Medialist 15.97: Radio-Reform vor dem Scheitern? Hgg. von Martin Recke Themen dieser Ausgabe: - Berlin: Senatskanzlei kritisiert SFB/ORB-Radiokooperation - SFB: Fehler in der Senats-Argumentation - Diepgen bekundet Interesse an Reiter-Vorschlägen - Bundesverwaltungsgericht bestätigt Aufhebung der DSF-Lizenz - Nachrichten bei ARD und ZDF "pluralistischer" als bei Kommerzsendern - SAT 1 sieht sich als Merchandising-Marktführer Der Mann ist eigentlich im Urlaub. Doch nun sitzt er in seinem Hotel und telefoniert unablässig nach Berlin. Denn es scheint, als flögen bald ihm die Trümmer seines Tuns um die Ohren. Günther von Lojewski heißt er, SFB-Intendant im Hauptberuf und in dieser Funktion Unterzeichner eines bislang in der ARD einmaligen Vertrages mit seinem brandenburgischen Kollegen Hansjürgen Rosenbauer. Dem Vertragswerk (und damit dem Intendanten) droht das Scheitern im eigenen Verwaltungsrat. Dem SFB-Personalrat, offenbar jeglicher Veränderung abhold, scheint es gelungen, die Gewerkschaften zu einer Ablehnungsfront gegen den Reformplan zusammenzuschmieden. Dieser Koalition ist jedes Mittel recht, wie ein Brief des Autorenkreises zeigt, der gar "geistigen Vandalismus" in der SFB-Chefetage verortete. Zur wenig sachlichen Kritik von links kommt nun, nicht ohne Überraschungsmoment, eine halbgare Suada aus der konservativ dominierten Berliner Senatskanzlei. Es ginge nicht darum, die Kooperation mit dem ORB zu torpedieren, ist aus Diepgens Schreibstube zu vernehmen, sondern um eine ausgewogene Verteilung des Nutzens. Der SFB, so die Forderung, solle außerdem auch für Kooperationen mit Dritten offen bleiben. Der Gegenvorschlag aus dem Roten Rathaus ist nicht ohne Pikanterie. Mit der Idee, statt "Klassik Plus" das renommierte SFB-Radio Multikulti auf die reichweitenstärkere Frequenz 92,4 MHz zu verlegen, rächt man sich an den Erpressungsversuchen Lojewskis zur Jahreswende. Damals hatte der SFB-Chef mit der Einstellung von Radio Multikulti gedroht, wenn er nicht hinreichend Geld aus MABB-Rückflüssen bekäme. Das brachte auch den Senat in Bedrängnis, der für die Rundfunkorchester und Chöre (ROC) einstehen muß, wenn Lojewski klamm ist. Die Verdunkelungspolitik des SFB in finanziellen Angelegenheiten zahlt sich nun bitter aus. In seinen Kassen fehlen bis Ende 2000 offenbar insgesamt bis zu 60 Millionen Mark. Gut 13 davon sollen durch die Radiokooperation gespart werden. Der Partner in Potsdam wiederum spart nach Angaben seines Intendanten nur rund eine Million Mark im Jahr, zieht also deutlich den kürzeren. Dafür erhält er jedoch die geplante massenattraktive Radiowelle, während aus Berlin vorrangig Sparteninteressen bedient werden sollen. Das Haus Diepgen zieht daraus die Folgerung, die Vorteile der Kooperation lägen eindeutig in Potsdam. Und die Berliner Radio-Kultur würde ausgedünnt. Zwei Vorwürfe, die logisch kaum unter einen Hut passen: Denn das wortstarke Kultur-"Radio Drei" und die hiesigen Fenster der Welle "Klassik Plus" sollen aus Berlin kommen. Welch' verzerrte Gesichter wären wohl geschnitten worden, wenn die Kulturwelle nach Potsdam hätte ziehen müssen? Die vorhandenen Personalstöcke in beiden Häusern drängten die Lösung geradezu auf: Hier die kopfstarke SFB-3-Besatzung, viele Redakteure im reiferen Alter und ein Programm mit markantem klassischem Kulturprofil -- dort das erheblich kleinere und jüngere ORB-Team und ein Radio Brandenburg, das sich den üblichen Schubladen entzieht. Schwerer als der Theaterdonner um diesen Radio-Balanceakt wiegt da schon das deutliche Interesse des medienpolitisch desorientierten Regierenden Bürgermeisters an den Reiter-Spielen für einen "Hauptstadtsender" als eine Art ARD-Gemeinschaftseinrichtung. Mit dem Schlagwort "Hauptstadt" hat der ARD-Chef aus Leipzig, kalt berechnend, bei Diepgen auf einen Knopf gedrückt. Für solch' einen Frack verkauft der Berliner Regierungschef gern das Hemd seines Senders Freies Berlin. Das bislang eher ungetrübte Verhältnis zwischen den beiden Intendanten in Berlin und Leipzig dürfte nun Schaden genommen haben. (mr) Berlin: Senatskanzlei kritisiert SFB/ORB-Radiokooperation -- Gespräche mit dem NDR "ruhen" Der Radio-Kooperationsvertrag zwischen SFB und ORB (Medialist 12.97) stößt in der Berliner Senatskanzlei auf erhebliche Vorbehalte. Rundfunkpolitisch berge die Vereinbarung für Berlin "nicht zu unterschätzende Risiken", heißt es in einem internen Papier der Senatskanzlei. Der Vertrag erscheine für den SFB "unvorteilhaft", so die Bewertung, sei aber "rechtlich wegen der Staatsferne des Rundfunks nicht zu verhindern". Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) teile die Bewertungen des Papiers, hieß es. Der SFB hat die Kritik inzwischen zuückgewiesen (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe). Es gebe Stimmen im SFB, die den Vertrag für "unausgewogen" hielten, so das Analysepapier. Der weitaus höhere Kostenvorteil liege demnach beim ORB. Die erwarteten Einsparungen seien dagegen "unsicher": Die erwarteten Mehrerträge von 5,3 Millionen Mark könnten "weitaus geringer" ausfallen, die Anlaufwerbekosten für das geplante massenattraktive "Radio Eins" seien nicht im Etat eingeplant. Der ORB will durch die Zusammenarbeit rund eine Million Mark pro Jahr einsparen, der SFB rechnet für die laufende Gebührenperiode insgesamt mit einer Ersparnis in Höhe von 13,65 Millionen Mark. Erst zum 1.1.1999 griffen die Regelungen des Vertragswerks über die Verteilung der Werbeerlöse und die Etats für die Bewerbung, stellt die Senatskanzlei fest. Bis dahin erhalte der ORB die auf rund 10 Millionen Mark pro Jahr bezifferten Erlöse aus dem eingeführten Jugendprogramm Fritz, während die SFB-Werbetochter für "Radio Eins" verantwortlich sei und die Anlaufkosten trage, obwohl die Welle in der Federführung des ORB hergestellt wird. Auch der Produktionsetat der Rundfunkorchester und Chöre (ROC) GmbH in Höhe von 1,1 Millionen Mark bleibe beim SFB, während der ORB die ("ungesicherte") Ausstrahlung über "Stützfrequenzen" in Brandenburg finanziere. Programmpolitisch sei ein "Qualitäts- und Attraktivitätsverlust" der Hauptstadtberichterstattung zu befürchten, weil "qualifizierte Kulturredakteure" des SFB abgebaut und Mitarbeiter von Radio Brandenburg, "der wenig profilierten Kulturwelle" des ORB übernommen werden sollen. Wenn die klassische Musik wie vorgesehen von der Veranstaltergemeinschaft mit dem NDR und Radio Bremen übertragen würde, verzichte der SFB damit auf einen "bestimmenden Einfluß". Der NDR könne sich so eine hochkarätige "Abspielfrequenz" für sein Programm in Berlin-Brandenburg sichern. Die für die Rechtsaufsicht zuständige Senatskanzlei trägt daneben auch juristische Einwände vor. Der SFB-Intendant mache sich durch die Kooperationen von Abstimmungen mit dem ORB abhängig und verzichte auf das Alleinentscheidungsrecht für Teile seines Programms, heißt es. Er könne sich dabei jedoch auf den Berlin-Brandenburgischen Medienstaatsvertrag berufen, der die beiden Landesrundfunkanstalten "berechtigt und verpflichtet", gemeinsame Programme zu veranstalten. Rechtlich sei die Vereinbarung auch deshalb nicht zu beanstanden, weil sie zum Ablauf der Gebührenperiode am 31.12.2000 kündbar ist. NDR-Kooperation gescheitert? In der Senatskanzlei gibt es offenbar juristische Bedenken dagegen, daß der Vertrag Leistungen vorsehe, die von Dritten abhängig seien. Dazu zählt nach Ansicht des Senats die Frage der Stützfrequenzen, die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) vergeben werden müssen, und die Zusammenarbeit mit dem NDR, dessen Zustimmung bislang ebenfalls aussteht. NDR-Hörfunkprogrammdirektor Gernot Romann teilte am 21. März auf Anfrage mit, daß die Gespräche mit dem SFB derzeit ruhen. "Offenbar kann der SFB seine eigene Position intern nicht durchsetzen", so Romann. Die Verhandlungen seien jedoch weder gescheitert noch abgebrochen worden, die Gespräche mit dem ORB würden fortgesetzt. Romann wies darauf hin, daß die NDR-Gremien der Kooperation nicht formal zustimmen müssen, sondern den Intendanten "beraten". Er habe ein Mandat gehabt, mit SFB und ORB über eine teilweise Übernahme des Klassikprogramms NDR 3 zu sprechen. Der in der Pressekonferenz der beiden Intendanten am 28. Februar entstandene Eindruck, die Zusammenarbeit mit dem NDR sei bereits beschlossene Sache, sei hingegen nicht richtig. Die Kooperation im Bereich einer Klassikwelle "bietet sich geradezu an", so Romann. Dahinter sei "kein unangemessener Appetit" des NDR auf eine Vergrößerung seines Sendegebiets zu vermuten: "Das NDR-Sendegebiet ist groß genug". MABB-Direktor Hans Hege bestätigte am 20. März die Existenz eines Schreibens an die beiden Hörfunkdirektoren. Er habe darin um eine Stellungnahme dazu gebeten, welchen Stellenwert SFB 4 Multikulti oder das geplante Klassikprogramm für die Grundversorgung hätten. Der SFB hatte bisher eine reichweitenstärkere Frequenz für Radio Multikulti gefordert. Mit der derzeit von B zwei genutzten Berliner Frequenz 92,4 MHz stehe künftig eine solche zur Verfügung, so Hege. Diese Frequenz wollen SFB und ORB mit "Klassik Plus" besetzen. Bei der Frequenzvergabe für das SFB/ORB-Inforadio hatte der Medienrat angekündigt, nach zwei Jahren den öffentlich-rechtlichen Frequenzbedarf in Berlin zu prüfen. SFB und ORB stehen nach dem Medienstaatsvertrag sechs Frequenzen zu, sie nutzen derzeit insgesamt acht. Es gehe nicht darum, den beiden Anstalten eine Frequenz wegzunehmen, erklärte Hege auf Anfrage. Im Senatspapier wird dem MABB-Direktor zugeschrieben, eine Zusammenlegung von B Zwei und SFB 4 Multikulti auf der Frequenz 92,4 MHz zu präferieren. Die Einstellung von B Zwei bringe eine Einsparung von 9,9 Millionen Mark in der Gebührenperiode bis 2000. Mittels Werbung auf dem bislang werbefreien Multikulti-Programm könnten dann "weitaus höhere" Umsätze erzielt werden, heißt es aus der Senatskanzlei. Damit könnte sich SFB 4 dann teilweise auch aus eigenen Mitteln finanzieren, "so daß der Druck auf die Medienanstalt und auf den Senat" sinken würde. SFB-Intendant Günther von Lojewski drängt seit Ende vergangenen Jahres auf höhere Abführungen der MABB, um damit die Finanzierung von Multikulti und der ROC GmbH zu sichern (Medialist 7, 8 und 9.96, 1 und 2.97). (mr) --------------------- SFB: Fehler in der Senats-Argumentation -- Zustimmung des SFB-Verwaltungsrats gefährdet? Der SFB hat die Kritik aus der Senatskanzlei an der Kooperation mit dem ORB (siehe weitere Meldung in dieser Ausgabe) zurückgewiesen. SFB-Sprecher Thomas Strätling wies am 19. März auf eine Reihe von "sachlichen Fehlern" in der Argumentation des Senats hin. So hätten die Werbeerlöse für Fritz 1996 nicht 10 Millionen Mark, sondern "knapp 6 Mio. Mark netto" und etwa 8 Mio. Mark brutto betragen. Radio B Zwei habe netto rund 1,7 Mio. Mark Werbeerlöse eingebracht. Die Vorteile der Kooperation lägen "überwiegend" beim SFB, der ORB spare "wesentlich weniger". Zwar habe der SFB bis Ende 1998 allein für "Radio Eins" aufzukommen, erhalte bis dahin jedoch auch die Erlöse dieser beim ORB angesiedelten Welle. Vom Etat der vier gemeinsamen Wellen ("Radio Eins", "Radio Drei", "Klassik Plus" und Fritz), der 18,5 Mio. Mark umfasse, trage der ORB gut 48 Prozent, während er nach der Gebührenquote derzeit nur 43 Prozent zu tragen hätte. Auch unter Berücksichtigung der Planstellenverteilung zwischen den beiden Häusern (55 zu 85) bleibe der ORB-Anteil bei knapp 45 Prozent der Gesamtkosten. Die erwarteten Einsparungen seien im übrigen "gering angesetzt", so Strätling. Höhere Werbeerlöse könnten durch eine Ausstrahlung von SFB 4 Multikulti auf der Frequenz 92,4 MHz nicht erzielt werden. Auch die programmpolitischen Bedenken der Senatskanzlei wies Strätling zurück. Von einer "Ausdünnung des Programms" könne keine Rede sein. Im Wortanteil bleibe das Programm im wesentlichen gleich. In der gemeinsam mit dem NDR geplanten Welle "Klassik Plus" kämen alle Sender zu Wort. Insofern sichere sich nicht der NDR eine "Abspielfrequenz" in Berlin, sondern würden SFB und ORB künftig auch im NDR-Sendegebiet gehört. Der SFB-Sprecher wandte sich auch gegen die Kritik an der Übernahme von ORB-Redakteuren: Dies führe nicht zu Qualitäts- und Attraktivitätsverlust, "es sei denn, man vertrete die Ansicht, Mitarbeiter des ORB seien unfähig oder unqualifiziert". Während die ORB-Gremien dem Vertragswerk bereits zugestimmt haben, gilt das notwendige Placet des SFB-Verwaltungsrats inzwischen als unsicher. In dem elfköpfigen Gremium sitzen insgesamt fünf Vertreter von Gewerkschaften, Journalistenverband und SFB-Personalrat. Mit deren Ablehnung ist nach der harschen Kritik an der Kooperation (Medialist 13.97) zu rechnen. Der Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky und der Verwaltungsratsvorsitzende Hartmann Kleiner (Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg) signalisierten dagegen bislang Zustimmung. Der Vertreter der Grünen im SFB-Rundfunkrat, Jochen Esser, nannte die Kritik aus der Senatskanzlei angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat "brisant". SFB-Sprecher Thomas Strätling wies die am 18. März veröffentlichte Kritik des Autorenkreises der Bundesrepublik an der Einstellung von SFB 3 am gleichen Tage als "sachlich nicht gerechtfertigt" zurück. "Wir betrachten diese Entscheidung vor allem als einen Akt gegen die Verbreitung und Vielfalt von Literatur und als Hinwendung zu einem geistigen Vandalismus", hieß es in der Erklärung des Autorenkreises. Die SFB-Leitung erklärte dazu, das geplante "Radio Drei" werde einen höheren Wortanteil an "kulturellen Radioformen" enthalten als SFB 3. (mr) --------------------- Berlin: Diepgen bekundet Interesse an Reiter-Vorschlägen -- "Keine übliche ARD-Gemeinschaftseinrichtung" anstelle des SFB Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, hat sein Interesse an den Vorschlägen des ARD-Vorsitzenden Udo Reiter geäußert. In einem Schreiben an Reiter vom 13. März erklärte Diepgen, er finde den Vorschlag des MDR-Intendanten bezogen auf das bundesweit ausgestrahlte ARD-Programm interessant, "der besonderen Bedeutung der Hauptstadt und der Berichterstattung aus der Hauptstadt durch ein besonderes Modell Rechnung zu tragen, das die ARD als Gemeinschaft in die Verantwortung für die Erfüllung dieser Aufgabe einbezieht". Distanzierter zeigte sich Diepgen dagegen gegenüber Reiters Idee, den Sender Freies Berlin (SFB) durch eine gemeinschaftlich getragene Einrichtung der ARD zu ersetzen. Die Versorgung Berlins mit regionalem Hörfunk und Fernsehen bleibe die Aufgabe einer regionalen Rundfunkanstalt, schreibt der Berliner Regierungschef. "Diese regionale Rundfunkanstalt ist heute der SFB", so Diepgen. Es möge vom Ergebnis der ARD-Strukturdebatte abhängen, ob in der Region eine größere Rundfunkanstalt "mit mehreren Landesfunkhäusern" entsteht. Diepgen sieht keine Notwendigkeit dazu und keinen Vorteil darin, die regionale Versorgungsaufgabe der "regionalen Verantwortung und Selbstbestimmung zu entziehen und einer Gemeinschaftseinrichtung aller ARD-Anstalten zu übertragen". Es sei jedoch zu früh, eine abschließende Berliner Position zu den aufgeworfenen Fragen zu beziehen. An der Diskussion werde Berlin sich konstruktiv beteiligen. Es bedürfte "sorgfältigster Prüfung", wie die Zusammenarbeit der regionalen Rundfunkanstalt und der ARD-Gemeinschaft gestaltet und die Rechte und Pflichten ausbalanciert werden könnten, so das Schreiben. Diepgen stimmte Reiter darin zu, daß es sich "nicht um eine übliche ARD-Gemeinschaftseinrichtung" handeln könne, sondern um "einen gemeinschaftliche betriebenen Sender sui generis", der als "Hauptstadtsender" wichtige "nationale Aufgaben" der ARD erfülle. Diepgen kündigte an, auch andere Optionen zu entwicklen und in die Diskussion einzuführen. Dies schmälere aber nicht das Verdienst des ARD-Vorsitzenden, die Diskussion um die künftige ARD-Struktur "mit einem so weitgreifenden und neue Perspektiven aufreißenden Vorschlag" eröffnet zu haben, schreibt der Regierungschef. Die ARD-Intendanten hatten auf ihrer Sitzung in Leipzig verabredet, die Diskussion zunächst intern zu führen. Udo Reiter war mit seinen Vorschlägen dann vom Stern zitiert worden und hatte sie in einem Focus-Interview erläutert (Medialist 11.97). (mr) --------------------- Bundesverwaltungsgericht bestätigt Aufhebung der DSF-Lizenz -- BLM kündigt "Übergangsgenehmigung" an Die Aufhebung der DSF-Lizenz durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war rechtmäßig. Dies bestätigte in letzter Instanz das Berliner Bundesverwaltungsgericht am 19. März. Die Zulassung des Deutschen Sportfernsehens (DSF) zur bundesweiten Verbreitung durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) war demnach rechtswidrig. Fragen der Medienkonzentration und der Meinungsvielfalt seien nicht genügend aufgeklärt worden, hieß es zur Begründung. Zum ersten Mal werde damit die Lizenz eines Fernsehveranstalters rechtskräftig aufgehoben, hieß es in einer Mitteilung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) vom 20. März. Das Bundesverwaltungsgericht gab einer Klage der MABB aus dem Jahre 1991 statt. Die bayerische Landesmedienanstalt kündigte am gleichen Tage eine "Übergangsgenehmigung" für den Sender an. Da die nach dem neuen Rundfunkstaatsvertrag für die Konzentrationskontrolle zuständige Ermittlungskommission (KEK) immer noch nicht berufen ist, sei eine abschließende Entscheidung über eine neue Genehmigung noch nicht möglich, teilte die BLM mit. Das Gerichtsverfahren habe nicht dem Ziel der Abschaltung von DSF gedient, erklärte die MABB. MABB-Direktor Hans Hege meinte dazu am 20. März auf Anfrage, die Forderung einer Abschaltung sei nach mehr als vier Jahren und bei inzwischen geänderten Rechtsgrundlagen "keine vertretbare Position mehr". Eine Abschaltung wäre "nicht vermittelbar" und diskreditiere das eigentliche Ziel, die Medienkonzentration zu kontrollieren. Die Situation jetzt wäre einfacher, so Hege, wenn es die KEK schon geben würde. DSF muß nun einen neuen Zulassungsantrag stellen. Nach den neuen Konzentrationsregeln ist eine höhere Beteiligung der Kirch-Gruppe zulässig. Inzwischen hat DSF die Übernahme von insgesamt 66,5 Prozent der Anteile durch die Kirch-Gruppe zur Genehmigung vorgelegt, teilte die BLM mit. Die derzeitigen Beteiligungsverhältnisse seien nach einer vorläufigen Bewertung mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag vereinbar. Die BLM hat das Thema DSF auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten am 21. April gesetzt. DSF-Geschäftsführer Rainer Hüther rechnet nach eigener Aussage mit einer "uneingeschränkten Fortführung des Sendebetriebs". Auch die Landesmedienanstalten hätten kein Interesse daran, ein "eingeführtes und prosperierendes Unternehmen wie DSF aus formalrechtlichen Gründen" zu gefährden. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei keine Entscheidung gegen das DSF, hieß es in einer Erklärung vom 20. März. DSF sende seit über vier Jahren mit einer Sendeerlaubnis, die nicht hätte ausgestellt werden dürfen, hob die MABB in ihrer Mitteilung hervor. Es habe sich damit Vorteile gegenüber Unternehmen verschafft, die sich an das damals geltende Recht gehalten hätten. Wie alle Fehlentwicklungen im Bereich der Medienkonzentration, denen nicht rechtzeitig entgegengetreten wird, lasse sich das nicht mehr rückgängig machen. Die wesentliche Bedeutung des Urteils liegt nach MABB-Einschätzung in der Zukunft. Verfahren vor Verwaltungsgerichten seien nach der jüngsten Entscheidung ein "wirksames Instrument gegen Versuchungen einer einzelnen Landesmedienanstalt, bei Fragen des bundesweiten Fernsehens aus Standortinteressen nicht hinreichend zu ermitteln". Die Sonderregelung in Bayern, nach der DSF als Programm in "öffentlich-rechtlicher Trägerschaft" gilt, schaffe weder für die BLM noch für dort zugelassene Veranstalter Sonderrechte bei der bundesweiten Verbreitung, kommentierte die MABB. (mr) --------------------- "News Monitor 1996": Nachrichten bei ARD und ZDF "pluralistischer" als bei Kommerzsendern ARD und ZDF berichten in ihren Nachrichten nicht nur ausführlicher über Politik als die Privatsender, ihre Hauptnachrichtensendungen sind auch pluralistischer als die der kommerziellen Konkurrenz. Diese Ergebnisse einer Studie der ARD/ZDF-Medienkommission stellte Udo Michael Krüger, der Leiter des Instituts für Empirische Medienforschung (IFEM) in Köln, am 19. März in Berlin vor. Politische Themen stehen dem vorgelegten "News Monitor 1996" zufolge bei den öffentlich-rechtlichen Sendern weitaus stärker im Mittelpunkt der tagesaktuellen Berichte als bei RTL und SAT 1, wo häufig Kriminalität, Katastrophen und Unfälle die Berichterstattung dominieren. Die kommerziellen Sender geben in ihrer politischen Berichterstattung zudem einem kleineren Spektrum politischer und gesellschaftlicher Gruppen das Wort als die Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF. Der Studie zufolge bietet die ARD werktäglich 113 Minuten Nachrichten, das ZDF 100 Minuten, während RTL 63 Minuten, SAT 1 35 Minuten und Pro Sieben 24 Minuten Nachrichten zeigen. Zwei Drittel des gesamten Nachrichtenangebots dieser fünf Sender kommt demnach aus öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die ARD-Tagesschau und die ZDF-heute-Sendung seien die "politischsten" Sendungen unter den Hauptnachrichten, so eine These Krügers, RTL aktuell hingegen die "politikfernste". Die Nachrichten von ARD und ZDF seien auch neutraler als die ihrer privat-kommerziellen Konkurrenz. Die Studie verglich die O-Ton-Dauer für politische Parteien und kam dabei zum Ergebnis, daß bei ARD und ZDF alle politischen Lager "relativ ausgewogen" zu Wort kämen. Die einzelnen Parteien seien "ihrer Stärke entsprechend" in den Nachrichtensendungen repräsentiert. Bei RTL und SAT 1 kämen hingegen nur die großen Parteien zu Wort. Dort polarisierten sich die politischen Lager zudem stärker als bei ARD und ZDF. Die IFEM-Studie bescheinigt der RTL-Berichterstattung ein deutliches Übergewicht zugunsten der SPD, während bei SAT 1 eher das konservativ-liberale Lager im O-Ton zu Wort käme. Als einen Beitrag gegen den "Trend zur Entpolitisierung" wertete Hansjürgen Rosenbauer, der Vorsitzende der ARD/ZDF-Medienkommission, die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen im Lichte der Ergebnisse. Dennoch seien ARD und ZDF kein "Sprachrohr der Politik", so Rosenbauer. "Wer die öffentlich-rechtlichen Sender sieht, ist besser informiert", folgerte der ORB-Intendant. Die Nachrichten von kommerziellen Sendern seien "keine vergleichbaren Produkte", erklärte ZDF-Intendant Dieter Stolte. Nachrichtensendungen blieben das "wichtigste Forum der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen", so Stolte. Die Qualitätsmaßstäbe setzten nach wie vor ARD und ZDF. Für den "News Monitor 1996" hatte das IFEM insgesamt 631 Nachrichtensendungen untersucht, darunter alle Nachrichtensendungen einer Woche im März 1996 und alle Hauptausgaben und Nachrichtenmagazine des Abendprogramms in vier Wochen aus allen Quartalen des vergangenen Jahres. Die Studie kostete nach Angaben der ARD/ZDF-Medienkommission rund 70.000 Mark. Die Ergebnisse sollen in der Fachzeitschrift Media Perspektiven veröffentlicht werden. (mr) --------------------- SAT 1 sieht sich als Merchandising-Marktführer Als Marktführer im TV-Lizenzgeschäft ("Merchandising") sieht sich SAT 1. Dies erklärte Wolf-Tilmann Schneider, Direktor der Abteilung New Business Development bei SAT 1, am 18. März gegenüber der Presse in Berlin. Schneider bezog sich dabei auf die veröffentlichten Bruttoumsätze und auf eine Studie der Nürnberger inTrend Gesellschaft für Markt-, Media- und Sozialforschung mbH, die SAT 1 bei gleicher Gelegenheit präsentierte. Die Brutto-Handelsumsätze des sendereigenen Merchandising betrugen nach SAT-1-Angaben im vergangenen Jahr 635 Millionen Mark und waren damit mehr als doppelt so hoch wie 1995 (300 Mio.). SAT 1 hat damit RTL übertroffen, dessen Merchandising-Umsätze 1996 bei rund 400 Millionen Mark lagen. 1995 hatte RTL mit 330 Millionen Mark noch vor RTL gelegen. Schneider widersprach Schätzungen nicht, nach denen die Nettoerträge aus dem Lizenzgeschäft unterhalb von 40 Millionen Mark angesiedelt seien. Wichtiger als die Erträge ist für Schneider die zusätzliche Werbewirkung für die "Dachmarke" SAT 1 und die einzelnen Programmmarken. Das Merchandising unterstützt der inTrend-Studie zufolge besonders "bestimmte Imagefacetten" wie "modern, sympathisch und für die ganze Familie". SAT 1 werde als der Sender genannt, der die interessantesten und die meisten Produkte hat, so ein weiteres Ergebnis. Nach Angaben von Schneider erscheinen im TV-Lizenzgeschäft pro Jahr rund 700 neue Artikel. Die durchschnittliche Laufzeit eines Produktes betrage nur vier bis sechs Wochen. Ausnahmen seien nur Produktlinien wie die Plüschtiere zur Serie "Kommissar Rex". Davon sind nach SAT-1-Angaben bislang 1,3 Millionen Stück abgesetzt worden. 81 Prozent der Zuschauer hätten mindestens ein Merchandising-Produkt von SAT 1 in der Werbung gesehen, so ein Ergebnis der Studie. Kontakt zu und Interesse an den SAT-1-Produkten seien umso häufiger und größer, je jünger die Zuschauer sind. (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Die Liste ist moderiert. Beitraege nimmt Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de> entgegen. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit SUBSCRIBE im Body. HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>. Nichtkommerzielle Weiterverbreitung der Medienliste ist nur komplett gestattet. Alle Rechte vorbehalten.