Medialist 14.97: Rosenbauers Wiederwahl

Martin Recke (mr94@prenzlnet.in-berlin.de)
14 Mar 1997 11:39:19 GMT

Medialist 14.97: Rosenbauers Wiederwahl
Hgg. von Martin Recke

                Themen dieser Ausgabe:
                - ORB-Intendant im Amt bestätigt -- Zustimmung zur
                  Hörfunkkooperation
                - Radio Paradiso beantragt Lizenzen in Sachsen und
                  Schleswig-Holstein -- "Täglich 114.000 Hörer"
                - Wettrennen um den Sonntag -- Warum die FAZ ein
                  Anzeigenblatt für Frankfurt plante und seitdem vor
                  sich herschiebt


ORB-Intendant im Amt bestätigt -- Zustimmung zur Hörfunkkooperation 

Hansjürgen Rosenbauer bleibt Intendant des Ostdeutschen Rundfunks
Brandenburg (ORB).  Der 55jährige, der seit Herbst 1991 ORB-Chef war,
wurde am 11. März vom Rundfunkrat in geheimer Wahl in seinem Amt
bestätigt.  Rosenbauer erhielt im ersten Wahlgang 14 Stimmen bei fünf
Gegenstimmen und einer Enthaltung.  In diesem Wahlgang war die
einfache Mehrheit aller Mitglieder des Rundfunkrats notwendig.
Rosenbauer war der einzige Kandidat.

Die erste sechsjährige Amtszeit Rosenbauers läuft erst im Herbst ab.
Die Neuwahl sei schon jetzt vollzogen worden, um "Unsicherheiten" zu
vermeiden, sagte der Vorsitzende des Rundfunkrats, Lutz Borgmann, auf
Befragen.  Vor der Wahl hatte der CDU-Vertreter im Rundfunkrat und
Landtagsabgeordnete Frank Werner die Forderung vertreten, die
Intendantenstelle auszuschreiben.  Dies hatte keine Mehrheit im
Gremium gefunden.

Ziel der Neuwahl sei es gewesen, in der gegenwärtigen Debatte um eine
Neuordnung der ARD (Medialist 11.97) und vor der umfassenden
Neuordnung der Radiowellen von ORB und Sender Freies Berlin (Medialist
12.97) eine "Kontinuität" zu sichern, so Borgmann.  In einer
Klausurtagung Ende Januar hatte der Rundfunkrat beschlossen, die
Zustimmung des amtierenden Intendanten zu einer zweiten Amtszeit
einzuholen.

Es müsse Ziel des ORB sein, erklärte Rosenbauer, im Interesse der
Menschen "in diesem Teil Deutschlands und in diesem Bundesland
Entscheidungsfreiheit darüber zu behalten, was auf seinen Hörfunk- wie
Fernsehfrequenzen" in Brandenburg gesendet werde.  Das schließe
Koooperationen "in alle Himmelsrichtungen", Zusammenarbeit mit
Partnern auch im "privaten Bereich" und auch partielle
Programmzusammenschlüsse ein.

Ein analoger ASTRA-Kanal für das ORB-Fernsehen wird ab 1. Januar 1998
zur Verfügung stehen, gab Rosenbauer bekannt.  Am 17. März soll in
Luxemburg ein Vertrag mit der SES unterzeichnet werden, dem der
Verwaltungsrat bereits zugestimmt habe.  Über ASTRA sollen dann auch
die ORB-Hörfunkprogramme zu empfangen sein.

Auf Kritik an der mangelnden Verbreitung des neuen Dokumentations- und
Ereigniskanals "Phoenix" zum Sendestart am 1. April (Medialist 13.97)
erklärte der ORB-Chef, er hielte es für falsch, deswegen den Start zu
verschieben.  "Wenn das Programm sendet, ensteht auch ein Druck auf
die Medienanstalten", die notwendigen
Kabelkanalbelegungs-Entscheidungen zu treffen.  Die Telekom dürfe auch
nicht aus der Verantwortung entlassen werden, die Netze für neue
Programme zu öffnen.

Einstimmig gab der Rundfunkrat der geplanten Hörfunkzusammenarbeit mit
dem SFB seine Zustimmung.  Ende vergangener Woche hatte bereits der
Verwaltungsrat sein Placet gegeben.  Intendant Hansjürgen Rosenbauer
wies Vorwürfe zurück, die Reform sei "handstreichartig und unter
Verletzung demokratischer Spielregeln" geplant worden (Medialist
13.97).  Alle Gremien seien seit Beginn der Kooperationsgespräche im
vergangenen Sommer stetig über den Stand der Verhandlungen informiert
worden.

ORB-Hörfunkdirektorin Hannelore Steer berichtete dem Gremium, daß für
die künftig vier gemeinsam mit dem SFB veranstalteten Programme
insgesamt 140 Planstellen vertraglich vereinbart seien.  55 davon
werde der ORB besetzen.  Das Jugendradio "Fritz" werde weiterhin etwa
20 Planstellen haben, die neue "High-Quality"-Welle mit Arbeitstitel
"Radio Eins" soll Steer zufolge 35 Stellen bekommen, knapp zehn
weniger als die derzeit bei Radio Brandenburg besetzten Stellen.

Für Cottbus und Frankfurt/Oder, im Südosten und Osten des Landes
gelegen, habe der ORB bereits neue Frequenzen beantragt.  Weitere
Frequenzen soll es nicht geben.  Zwei vollständige neue Senderketten
seien "nicht mehr erhältlich", so Steer.  Bis zur ersten Aprilhälfte
sollen die Schemata der neuen Wellen vorliegen, kündigte die
Hörfunkdirektorin an.

Zum stellvertretenden Vorsitzenden des Rundfunkrats wurde
Hans-Dietrich Schneider gewählt.  Schneider tritt die Nachfolge von
Jost Riecke an, der Ende Februar aus dem Gremium ausgeschieden war.
Er vertritt im Rundfunkrat die Liga der Spitzenverbände der Freien
Wohlfahrtspflege im Land Brandenburg.  Rieckes Nachfolgerin als
Vertreter des Mieterbunds wurde Kerstin Kircheis, die dem Vorstand des
Landesverbands vorsitzt.  (mr)


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Radio Paradiso beantragt Lizenzen in Sachsen und Schleswig-Holstein --
"Täglich 114.000 Hörer"

Das in Berlin sendende Radio Paradiso bewirbt sich um neue Lizenzen in
Sachsen und Schleswig-Holstein.  Dies teilte die Station am 12. März
mit.  Das Mitte Februar gestartete Programm soll dort gegebenenfalls
mit "lokalen Fenstern" gesendet werden, hieß es.  In Sachsen hat Radio
Paradiso sich um alle vier von der sächsischen Landesmedienanstalt
ausgeschriebenen Frequenzen beworben, teilte SLM-Justitiar
Klaus-Dieter Müller am 14. März auf Anfrage mit.

Insgesamt gebe es dort 25 Bewerber auf die Ausschreibung der
Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM)
hin.  Die Medienbehörde hatte drei Frequenzen mit lokaler Reichweite
und eine Frequenz auf dem Fichtelberg ausgeschrieben, die Teile des
Südens abdeckt.  Müller zeigte sich überrascht über die Vielzahl der
Bewerbungen.

In Schleswig-Holstein will sich Radio Paradiso auf die dort
ausgeschriebene vierte landesweite UKW-Frequenzkette mit insgesamt
neun Frequenzen bewerben, teilte der Paradiso-Gründer und Direktor des
Evangelischen Presseverbands Nord, Rainer Thun, am 14. März auf
Anfrage mit.  Die Ausschreibungsfrist laufe dort am 17. März ab.

Nach eigenen Angaben hat Radio Paradiso zur Zeit an Werktagen 114.000
Hörer.  Dies ergab eine repräsentative Befragung, deren Ergebnis die
Station am 12. März bekanntgab.  Der Wert sei methodisch mit der Zahl
der "Hörer gestern" zu vergleichen, die die Media Analyse (MA)
ausweise, erklärte Geschäftsführer Rainer Thun.  Die Station habe
demnach etwa 29.000 Hörer in der durchschnittlichen Stunde.

Damit habe Radio Paradiso werktags ebensoviele Hörer wie das
Deutschlandradio und die SFB-Welle B Zwei.  Zwei Drittel der Hörer
seien Frauen.  Nach Paradiso-Angaben waren vom Institut für
Communication & Marketing Research (CMR) insgesamt 1.500 Menschen in
Berlin und Brandenburg befragt worden.

Das erste Ziel sei damit bereits erreicht, so Rainer Thun:  "Radio
Paradiso hat täglich mehr Hörer, als sonntags Berliner in die Kirche
gehen."  Das traditionelle Gemeindeleben aktiviere heute nur noch acht
von 100 der für christliche Vorstellungen zugänglichen Berliner.  Der
neue Kontakt zu den Menschen sei ein "wertvoller Fortschritt für uns
Christen", so Thun.  (mr)


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Wettrennen um den Sonntag -- Warum die FAZ ein Anzeigenblatt für
Frankfurt plante und seitdem vor sich herschiebt / Von Martin Recke 

Jochen Becker kann sich zurücklehnen. Der FAZ-Verlagsgeschäftsführer
dementierte seit Monaten konstant, aber mit nachlassender Intensität
die Pläne für ein neues Anzeigenblatt am Sonntag. Seit Montag dieser
Woche ist es amtlich: "Sunday", so der avisierte Titel, wird es
vorerst tatsächlich nicht geben. Unter diesem Namen wollte eine
gemeinsame Tochter des FAZ-Verlags und der Frankfurter
Societätsdruckerei eine "Sonntagszeitung auf Anzeigenblatt-Basis"
herausbringen, ein Novum für die noble Frankfurter Allgemeine.  

Eine Million Exemplare sollte es geben, was die Konkurrenten hellhörig
machte. Denn damit wäre "Sunday" aus dem Stand das größte
Anzeigenblatt Deutschlands geworden und hätte den "Blitz-Tip"
überflügelt, der im Rhein-Main-Raum nach eigenen Angaben jeden
Mittwoch 960 000 Exemplare verteilt.  

Dessen Miteigner Horst Vatter zog prompt Pläne für ein eigenes
Sonntagsblatt namens "Äppler" aus den Schubladen. Dieser Titel
erschließt sich nur dem Hessen: "Äppler" heißt heute modisch jenes
Getränk, das jahrzehntelang durch Heinz Schenk als Appelwoi bundesweit
bekannt wurde. Auf der Suche nach einer Druckerei für den "Äppler" war
Vatter bei der Societätsdruckerei, die auch schon Teilauflagen des
"Blitz-Tip" gedruckt hatte, bereits auf Spuren des "Sunday" gestoßen:
Nur 500 000 Stück wollte sie für ihn drucken, weil angeblich der
FAZ-Verlag Kapazitäten reserviert hatte. Vatter hingegen plante 700
000 "Äppler"-Exemplare.  

Mit dem Sonntags-"Blitz-Tip" wollten Vatter und seine
Mitgesellschafter, der Springer-Verlag und die Hannoveraner
Verlagsgruppe Madsack, sogar noch vor "Sunday" die sonntägliche
Marktlücke besetzen. Während "Sunday"-Projektleiter Bernd Seitz bis
vor wenigen Tagen den 27.April als Starttermin annoncierte, wollte
Horst Vatter den "Äppler" bereits Ende März auf dem Markt werfen. Nach
dem Rückzug der FAZ-Tochter werden diese Pläne nun wahrscheinlich auf
Herbst verschoben."Wer geht schon freiwillig vor's Sommerloch?", fragt
Christine Kock vom "Blitz-Tip"-Marketing.  

Offiziell trägt auch "Sunday"-Chef Seitz den Herbst-Termin noch vor
sich her."Im September" soll das Anzeigenblatt nun erscheinen, so
Seitz, und zehn Unterausgaben haben. Doch die "Sunday"-Redaktion, für
die Seitz schon Ende vergangenen Jahres mit großformatigen Anzeigen
nach Personal suchte, bekommt erst einmal anderes zu tun: Sie
verstärkt das Team der "Frankfurter Nachrichten", deren Auflage ab
April von gut 300 000 auf über 700 000 Exemplare hochgefahren werden
soll.  

Das defizitäre Anzeigenblatt, das im letzten Jahr nach eigenen Angaben
rund zwei Millionen Mark Verlust einfuhr, hatten FAZ-Verlag und
Societätsdruckerei Anfang März übernommen. Beide Häuser wollen
außerdem ihr gesamtes regionales Anzeigengeschäft in einer gemeinsamen
Tochtergesellschaft bündeln. Die "Frankfurter
Allgemeine/Rhein-Main-Zeitung", eine Regionalausgabe der FAZ, und die
Frankfurter Neue Presse (FNP) werden demnach künftig gemeinsam
vermarktet. Die täglich erscheinende FNP verkauft mit vier
Regionalausgaben 116 813 Exemplare, die Rhein-Main-FAZ erreicht 99 489
Stück.  

Am Sonntag wird im Ballungsraum Frankfurt außerdem die "Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung" verbreitet. Mit 105 160 Exemplaren ist
dieser FAZ-Ableger weit von schwarzen Zahlen entfernt. Dem
FAZ-Sonntagsblatt hätte die neue Konkurrenz das Leben kaum
erleichtert. FAZ-Verlagschef Jochen Becker sieht die Anzeigenblätter
gleichwohl als "Komplementärwerbeträger" zu den verkauften Zeitungen.
An eine bundesweite Verbreitung der "Sonntagszeitung" denkt er nicht.
Dazu bedürfte es nicht nur der entsprechenden Logistik, auch das Blatt
selbst, derzeit hauptsächlich mit Lokalem aus dem Rhein-Main-Raum
gefüllt, müßte gründlich erneuert werden.  

"Blitz-Tip"-Marketingfrau Christine Kock kann sich ein wenig
Schadenfreude nicht verkneifen, hatte doch Seitz über seine Firma GKM
Gesellschaft für kundenorientiertes Marketing in Holzgerlingen bei
Stuttgart auch einige "Blitz-Tip"-Mitarbeiter abgeworben."Die sind
jetzt natürlich wenig begeistert", so Kock, wenn sie statt an einer
neuen Sonntagszeitung an den wenig renommierten "Frankfurter
Nachrichten" arbeiten dürfen. Der "Anzeigenkrieg in Rhein-Main"
(Focus) geht also in eine neue Runde. Auch die Mainzer Verlagsanstalt,
bei der die Regionalzeitungen "Mainzer Allgemeine" und "Wiesbadener
Kurier" erscheinen, wälzt schon Pläne für ein sonntägliches
Anzeigenblatt. Der Titel ist bislang, wen wundert's, noch geheim.  

   © G+J BerlinOnline GmbH, 14.03.1997


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