  Dies teilte die
Medienanstalt am 27. Mai mit.  Der SK 26 ist von der Telekom
längerfristig für die digitale Übertragung vorgesehen, ebenso wie zwei
weitere Hyperbandkanäle, die der Medienrat bereits im Februar an Super
RTL und Nickelodeon/TM3 vergeben hatte.

Zur Begründung verwies der Medienrat darauf, daß sich inzwischen
abzeichne, daß die Deutsche Telekom bis zur Funkausstellung Ende
August "nicht in nennenswertem Umfang Decoder für die digitale
Kabelverbreitung" bereitstellen könne.  Die Medienanstalt erwarte von
der Telekom, so hieß es, daß sie die drei analogen Kanäle
"unverzüglich zur Verfügung stellt, statt das ausgebaute Netz weiter
zu blockieren".  Die Telekom hatte bereits gegen die Entscheidung der
MABB vom Februar geklagt und die Umsetzung verweigert.

Der Beitrag von Phoenix zur Vielfalt sei vom Medienrat als "besonders
hoch" bewertet worden, so die MABB-Erklärung.  Deswegen solle der
Ereigniskanal einen bis zum 31. Dezember dieses Jahres befristeten
Platz im Kabelnetz bekommen.  Andernfalls hätte Phönix erst nach
Ablauf der geltenden Kanalbelegung im nächsten Jahr berücksichtigt
werden können.

Der Medienrat beschloß außerdem, für die Berliner UKW-Frequenz 87,9
MHz ein Programm in Aussicht zu nehmen, das lokale Zulieferungen unter
rundfunkrechtlicher Verantwortung der Voice of America (VoA) vorsieht.
Die VoA sendet derzeit bereits auf dieser Welle.  Anders als beim
gescheiterten Vorgänger Radio Charlie solle der neue VoA-Partner
Dornier Medien nicht Inhaber einer Teil-Sendeerlaubnis werden.
Dornier Medien solle lokale Programmteile und das Musikprogramm im
Country-Music-Format zuliefern.  Dazu kämen Programmteile der VoA.

SFB und ORB können nach dem jüngsten MABB-Beschluß damit rechnen, am
Standort Berlin weiterhin über insgesamt acht UKW-Frequenzen zu
verfügen.  Dies sind zwei Frequenzen mehr als im Medienstaatsvertrag
Berlin-Brandenburg als Mindestausstattung festgeschrieben.  Der
Medienrat setze voraus, daß das neue, in Zusammenarbeit mit dem NDR
geplante unter dem Arbeitstitel "Klassik Plus" geplante
Klassikprogramm "wesentliche regionale Bestandteile" enthalten werde,
so die MABB-Mitteilung.

Über die Zuordnung der Programme zu den Frequenzen können die beiden
Rundfunkanstalten selbständig entscheiden.  "Sie haben darüber zu
entscheiden, welche Priorität zum Beispiel Multikulti bei der
Frequenzausstattung zukommt."  Das ambitionierte Ausländerprogramm SFB
4 Multikulti wird derzeit auf einer in Teilen Berlins schwer zum
empfangenden Frequenz ausgestrahlt.

In Frankfurt/Oder und Cottbus sollen neue Frequenzen für die neuen
Gemeinschaftsprogramme von SFB und ORB geplant werden, beschloß der
Medienrat.  SFB und ORB hatten Ende Februar beschlossen, künftig ein
"High-Quality"-Programm namens "Radio Eins" (Arbeitstitel) und ein
Kulturradio "Radio Drei" gemeinsam zu veranstalten.  Außerdem soll die
Klassikwelle NDR 3 aus Hamburg übernommen und mit lokalen Fenstern
ergänzt werden (Medialist 12.97 und weitere Meldung in dieser
Ausgabe).  (mr)


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SFB-Verwaltungsrat stimmt nun doch zu -- Kooperation mit dem ORB wird
ausgeweitet -- Frequenztausch in Berlin vereinbart

Die weitreichende Zusammenarbeit von SFB und ORB im Hörfunkbereich
kann nun doch wie geplant stattfinden.  Der SFB-Verwaltungsrat stimmte
am 14. Mai dem Vertrag mit dem ORB zu.  Dies gab der SFB am gleichen
Tag bekannt.  Das Gremium nahm das Anfang März von den beiden
Intendanten paraphierte Vertragswerk (Medialist 12.97) mit sieben
Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen an.  Ein Mitglied des insgesamt
elfköpfigen Gremiums war nicht anwesend.

Mit Beginn der Internationalen Funkausstellung im August sollen
demnach drei neue gemeinsame Hörfunkprogramme auf Sendung gehen:  In
Potsdam beim ORB wird das "High-Quality"-Programm "Radio Eins"
(Arbeitstitel) produziert, in Berlin beim SFB das Kulturradio "Radio
Drei".  Außerdem soll die Klassikwelle NDR 3 aus Hamburg übernommen
und mit lokalen Fenstern ergänzt werden (Arbeitstitel "Klassik Plus").
Dazu wird es nun weitere Gespräche mit dem NDR geben, wie SFB-Sprecher
Thomas Strätling auf Anfrage mitteilte.  Zugunsten der neuen Programme
werden die Kulturprogramme SFB 3 und Radio Brandenburg sowie das vom
SFB produzierte B Zwei eingestellt.

Der Entscheidung des SFB-Verwaltungsrats waren monatelange
Auseinandersetzungen in Berlin vorangegangen.  SFB-Chef Günther von
Lojewski und seinem ORB-Kollegen Hansjürgen Rosenbauer war vorgeworfen
worden, weder die Gremien noch den Personalrat vor der Paraphierung
des Vertrags informiert zu haben (Medialist 13.97).  Ein Papier der
Berliner Senatskanzlei hatte das Vertragswerk als "unvorteilhaft" für
den SFB bezeichnet (Medialist 15.97).  Die notwendige Zustimmung des
Verwaltungsrats galt seit März als unsicher und war zuletzt am 28.
April verweigert worden (Medialist 22.97).

Damals hatte das Gremium mit ebenfalls sieben Stimmen die Empfehlung
abgegeben, auf die geplante teilweise Übernahme des Klassikprogramms
NDR 3 zu verzichten und seine Zustimmung für den Fall angekündigt, daß
dieser Empfehlung Rechnung getragen würde.  Die beiden Intendanten und
der ORB-Rundfunkrat hatten jedoch einmütig Nachverhandlungen abgelehnt
(34/97).  Vereinbart wurde nun zwischen den beiden Häusern, die bisher
geplante Frequenzverteilung in Berlin zu ändern: "Radio 3" soll die
reichenweitenstärkere Frequenz 92,4 MHz erhalten, auf der derzeit B
Zwei sendet.  "Klassik Plus" hingegen wird auf die Frequenz 96,3 MHz
rücken, die zur Zeit von SFB 3 benutzt wird.

SFB-Verwaltungsratschef Hartmann Kleiner erklärte in einer Mitteilung
an den Rundfunkrat, das Gremium habe sich bei seiner Entscheidung
davon leiten lassen, daß durch den Kooperationsvertrag "auf den bisher
vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk genutzten Frequenzen in unserer
Region trotz der knapper gewordenen finanziellen Ressourcen beider
Anstalten" weiterhin ein anspruchsvolles Programm ausgestrahlt werden
könne.  SFB und ORB könnten die regionale Hörfunk-Grundversorgung
damit aus eigener Kraft leisten.

SFB-Intendant Günther von Lojewski wertete die Entscheidung als einen
"wichtigen Schritt zur Zukunftssicherung" des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks der Region.  SFB und ORB würden "im härtesten Rundfunkmarkt
der Bundesrepublik nicht nur überleben, sondern klar akzentuierte
Hörfunkprogramme hoher Qualität" gegen die Programmflut kommerzieller
Anbieter setzen können, so Lojewski.  Mit der Entscheidung des
Verwaltungsrats könne auch die wirtschaftliche Konsolidierung
fortgesetzt werden.  Durch die Kooperation will Lojewski in der
laufenden Gebührenperiode insgesamt 13,5 Millionen Mark einsparen.

Die "besseren Argumente" hätten den Ausschlag für die Kooperation
gegeben, erklärte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer am 14. Mai in
einer Stellungnahme zur SFB-Entscheidung.  Gremien und Intendanten
beider Sender hätten mit dem Vertrag auch ein Zeichen für die
Reformfähigkeit der ARD gesetzt, so Rosenbauer: "ORB und SFB brauchen
keine Ratschläge aus Leipzig", wie in den letzten Jahren auf vielen
Gebieten bewiesen worden sei.  Es sei der falsche Weg, sagte der
ORB-Chef, kleinere ARD-Anstalten abschaffen zu wollen und durch ein
"falschverstandenes Primat der Ökonomie Arbeitsplätze zu vernichten."
(mr)


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CME stellt Zahlungen für Puls TV ein -- Sendebetrieb läuft vorerst
weiter -- Gesamtverlust mehr als 140 Millionen Mark

Central European Media (CME) wird die Finanzierung von Puls TV
einstellen.  Dies erklärte die Firma am 13. Mai.  Sie bezifferte ihre
Verluste mit der Berliner Lokalstation auf mehr als zwanzig Millionen
US-Dollar.  Daraufhin beschlossen die Gesellschafter von Puls TV am
14. Mai, das Kommanditkapital der Gesellschaft nicht mehr zu erhöhen.
Diese Kapitalerhöhung wäre notwendig gewesen, um die in den nächsten
Monaten erwarteten "operativen Verluste" von Puls TV auszugleichen,
hieß es in einer Erklärung.

Die Gesamtinvestitionen für Puls TV, das als "IA Brandenburg"
gestartet war, bezifferten die Anteilseigner auf 140 Millionen Mark
seit 1993.  Der lokale Fernsehwerbemarkt habe sich nicht so schnell
wie erwartet entwickelt, so die Gesellschafter.  In den vergangenen 18
Monaten habe die Station monatlich mehr als zwei Millionen Mark
Verlust erwirtschaftet, hieß es in der CME-Erklärung.

Die CME, die offiziell mit 21,6 Prozent an Puls TV beteiligt ist und
einen weiteren Anteil dieser Höhe treuhänderisch hält, bezifferte
ihren Gesellschafteranteil nun auf 59 Prozent.  Dieser Anstieg der
Beteiligung dürfte auf die alleinige Finanzierung der Station durch
CME in den letzten zwölf Monaten zurückzuführen sein. Central European
Media hatte den anhaltend quotenschwachen Sender finanziert, nachdem
die anderen Eigentümer Time Warner, George Soros, APA Falladium und
Ulrich Schamoni sich zurückgezogen hatten.

Seit Herbst 1996 sucht die Deutsche Morgan Grenfell im Auftrag der CME
nach neuen Partnern für die Station.  Der Versuch, neue Investoren und
ein neues Management zu finden, sei gescheitert, erklärte CME nun.  Zu
den Interessenten zählten der Münchner Medienkaufmann Thomas Kirch und
der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto (Medialist 23.97).
Kirch-Vertreter Reinald Walter hatte Ende April erklärte, es habe seit
Monaten keine Gespräche nicht mehr mit der CME gegeben.

Der amtierende Puls-TV-Geschäftsführer Stefan Ziegenhagen teilte am
14. Mai auf Anfrage mit, der Sendebetrieb werde vorerst nicht
eingestellt.  In der Branche wird damit gerechnet, daß eine Lösung nun
in zwei bis drei Wochen gefunden werden muß, um eine Schließung der
Station abzuwenden.  Da die CME ihre bisherigen Verluste nun
abschreiben und mit den Ergebnissen des zweiten Quartals verrechnen
will, dürfte eine Lösung möglich sein, bei der ein neuer Investor
nicht die bisherige Verluste übernehmen müßte.  (mr)


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