Medialist 26.97: Digital-TV im Rahmen Hgg. von Martin Recke Themen dieser Ausgabe: - Hundert,6 bekommt neue Lizenz - Interview mit MABB-Direktor Hans Hege Hundert,6 bekommt neue Lizenz Hundert,6 geht zurück zu den Wurzeln. Für das geplante informationsorientierte, journalistische Radio bekam die Berliner Station nun eine neue Lizenz von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Im Unterschied zur ersten, "jungfräulichen" (MABB-Sprecherin Susanne Grams) Zulassung vor mehr als zehn Jahren will die Aufsichtsbehörde die zugesagten Programminhalte diesmal in der Lizenz festschreiben. Die neue Lizenzvergabe war notwendig geworden, weil Kirch-Sohn Thomas Ende Mai die Station vollständig übernommen hatte. In der MA 97 verlor Hundert,6 erneut an Hörern. Um die reichweitenstarke Frequenz hatte sich neben anderen auch Thomas Thimme beworben, der gemeinsam mit dem Süddeutschen Verlag zurück zu "altem Radioprofil" will und einen "mehrheitsfähigen" Sender für die Zielgruppe der Erwachsenen von 40 bis 59 Jahren plant. --------------------- "Eine Reihe unternehmerischer Fehlentscheidungen" -- Ein Interview mit MABB-Direktor Hans Hege Medialist: Die Ministerpräsidenten haben Anfang Juli einen neuen Ordnungsrahmen für digitales Kabel-TV in Auftrag gegeben. Welche Regeln sollten Ihrer Meinung nach darin enthalten sein? Hege: Die medienrechtlichen Prinzipien, Vielfalt und Wettbewerb zu fördern, offenen Zugang sowohl für Anbieter von Inhalten wie für die Nutzer zu gewährleisten, können künftig weniger auf der Ebene der Zulassung und der Kapazitätszuteilung verwirklicht werden, den traditionellen Ebenen des Rundfunkrechts. Jetzt geht es um die Fortentwicklung zur Zugangsfreiheit zu technischen und Programmplattformen, wie sie im § 53 des jetzigen Rundfunkstaatsvertrages bereits als Ansatz enthalten ist. Must-Carry-Regelungen für Netzbetreiber sind nur ein Ausschnitt, eine Frage, die im übrigen auch für künftige digitale terrestrische Multiplexbetreiber zu beantworten sein wird. Medialist: Wäre in Ihrem Szenario Platz für die nun vereinbarte enge Zusammenarbeit der Telekom mit der CLT/UFA und der Kirch-Gruppe? Hege: Über die Fortentwicklung der Konzentrationsregeln entscheidet der Gesetzgeber. Zunächst ist das geltende Recht anzuwenden. Was das konkret bedeutet, hat bei der Zulassung neuer Programme die KEK zu beurteilen, bei Fragen in Zusammenhang mit der Telekom und dem Zugang zu Plattformen die Landesmedienanstalten. Zunächst müssen wir wissen, wie die Zusammenarbeit zwischen CLT-UFA und der Kirch-Gruppe im einzelnen aussieht, wie weit sie sich über das engere Segment der Premium-Programme hinaus auf andere Felder erstreckt und damit auch das frei empfangbare Fernsehen erfaßt. Medialist: Neuer Ärger zeichnet sich zwischen der Telekom und den privaten Kabelnetzbetreibern ab, die viele Endkunden bedienen. Heißt die Lösung hier Konzentration? Hege: Im Kabel ist die Telekom nach wie vor weit davon entfernt, ein kundenfreundliches Unternehmen zu sein. Wenn nun bei den Kabelkunden der Eindruck entsteht, sie müßten mit ihren Gebührenerhöhungen die digitale Plattform für Kirch-Bertelsmann mitfinanzieren, auch wenn sie sie nicht nutzen, muß dies der Vermarktung des Kabels schaden. Die anderen Netzbetreiber sind näher am Kunden. Auf sich allein gestellt sind sie allerdings zu schwach, eine Gegenmacht gegen die dominierende Position von Kirch-Bertelsmann auf der Inhalteseite zu bieten. Daher wird eine Kooperation mit der Telekom erforderlich sein, auch eine Konzentration innerhalb der telekomunabhängigen Netzbetreiber. Aber wir brauchen auch den Wettbewerb, insbesondere für innovative Nutzungen des Kabels, an denen die Telekom kein Interesse hat. Medialist: Die MABB hat wiederholt gefordert, im digitalen Fernsehkabel nicht nur den Pay-TV-Anbietern, sondern auch den werbe- und gebührenfinanzierten Sendern Chancen zu geben. Ist dem nun mit der "Programmanbieter-neutralen technischen Plattform" der Telekom Rechnung getragen? Hege: Gebühren- und werbefinanzierte, unverschlüsselte Programme sind auch ohne eine technische Plattform der Telekom zu empfangen; der einheitliche Standard hat nur für die entgeltfinanzierten Programme Bedeutung. Strategisch wichtig wird er damit auch für eine Mischfinanzierung, also eine Finanzierung von Programmen durch Anteile an den Kabelentgelten neben der Werbefinanzierung, wie sie für thematisierte Kanäle im Ausland üblich ist und auch deutschen werbefinanzierten Veranstaltern eine zusätzliche Einnahmequelle verschaffen könnte. Wesentlicher als die technische Plattform ist dabei eine Programmplattform, die diese Programme den Kabelkunden anbietet. Die Telekom ist hier vom einen Extrem, zunächst ausschließliche Kundenbeziehungen zu allen an das Kabel angeschlossenen Haushalten zu verlangen, zum anderen geschwenkt, nun nur noch eine technische Plattform zu bieten; von einer Programmplattform, also der entscheidenden Dienstleistung, wie sie alle Kabelunternehmen im Ausland anbieten, ist in ihren Erklärungen nicht mehr die Rede. Das würde bedeuten, daß alle kleineren Veranstalter auf Dienstleistungen von Kirch-Bertelsmann angewiesen wären. Medialist: Welche Rolle spielen die großen Sender? Für mich ist aufklärungsbedürftig, warum große Programmanbieter wie RTL, SAT.1 und Pro Sieben anders als die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht den Weg in die digitale Zukunft nehmen; in Großbritannien und den USA sind entsprechende Veranstalter mit an der Spitze der Entwicklung. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß ihre Gesellschafter bei ihrem Digitalpakt auf entgeltfinanzierte Programme setzen. Die Konkurrenzfähigkeit des freien Fernsehens muß ein zentrales Anliegen von Medien- wie Kartellrecht sein. Die Veranstalter sollten allerdings auch von der Illusion Abschied nehmen, daß ihre Probleme mit weiteren analogen Kanälen gelöst würden. Medialist: Schon 1994 ist mit der Media Service GmbH eine auf den ersten Blick vergleichbare Konstruktion von Bertelsmann, Kirch und Telekom gescheitert. Geben Sie der neuen Lösung größere Chancen vor den Augen der Kartellbehörden in Brüssel und Berlin? Hege: Wir haben heute eine Reihe unternehmerischer Fehlentscheidungen hinter uns, durch die die praktischen Chancen auf wirklichen Wettbewerb gegenüber 1994 gesunken sind. Gleichzeitig ist aber auch die Gefahr gewachsen, daß die mögliche Dynamik der digitalen Entwicklung in Deutschland durch lähmende Strukturen von Großkooperationen behindert wird. In keinem europäischen Land werden so viele Zugangsebenen von so wenig Unternehmen kontrolliert. Zunächst geht es nun darum, Transparenz zu schaffen, nicht nur für die Kartellbehörden, sondern auch für die Öffentlichkeit. Es wird mit Sicherheit zusätzliche Maßnahmen zugunsten des Zugangs kleinerer und innovativer Veranstalter geben müssen. Eine Kernfrage bleibt die Rolle der Telekom, die zusammen mit den anderen Netzbetreibern die einzige, bisher nicht genutzte Chance auf eine mit Kirch-Bertelsmann konkurrierende Programmplattform darstellt. Aber weder Kartell- noch Medienrecht können ein Unternehmen wettbewerbsfähig machen. --------------------- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf <http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/>. Die Liste ist moderiert. Beitraege nimmt Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de> entgegen. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit SUBSCRIBE im Body. HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>. Nichtkommerzielle Weiterverbreitung der Medienliste ist nur komplett gestattet. Alle Rechte vorbehalten.