Medialist 11.97: Reiters Reformideen Hgg. von Martin Recke Reiters Reformideen -- Vom Hauptstadtstudio zum Hauptstadtsender / Von Martin Recke Udo Reiter spielt den Buhmann. Der MDR-Chef spricht offen aus, was viele in der ARD denken: Den Finanzausgleich, mit dem die großen ARD-Anstalten die kleineren Sender in Bremen, im Saarland und in Berlin unterstützten, wird es "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nach dem Jahr 2000 nicht mehr geben, meint Reiter. Und macht sich auf diese Weise nicht nur Freunde. Denn schon diese Feststellung ist umstritten: Reiter führt damit -- wohl nicht ohne Rückendeckung aus Dresden -- den gleichen Hebel, an dem die Länderchefs Kurt Biedenkopf (CDU) in Sachsen und Edmund Stoiber (CSU) in Bayern sitzen. Die beiden Konservativen wollen so eine Strukturreform der ARD erzwingen. Dies trifft vor allem auf den Widerstand der beiden SPD-geführten Regierungen in Bremen und im Saarland, die ihre Sender gern behalten würden. Für noch mehr Brisanz sorgen die begehrlichen Blicke, die der ARD-Vorsitzende Reiter auf Berlin, das hier geplante Hauptstadtstudio der ARD und den Sender Freies Berlin (SFB) richtet. SFB und WDR bauen zur Zeit das neue Studio am Spreeufer, aus dem ab Frühjahr 1999 alle ARD-Anstalten gemeinsam vom Regierungssitz berichten wollen. Im Focus-Interview schlug Reiter nun vor, nicht nur das Hauptstadtstudio, sondern auch gleich den ganzen SFB zur ARD-Gemeinschaftseinrichtung zu machen. Die Interessen der Stadt Berlin, so Reiter vage, müßten in dieser Konstruktion "gebührende Berücksichtigung" finden. Dazu solle es ein Aufsichtsgremium geben, in dem die ARD und Berlin "angemessen vertreten" sind. SFB-Chef Günther von Lojewski bringen die Reiter-Planspiele in Bedrängnis. Er forderte bislang, bei der nächsten Gebührenrunde "anstaltsindividuelle Elemente" zu berücksichtigen. Damit käme seine Anstalt, so die Rechnung, besser weg als derzeit. Denn die Gebührenkommission KEF honoriert zwar die Sparbemühungen des Hauses Lojewski, das bewilligte Geld aber fließt allen ARD-Sendern gleichmäßig zu. Nach dem Vorstoß Reiters fürchtet der SFB-Chef nun den "Einmarsch Dritter" nach Berlin und wirft seinem Leipziger Kollegen vor, den Stand der internen Debatte einseitig wiederzugeben. Am Theodor-Heuss-Platz ist man auch deshalb verstimmt, weil die Intendanten bei ihrer Runde Anfang Februar in Leipzig Stillschweigen verabredet hatten. Mit seiner Interviewpolitik ist es Reiter gelungen, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen: Als Reiter und Lojewski am Montag mit dem Regierenden Bürgermeister Diepgen zusammentrafen, befaßte die Runde, die eigentlich der am Potsdamer Platz geplanten Mediathek gewidmet war, sich notgedrungen nun auch mit der ARD-Reformdebatte. Beim Berliner Senat stoßen die Pläne des amtierenden ARD-Chefs auf gedämpfte Zustimmung: Senatssprecher Michael-Andreas Butz will den Vorschlag "diskutieren". Berlin müsse aber das letzte Wort bei diesem Sender haben, so seine Forderung. Die Berliner Politik liebäugelt schon länger mit einer Lösung, die über eine mögliche Fusion mit dem kleinen Nachbarsender ORB hinausgeht. Die Debatte läßt auch den ORB nicht mehr kalt. ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer verspürt zwar, wie er sagte, bis dato keinen Druck auf seinen Sender. Für den Fall jedoch, daß sich in der ARD eine Mehrheit durchsetzen sollte, die kleine Anstalten als Behinderung empfinde, drohte Rosenbauer am Dienstag vorsorglich schon mal mit dem Abschied von der ARD: "Wenn es sich nach den Vorstellungen Reiters durchsetzt, daß kleine Anstalten nicht mehr dasselbe Stimmrecht in der ARD hätten, oder wenn man den ORB zwingen wollte zu fusionieren, dann würde ich auch einen Ausstieg aus der ARD in Erwägung ziehen müssen." Damit kritisierte der ORB-Chef auch den Berliner Senatssprecher, der alternativ zum Reiter-Vorschlag eine Fusion von SFB und ORB mit dem MDR in Erwägung zieht. Der Hamburger NDR, dessen Fühler auch schon bis nach Berlin reichen, sei nämlich selbst "stark und überlebensfähig" und zudem, meinte Butz, womöglich hinreichend damit beschäftigt, den ebenfalls schwachen Sender in Bremen aufzunehmen. Bei Radio Bremen ist unterdessen offener Streit um einen Vorschlag von Programmdirektor Rüdiger Hoffmann ausgebrochen. Hoffmann will den Produktionsapparat seines Hauses privatisieren und als Dienstleistungsunternehmen für die gesamte ARD etablieren. Statt Finanzausgleich käme seinem Haus dann ein garantierter Jahresumsatz zugute. Hoffmanns Vorgesetzte haben der unkonventionellen Idee bereits eine schnelle Absage erteilt. Mit dem Hauptstadtsender-Plan Reiters hat sie jedoch eines gemeinsam: das Ziel, auch ohne Finanzausgleich Geld dorthin fließen zu lassen, wo es dringend gebraucht wird. Anders als der SFB, der zur Not, wenn auch arg gerupft, allein mit Berliner Gebührengeldern zurechtkäme, müßten Radio Bremen wie auch der Saarländische Rundfunk sofort schließen, wenn die Gelder ausblieben. Trotzdem bleiben das Saarland und sein Landessender bei den laufenden Verhandlungen im Südwesten außen vor. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wollen den Baden-Badener Südwestfunk (SWF) und den Stuttgarter Süddeutschen Rundfunk (SDR) fusionieren. Die neue Anstalt würde nach WDR und NDR das drittgrößte Haus innerhalb der ARD. Am Freitag dieser Woche wollen sich die Ministerpräsidenten beider Länder in Stuttgart treffen und versuchen, die letzten offenen Fragen zu klären. Stuttgart gilt auch als designierter Sitz der neuen Anstalt. --------------------- Berlin: Medienrat will VoA-Kooperation mit lokalem Radio -- Jazz-Radio soll auf 101,9 MHz bleiben Die Voice of America (VoA) soll weiterhin in Berlin auf UKW zu hören sein. Der MABB-Medienrat sprach sich am 22. Februar für ein Kooperationsmodell mit einem lokalen Veranstalter aus. Möglich sei auch die Zulieferung lokaler Inhalte unter Verantwortung von VoA. VoA sendet nach dem Ende von Radio Charlie derzeit 23 Stunden täglich auf der Frequenz 87,9 MHz, eine Stunde füllt das Uniradio Berlin-Brandenburg. Das Gremium gab VoA den Auftrag, das Kooperationsmodell zu konkretisieren. In Frage kämen nach dem Ergebnis der Anhörung am 21. Februar "in erster Linie" die German American Radio GmbH ("Welcome Radio 87,9") und die Radio M GmbH ("Radio Merci"), hieß es in einer MABB-Mitteilung vom 22. Februar. An der Trägergesellschaft des geplanten "Radio Merci" ist der Süddeutsche Verlag als Hauptgesellschafter beteiligt (Medialist 8.97). Für die ebenfalls ausgeschriebene Frequenz 101,9 MHz nahm der Medienrat das dort bereits sendende Jazz Radio in Aussicht. Jazz Radio will die "Venture Capital"-Firma Alta Berkeley Associates und Julian B. Allitt mit insgesamt 49 Prozent beteiligen, um die wirtschaftliche Basis zu verbreitern. Die Firma Euro-Jazz der Jazz-Radio-Gründerin Wilma Steyling solle "mittelbar" 51 Prozent der Anteile behalten, so die MABB-Erklärung. Der Medienrat hatte im vergangenen Jahr die Frequenz 101,9 MHz ohne Auswahlverfahren probeweise an Jazz-Radio vergeben, das damals bereits auf Mittelwelle in Berlin zu hören war. Die endgültige Entscheidung über die Lizenz für Jazz-Radio soll am 21. April fallen. In dieser Sitzung will der Medienrat auch über den Stand der Verhandlungen lokaler Partner mit der VoA beraten. (mr) -- The Medialist distributes various news about media topics. It's in German. Die Medienliste verbreitet diverse Medienmeldungen mit dem Schwerpunkt Berlin. Sie erscheint in den Newsgroups de.soc.medien, bln.medien und prenzlnet.medien sowie auf http://userpage.fu-berlin.de/~mr94/medialist/. Die Liste ist moderiert. Beitraege nimmt Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de> entgegen. Um die Medienliste per Mail zu beziehen, genuegt eine Mail an <medialist-request@prenzlnet.in-berlin.de> mit SUBSCRIBE im Body. HELP im Body schickt einen Hilfstext. Kommerzielle Weiterverwertung der Medienmeldungen ist generell nicht gestattet. Falls Sie dies dennoch beabsichtigen, wenden Sie sich bitte an Martin Recke <mr94@prenzlnet.in-berlin.de>. Nichtkommerzielle Weiterverbreitung der Medienliste ist nur komplett gestattet. Alle Rechte vorbehalten.