Medialist 18.97: Akademische Debatte

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
8 Apr 1997 08:55:04 GMT

Medialist 18.97: Akademische Debatte
Hgg. von Martin Recke


Landowsky: SFB-Verwaltungsrat wird im April nicht mehr zustimmen --
Debatte um SFB/ORB-Radioreform in der Akademie der Künste

Die Verabschiedung des Radio-Kooperationsvertrags zwischen SFB und ORB
könnte sich im SFB-Verwaltungsrat weiter verzögern.  Er denke nicht,
daß der Vertrag am 16. April verabschiedet werde, sagte der Berliner
CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, der auch dem Verwaltungsrat
angehört, am 7. April bei einer Podiumsdiskussion in der Akademie der
Künste.  

Von der SFB-Geschäftsleitung forderte Landowsky, sie solle vor einer
Verabschiedung Programmschemata für die neuen Gemeinschaftswellen
vorlegen.  Sonst gebe es für den Vertrag keine Mehrheit, so der
CDU-Politiker.  In der zum Teil erregt geführten Debatte hatte
SFB-Intendant Günther von Lojewski zuvor eingeräumt, daß "finanzielle
Zwänge ein maßgebender Faktor" für die angestrebte Zusammenarbeit mit
dem ORB seien.  Eine "zweistellige Summe" sei insgesamt in der
laufenden Gebührenperiode einzusparen, so der SFB-Chef.  Durch die
Kooperation erwarte er insgesamt ein Viertel der Sparsumme.  

Lojewski bezeichnete es als "Horrorszenario", wenn SFB und ORB nicht
zur gemeinsamen Veranstaltung einer Hochkulturwelle ("Radio Drei") und
eines "High Quality"-Radios für die Altersgruppe der 25- bis
49jährigen ("Radio Eins") kämen.  Im Falle eines Scheiterns der
geplanten Kooperation käme sein Haus nicht ohne Schließung eines
Programms aus und müsse eine Frequenz in Berlin aufgeben.  Ein solches
"Signal für einen Rückzug" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wolle
er nicht geben, sagte Lojewski.

Rundfunkrat Christian Kneisel (Akademie der Künste) übte heftige
Kritik am Kooperationsvertrag.  Die Finanzrechnungen enthielten "viele
Unbekannte", den erwarteten Werbeeinnahmen mochte Kneisel keinen
Glauben schenken.  Die Rechnungen möglicher Alternativmodelle seien
für die Gremien "nicht wirklich vergleichbar", bemängelte Kneisel, der
für Vorsicht plädierte, wenn die Grenzen zwischen "E und U" verwischt
würden.

Ihn erinnere diese Debatte an die Schlachten der sechziger Jahre um
den Kulturbegriff, sagte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer, der für
ein weites Verständnis von Kultur plädierte.  Die Auseinandersetzungen
um die geplante Radiozusammenarbeit nannte Rosenbauer
"anachronistisch".  Wenn die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg
im vergangenen Jahr nicht gescheitert wäre,  dann hätten beide Häuser
längst einen vergleichbaren Entwurf für die künftige Radiopalette
vorlegen müssen.

Die Medienpolitikerin Alice Ströver (Bündnis90/Grüne) plädierte dafür,
die Aufmerksamkeit auf die Frage zu richten, ob es den SFB am Ende der
Gebührenperiode "überhaupt noch" gebe.  Sie verwies auf die Vorschläge
des ARD-Intendanten Udo Reiter (Medialist 17.97), der die Existenz
einer Berliner Landesrundfunkanstalt in Frage gestellt habe.  Vor
diesem Hintergrund halte sie die Pläne als Gesamtangebot für "so
schlecht nicht", so Ströver.  Sie habe "Vertrauen in die
SFB-Mitarbeiter", die derzeitige Radioqualität auch weiterhin zu
sichern, sagte die grüne Medienpolitikerin.  

Es sei "arrogant, immer nur von SFB 3 zu reden", so Ströver.  Auch der
ORB bringe sein Kulturprogramm Radio Brandenburg in die Kooperation
ein.  Es komme für ein abschließendes Urteil auf die Details der
Programmschemata an.  ORB-Hörfunkdirektorin Hannelore Steer kündigte
an, daß bis zur nächsten SFB-Verwaltungsratssitzung die angeforderten
Programmschemata vorliegen sollen.  Die Arbeitsgruppen aus beiden
Häusern hätten sich bereits getroffen.  (mr)


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