Medialist 23.97: Keine Entscheidung bei FAB

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
6 May 1997 12:22:57 GMT

Medialist 23.97: Keine Entscheidung bei FAB
Hgg. von Martin Recke

        Themen dieser Ausgabe:
        - FAB vertagt Entscheidung über Senderzukunft
        - ORB-Rundfunkrat fordert Einlenken vom SFB-Verwaltungsrat


Berlin: FAB-Gesellschafter vertagen Entscheidung über Senderzukunft --
Übernahmeangebote von Thomas Kirch und Frank Otto

Die Zukunft des Regionalsenders FAB (Fernsehen aus Berlin) ist
weiterhin offen.  Eine Gesellschafterversammlung kam am 30.  April zu
keiner Entscheidung über die vorliegenden konkurrierenden
Übernahmeangebote.  Endgültige Beschlüsse sollen nun im Juni gefaßt
werden, teilte FAB-Geschäftsführer Hans-Gerhard Roth am gleichen Tag
auf Anfrage mit.

Den FAB-Gesellschaftern, vorrangig mittelständische Fernseh- und
Filmproduzenten, liegen Angebote von Thomas Kirch (München) und Frank
Otto (Hamburg) vor.  Thomas Kirch plant, die Mehrheit am 1991
gegründeten Sender zu übernehmen, erklärte Reinald Walter,
Geschäftsführer von tv.münchen, der die Verhandlungen im Auftrag
Kirchs führt.  Thomas Kirch ist mit 40 Prozent an tv.münchen
beteiligt.

Der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto will nach eigenen Angaben
das Konzept des Low-Budget-Senders Hamburg 1 (HH1) auf FAB übertragen
und die beiden Sender eng kooperieren lassen.  Otto ist mit 24 Prozent
an Hamburg 1 beteiligt und hält in Berlin bereits Anteile an den
Radiostationen Kiss FM und Newstalk.  

Es sei nicht sein vorrangiges Ziel, "die Übernahme zu organisieren",
sagte Otto auf Anfrage.  Er würde sich auch mit einer "strategischen
Minderheitsbeteiligung" zufriedengeben.  Auch eine vertraglich
festgelegte Sperrminorität der derzeit an FAB beteiligten
Gesellschafter könne er sich vorstellen, so Otto.

FAB-Geschäftsführer Hans-Gerhard Roth sagte nach der
Gesellschafterversammlung am Mittwoch, es gebe daneben "auch noch eine
andere Konstruktion", nannte jedoch keine Details.  In Kreisen der
Gesellschafter war die Rede von einem möglichen Angebot der CLT-Ufa,
die ab Juli die Station Hamburg 1 mit Programmen beliefern wird.
Hamburg 1 wird derzeit mit einem Mantelprogramm von Super RTL
verbreitet.

Bis zu 47 Prozent der FAB-Anteile können nach der gegenwärtigen
Beschlußlage der Gesellschafter im Wege einer Kapitalerhöhung verkauft
werden, teilte Roth mit.  Der FAB-Chef sagte, er hoffe, auf diesem
Wege das "riskante Spiel" einer Rückgabe der FAB-Lizenz an die
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) zu vermeiden.  

MABB-Direktor Hans Hege stellte auf Anfrage jedoch klar, daß mit der
gegenwärtigen Lizenz von FAB weder der Einstieg Ottos noch der Kirchs
vereinbar wäre.  Schon im Herbst 1995 hatte der MABB-Medienrat den
Plänen eine Absage erteilt, nach denen Spiegel-TV zusammen mit Otto
und der German Television Agency (GTA) aus London 47,2 Prozent des
Senders übernehmen wollte.  

Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust hält derzeit 13 Prozent der
FAB-Anteile.  Spiegel-Manager Werner E. Klatten kündigte den Rückzug
aus FAB für den Fall an, daß Thomas Kirch die Mehrheit übernehmen
sollte.  Man würde sich in diesem Fall von einer "operativen
Senderbeteiligung" trennen, so Klatten, denn Kirch wäre "nicht
kompatibel" zu Spiegel-TV und Stefan Aust.

Im Januar hatte der Berliner Kommerzsender Hundert,6 bekanntgegeben,
daß Thomas Kirch plane, 40 Prozent der Anteile an der Station zu
übernehmen (Medialist 2.97).  Eine Zustimmung der MABB zu dieser
Übernahme steht bislang noch aus.  Das Verfahren sei noch nicht
abgeschlossen, teilte MABB-Justitiarin Ingeborg Ludwig auf Anfrage
mit.

Mit der Berliner Lokalfernsehstation Puls TV (vormals IA Fernsehen),
für die derzeit die Deutsche Morgan Grenfell nach neuen Investoren
sucht, hat Kirch-Vertreter Reinald Walter nach eigenen Angaben "seit
Monaten" keine Gespräche mehr geführt.  Frank Otto hingegen teilte
mit, er sei auch mit dem derzeitigen Puls-TV-Hauptfinanzier CME im
Gespräch.

FAB ist seit 1995 im Besitz einer bundesweiten Lizenz, sah sich
bislang jedoch nicht in der Lage, sein Programm auch via Satellit
auszustrahlen.  Die Station hat seit Ende vergangenen Jahres die
Möglichkeit, eine terrestrische Frequenzkette in Sachsen-Anhalt zu
nutzen, die bereits 1992 vergeben worden war.  (mr)


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ORB-Rundfunkrat fordert SFB-Gremien zum Einlenken auf -- Rosenbauer:
"Unfähigkeit zu Reformen"

Der Rundfunkrat des ORB hat die SFB-Gremien aufgefordert, ihre
Entscheidung über die Kooperation der beiden Häuser im Hörfunk erneut
zu diskutieren.  Die Gremien des ORB sähen "keine Veranlassung zu
Nachverhandlungen", heißt es in einem Beschluß des Rundfunkrats vom
29. April.  Einen Tag zuvor hatte der SFB-Verwaltungsrat dem von den
Intendanten unterzeichneten Kooperationsvertrag seine Zustimmung
verweigert und empfohlen, auf die geplante teilweise Übernahme des
NDR-Klassikprogramms NDR 3 als Mantel ("Klassik Plus") für regionale
Klassikstrecken zu verzichten (Medialist 22.97).

Das Votum des SFB-Verwaltungsrats sei ein "Rückschlag für das Bemühen
beider Sender, zu einer weitergehenden, erfolgreichen und
zukunftsträchtigen Zusammenarbeit zu kommen", so der ORB-Beschluß.
Begrüßt wurde darin ausdrücklich die Bereitschaft des NDR zu einer
Zusammenarbeit bei "Klassik Plus".  Der Rundfunkrat verwies darauf,
daß der Programmausschuß des SFB sowie Rundfunkrat und Verwaltungsrat
des ORB dem Vertrag mit "überwältigender Mehrheit" zugestimmt hätten.

ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer hatte zuvor dem Gremium
mitgeteilt, daß ihm sein SFB-Amtskollege Günther von Lojewski
versichert habe, er lehne Nachverhandlungen ab.  SFB-Sprecher Thomas
Strätling sagte dazu am 5. Mai auf Anfrage, Lojewski stehe weiterhin
hinter dem mit dem ORB ausgehandelten Vertrag.  Der SFB-Verwaltungsrat
wird am 14. Mai zu seiner nächsten Sitzung zusammenkommen.

Rosenbauer kritisierte in einer Rede vor dem Rundfunkrat die
"Unfähigkeit zu Reformen" und die Angst vor Veränderung, die sich in
dem Abstimmungspatt des SFB-Verwaltungsrats gezeigt habe.  Der
Kooperationsvertrag berücksichtige die Interessen beider Seiten.  "Wir
haben ohne Tricks und doppelten Boden gearbeitet", so der ORB-Chef.
"Dafür und für seine Standfestigkeit möchte ich meinem Kollegen
Günther von Lojewski ausdrücklich danken."

Der Vertrag dürfe nicht an "falschverstandenen Partikularinteressen"
scheitern, forderte Rosenbauer und bekräftigte, der ORB wolle von der
Zusammenarbeit mit dem NDR bei der Klassikwelle nicht abrücken.  Eine
solche Kooperation über die Grenzen der Region hinaus werde immer
wieder von der ARD gefordert.  Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg
habe Zustimmung zu einer Änderung der Frequenzbelegung signalisiert,
erklärte Rosenbauer.

Er könne sich die Ablehnung von "Klassik Plus" durch den
SFB-Verwaltungsrat nicht rational erklären, so der ORB-Intendant.
"Wenn es nicht dieser Punkt wäre, würden die Kritiker andere Punkte
finden", meinte Rosenbauer.  Der NDR ist nach den Worten des ORB-Chef
bereit, über eine Kooperation auch beim Inforadio nachzudenken, das
SFB und ORB gemeinsam in Berlin herstellen.  (mr)


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